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Alternativantriebe Alternativantriebe: Volle Fahrt mit Schirm

Von ROLAND KNAUER 20.02.2009, 18:42

Halle/MZ. - Ganz ohne Segelromantik könnte die Windenergie damit ein Comeback auf Wasserfahrzeugen erleben. Noch ist das E-Ship 1, initiiert von Enercon, dem größten deutschen Hersteller von Windenergieanlagen, allerdings nicht einmal ein Prototyp, sondern soll bis Ende 2009 auf einer Werft in Emden erst fertig gestellt werden. Weil aber in der Zukunft der Klimaschutz eher vordringlicher werden wird, hält der Branchenprimus inzwischen eine Renaissance der Windkraft auf hoher See für möglich - und will mitmischen.

Neben klassischen Segeln und Flugdrachen, die ein Schiff ziehen, gibt es dazu eine weitere Technologie, deren Grundlagen der Berliner Physiker Heinrich Gustav Magnus bereits 1852 beschrieb. Dem Wissenschaftler war aufgefallen, dass rotierende Geschosse von der Flugbahn abweichen, auf der nicht rotierende Gegenstände fliegen würden. Fußballer kennen dieses Phänomen unter dem Begriff "Bananenflanke": Trifft der Fuß des Spielers den Ball ein wenig seitlich, fliegt das Leder nicht gerade, sondern im Bogen.

Stark vereinfacht kann auch ein Laie den Effekt verstehen. Rotiert das Leder, strömt die Luft auf der einen Seite mit der Drehrichtung und versucht dort, die Drehung zu beschleunigen. Nach den klassischen Regeln der Physik entsteht so eine Kraft, die im rechten Winkel zur Flugbahn auf den Ball wirkt. Zudem entsteht in Drehrichtung des Balles ein leichter Unterdruck. Das lässt ebenfalls Kräfte quer zur Flugrichtung entstehen und verstärkt die Ablenkung.

In den 1920er Jahren versuchte der hessische Ingenieur Anton Flettner mit diesem inzwischen "Magnus-Effekt" genannten Phänomen einen Schiffsantrieb zu entwickeln. Dazu ließ er auf dem Deck senkrecht stehende Metallzylinder aufstellen, die ein Motor um ihre eigene Achse drehen ließ. Trifft nun Wind auf diese Zylinder, zieht der Magnus-Effekt das Schiff im rechten Winkel zur Windrichtung. Als Antrieb lassen sich die inzwischen Flettner-Rotoren genannten Metallzylinder also nur nutzen, wenn der Wind nicht genau von vorne oder hinten kommt. Versuche mit dem 1924 und 1926 gebauten Schiffen "Buckau" und "Barbara" waren zwar erfolgreich. Gegen die billigen fossilen Brennstoffe konnte sich der Flettner-Antrieb aber nicht durchsetzen.

Doch Klimawandel und bisweilen steigende Ölpreise ließen Enercon die Idee wieder aufgreifen. Einen Prototypen mit einer Länge von 130 Metern lässt der Windenergiehersteller in Kiel bauen. 25 Meter hoch sind die vier Flettner-Rotoren mit jeweils vier Metern Durchmesser. Sie ergänzen den konventionellen Antrieb mit neun Schiffsdieseln - auf den Wind allein mag man sich nicht verlassen.

Für Enercon könnte der Prototyp sich in mehrfacher Hinsicht rechnen. Das Unternehmen will nicht nur zeigen, dass Windenergie inzwischen eine brauchbare Alternative ist. Gleichzeitig übernimmt das E-Ship 1 auch einen Teil des Transportes zwischen den Werken in Brasilien und Deutschland oder Kanada. So spart das Unternehmen teure Charter. Gleichzeitig soll getestet werden, wie viel Schiffsdiesel die Segelrotoren im Alltag auf den Weltmeeren tatsächlich sparen helfen können.

Ob die Unterstützung mit Windenergie sich überhaupt rechnet, hat Gonzalo Tampier vom Fachgebiet Meerestechnik der Technischen Universität Berlin mit Computersimulationen für diverse Segelkonzepte ausgerechnet. Wenn ein Frachter in langsamer Fahrt mit nur zehn Knoten über die Weltmeere schippert, sparen die Segel danach im günstigsten Fall 44 Prozent der Energie. Am ehesten lohnt sich die Segelei daher mit Massengutfrachtern, die zum Beispiel Getreide oder Kohle von Australien in den Rest der Welt liefern.