Analyse Analyse: Drei Manager-Leben
Hamburg/Büdelsdorf/dpa. - Spoerr musste Krisen überwinden, seine Aktionäre in Schach halten, sich gleich mehrfach gegen Konkurrenten auf seinem Chefposten behaupten, Übernahmeversuche vereiteln und ganz nebenbei sein Unternehmen auf dem hartumkämpften Mobilfunk- und Internet-Markt etablieren. Jetzt hat er genug und zieht sich in einem Monat von der freenet-Spitze zurück. «Ich kann mir vorstellen, dass er ausgebrannt ist», sagte Aufsichtsratschef Helmut Thoma dem «Hamburger Abendblatt». «Die letzte Zeit muss sehr anstrengend gewesen sein. Ich konnte ihn einfach nicht zum Bleiben überreden.»
In der Tat ist Spoerr gerade wieder tief in Scharmützel an mehreren Fronten verwickelt und Sperrfeuer von allen Seiten ausgesetzt. Da sind zum einen die freenet-Großaktionäre Permira, Hermes und Drillisch/United Internet, die mit dem stark gefallenen Aktienkurs unzufrieden sind. Der geplante Verkauf der DSL-Sparte ist vorläufig gescheitert und im gegenwärtigen Marktumfeld nur schwer zu realisieren. Spoerr hatte bis zuletzt unrealistisch hohe Kaufpreisforderungen verfolgt und Optimismus versprüht. Der Aufsichtsrat ist seit längerem in Spoerr-Gegner und -Anhänger gespalten. So begründete der 40-jährige Vorstandschef seinen Rückzug auch mit «der wohl polarisierenden Wirkung meiner Person».
Zum anderen trieb Spoerr die Integration des übernommenen Kontrahenten Debitel voran und setzte sich dabei bei den Arbeitnehmern dem Verdacht aus, die Lasten zu einseitig zu verteilen. Erst hatte Spoerr den Debitel-Chef Oliver Steil ausgebootet, dann die Schließung des Talkline-Standortes Elmshorn verkündet und schließlich auch schmerzhafte Einschnitte an den Standorten Stuttgart und Ettlingen verordnet. Der Integrationskurs soll ohne Abstriche fortgesetzt werden, teilte freenet unbeirrt mit.
Zudem muss sich Spoerr ab Januar vor Gericht verantworten, weil er möglicherweise vor viereinhalb Jahren in verbotene Insidergeschäfte verwickelt gewesen sein könnte. Das hat aber wohl nicht direkt mit dem Rückzug von der Unternehmensspitze zu tun. Tatsache ist, dass Spoerr dank Aktienoptionen in seiner Karriere klotzig verdient hat und in manchen Jahren mehr Geld einstreichen konnte als die meisten Vorstände von viel größeren Aktiengesellschaften aus dem DAX.
Der smarte Unternehmensberater war 1999, zu Hochzeiten der schon fast vergessenen New Economy, vom früheren Mobilcom-Chef Gerhard Schmid nach Norddeutschland geholt worden, um eine Internet-Tochter aufzubauen. Spoerr erledigte diese Aufgabe mit Bravour, sammelte an der Börse 100 Millionen Euro ein und hatte davon noch mehr als 50 Millionen Euro in der Kasse, nachdem die Internet-Blase geplatzt war und freenet die Gewinnzone erreichte.
Als Überlebender der New Economy schlug er bei der Fusion mit der Muttergesellschaft Mobilcom auch seinen Konkurrenten Thorsten Grenz aus dem Feld und wurde Chef des Gesamtunternehmens, das mittlerweile mit 19 Millionen Mobilfunkkunden und 20 Prozent Marktanteil eine kleine Telefon-Großmacht ist. Aus einer 40-Mann-Klitsche ist ein Konzern mit mehr als 7000 Mitarbeitern entstanden.
Nach dem Abgang des sportlichen Junggesellen, der in seiner Jugend auf dem Weg zum Leistungsschwimmer war, gibt es bei freenet eine neue Baustelle. Nun muss das Unternehmen nicht nur die vorhandenen Probleme lösen, sondern auch einen Nachfolger finden. Der Aktienkurs machte am Dienstag erst einmal einen Sprung nach oben, nachdem die Nachricht in der Nacht veröffentlicht worden war. Über Spoerrs Zukunftspläne ist noch nichts bekannt.