Altenburger Bier Altenburger Bier: Premium-Pils statt Sterbehilfe
Altenburg/dapd. - Die Meinung der Jury könnte überschäumender nicht sein: "Erst schmeckt man den aromatischen Hopfen, dann kommt langsam das Malzige. Und der trockene Abgang macht Lust auf den nächsten Schluck", sagt Matthias Klimt vom Bierclub "Pro Bier". Und Rainer Calmund, Ex-Fußball-Manager und Co-Juror, pflichtet bei: "Das Bier zischt richtig - das ist ganz entscheidend." Gemeint haben die beiden das Altenburger Bier, das die insgesamt 7 000 Mitglieder von Pro Bier zu ihrem Favoriten 2012 gekrönt haben. Das besondere an dem hochgelobten Gerstensaft ist auch, dass es fast ausschließlich von Frauen gebraut wird.
Weibliches Quartett
Sudhaus, Abfüllung, Labor und Geschäftsführung - in der Altenburger Brauerei sind die Kernbereiche fest in Frauenhand. Seit 20 Jahren steht das weibliche Quartett der kleinen Brauerei vor, die das Altenburger Land mit Gerstensaft versorgt. Mit dem Bierpreis besonders gelobt fühlen darf sich Braumeisterin Antje Dathe, die die Auszeichnung auch ernst nimmt. "Das ist der einzige Preis, bei dem allein der Geschmack der Konsumenten entscheidet. Das ist mir viel mehr wert als die Meinung sogenannter Experten", sagt Dathe.
Für die 56-jährige gebürtige Sächsin ist die Auszeichnung zugleich die Krönung einer 30-jährigen Karriere, die zu DDR-Zeiten mit einem Studium der Brauerei- und Getränketechnologie in Berlin begann und zunächst unter ungünstigsten Bedingungen startete. "Als ich in Altenburg anfing, war die Technik marode. Da war an richtiges Bierbrauen nicht zu denken", sagt Dathe. Zudem zwang die sozialistische Planwirtschaft die Brauerin zur ständigen Improvisation. "Unser Soll lag ständig weit über dem, was wir hätten schaffen können. Also mussten wir irgendwie ein Bier brauen", sagt Dathe. All diese Widrigkeiten sorgten dafür, dass das Gebräu aus Altenburg im Volksmund den Beinamen "Sterbehilfe" verpasst bekam. "Das schmeckte manchmal wirklich schrecklich", gibt Dathe zu.
Erst nach der Wende und mit dem Aufkauf durch eine fränkische Familienbrauerei begann in Altenburg ein neues Zeitalter in Sachen Braukunst. Seitdem haben Dathe und Geschäftsführerin Petra Haase damit begonnen, die über Jahrzehnte heruntergewirtschaftete Brauerei rundum zu erneuern.
Gewinn wird investiert
"Jeder Euro, den wir verdienen, wird in neue Technik und das Rundherum der Brauerei gesteckt", sagt Dathe. Mittlerweile erstrahlt die 1871 im Stil der Gründerzeit erbaute Brauerei über weite Teile wieder im alten Glanz, mehrere Festsäle und ein kleines Museum sollen der Brauerei zu Besuchern verhelfen.
Gleichwohl war die Wende auch mit einigen unangenehmen Überraschungen verbunden. So musste Dathe erstaunt feststellen, dass es plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr war, als Frau in einer Männerdomäne wie der Brauerei in der ersten Reihe zu stehen. "Viele meiner Kolleginnen aus DDR-Zeiten verschwanden plötzlich in den Laboren", sagt Dathe. Und auch sie bekam das zu spüren: "Manchmal kamen Geschäftspartner und fragten, ob sie den Braumeister sprechen könnten."