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Analyse: Eine Frage der Ehre für Schneiderhan

Von Michael Fischer 18.03.2010, 17:28

Berlin/dpa. - Bisher kannte man Wolfgang Schneiderhan nur in Uniform. Der 63-Jährige war mehr als zwei Drittel seines Lebens Soldat der Bundeswehr, zuletzt sogar für sieben Jahren ihr ranghöchster General.

Im vergangenen November bat er jedoch auf Betreiben seines Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg um seine Entlassung. Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Kundus-Affäre erschien er am Donnerstag deshalb im eleganten, dunkelgrauen Dreiteiler. Mit einem Lächeln ertrug er das Blitzlichtgewitter der Fotografen zum Auftakt der Sitzung. Mitgebracht hatte er nur eine dicke Plastikfolie mit Notizen für sein Eingangsstatement, das mehr als eineinhalb Stunden dauern sollte.

Zunächst einmal schilderte er, unter welch schweren Bedingungen die Entscheidung für das Bombardement in Kundus, bei dem bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden, getroffen wurde. Die Soldaten in Afghanistan müssten täglich mit einer «Unübersichtlichkeit» zurecht kommen, die keine Frontlinien kenne und in der die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Terroristen nur schwer möglich sei. Es sei eine «immense physische und psychische Belastung», die die Soldaten im Einsatzgebiet auszuhalten hätten.

Auch den Oberst Georg Klein, der das Bombardement befahl, würdigte Schneiderhan in seinem Statement für seine Gesamtleistung. Eine eindeutige Einschätzung zu dessen Angriffsbefehl gab er auch in der späteren Befragung allerdings nicht ab.

Erst nach etwa 90 Minuten kam Schneiderhan zu der Kernfrage, die für ihn eine Frage der Ehre ist: Haben er und Staatssekretär Peter Wichert, der ebenfalls von Guttenberg entlassen wurde, dem Minister Informationen verheimlicht? Und haben sie damit tatsächlich dazu beigetragen, dass Guttenberg das Bombardement zuerst als «militärisch angemessen» und kurze Zeit später als «unangemessen» bewertete?

Schneiderhan beantwortete diese Fragen mit einem klaren Nein. Und aus seiner Sicht hat der Minister diese Frage inzwischen ebenfalls mit Nein beantwortet. Eine Woche vor seiner Aussage hatte der CSU-Politiker in einem Interview erklärt, es seien ihm keine Informationen vorsätzlich oder böswillig vorenthalten worden, nachdem er anfangs zunächst gesagt hatte, ihm seien Berichte unterschlagen beziehungsweise vorenthalten worden. «Das nehme ich mit Erleichterung zur Kenntnis», sagte Schneiderhan nun zu Guttenbergs Klarstellung. Die Sache sei für ihn damit erledigt.

Die «ehrabschneidende und unwahre Berichterstattung» über ihn stehe dagegen weiter im Raum. Schneiderhan bezog sich auf Medienberichte, nach denen er die Existenz eines Feldjägerberichts der Bundeswehr geleugnet haben soll. Mit solchen Berichten würden Zweifel an seiner Redlichkeit genährt, sagte Schneiderhan. Dann holte er Luft und fügte noch hinzu: «Es wurden auch Zweifel an meinem Verstand genährt.»

Er hatte Guttenberg den Bericht wohl auch deshalb nicht vorgelegt, weil dieser ohnehin in den Untersuchungsbericht der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF zum Kundus-Luftschlag eingeflossen war. Schneiderhan betonte am Donnerstag im Ausschuss, er sei mit der Qualität des Feldjägerberichts «zutiefst unzufrieden» gewesen, weil er mehr Vermutungen und Spekulationen als Tatsachen enthalte.

Sein Entlassungsgesuch habe er bewusst im Passiv verfasst, sagte Schneiderhan, weil er zur entscheidenden Zeit im Urlaub war. Handschriftlich vermerkte er am 25. November, Guttenberg habe seine Einschätzung «militärisch angemessen» am 6. November auf Grundlage des ISAF-Berichts getroffen. «Andere Zwischenberichte, Berichte und Meldungen wurden Ihnen nicht vorgelegt. Dafür übernehme ich die Verantwortung.» Guttenberg änderte nach Kenntnis der ihm zunächst nicht bekannten Berichte seine Meinung und bewertete den Angriff am 3. Dezember als «militärisch unangemessen».

An mehreren Stellen der Vernehmung machte Schneiderhan deutlich, wie sehr ihn die Affäre getroffen hat. Dass der Minister ihn im November entlassen hat, weil er das Vertrauensverhältnis gestört sah, kann ein Mann wie er verkraften. Aber dass ihm Vorwürfe gemacht werden, die aus seiner Sicht glatt gelogen sind, macht ihm zu schaffen. Das sei für ihn «emotional nicht so einfach» gewesen.

Seine Entlassungsurkunde erhielt Schneiderhan den Vorschriften entsprechend von Bundespräsident Horst Köhler. Von Guttenberg erhielt er dagegen keinerlei Abschiedsschreiben. Darauf wies Schneiderhan zum Abschluss seiner Eingangsrede ausdrücklich hin. «Ich habe kein anderes Dokument, als die Urkunde des Bundespräsidenten», sagte er und fügte - ganz Soldat - hinzu: «Und zweitens möchte ich Ihnen melden, dass ich mich beim Herrn Bundespräsidenten und bei der Frau Bundeskanzlerin schriftlich abgemeldet habe.» Seinen früheren direkten Vorgesetzten Guttenberg erwähnte Schneiderhan nicht.