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Klimawandel Alltag ohne Wasser: Blick in austrocknende Weltregionen

13 der 15 Länder, die am stärksten mit Wasserknappheit kämpfen, liegen im Nahen Osten. Flüsse vertrocknen, Landwirte lassen verdorrte Obstbäume zurück - und in Städten wird einfach der Hahn abgedreht.

Von Johannes Sadek, Arne Bänsch und Mirjam Schmitt, dpa 08.09.2025, 05:30
Das Gebiet um den Euphrat gilt als Wiege der Zivilisation - und vertrocknet.
Das Gebiet um den Euphrat gilt als Wiege der Zivilisation - und vertrocknet. Nabil al-Jurani/AP/dpa

Bagdad - Für Abu Mohammed und seine Familie reichte es irgendwann einfach nicht mehr. Am Stadtrand von Bagdad wurde das Wasser knapp, und die Obsthaine, in denen er mit seinen Söhnen sonst Datteln, Äpfel, Aprikosen und Zitrusfrüchte erntete, trockneten aus. „Wir können diesen Beruf nicht mehr ausüben“, sagt der 62-Jährige. Die Familie packte ihre Sachen - und zog weg.

Schätzungsweise 150.000 Menschen sind im Irak durch Dürre und Wasserknappheit vertrieben, vor allem im Zentrum und im Süden, und es dürften mehr werden. Im Irak wie im gesamten Nahen und Mittleren Osten nehmen die Folgen von extremer Hitze, Dürre und dem Mangel an Wasser immer schlimmere Ausmaße an. Die Region kämpft heute so stark mit Wasserknappheit wie keine andere der Welt.

Für unzählige Dorfbewohner wie auch für Großstädter ist ein Alltag mit nur sehr wenig oder zeitweise ganz ohne Wasser längst Realität - von Tunesien bis zum Iran, von der Türkei bis zur Arabischen Halbinsel. Das World Resources Institute, eine Umwelt-Denkfabrik in den USA, hat diese Länder in einer Karte dunkelrot eingefärbt. 13 der 15 Länder, die am wenigsten Wasser haben, liegen dem Institut zufolge in Nah- und Mittelost. Ein Blick in die Länder:

Irak - Die Wiege der Zivilisation trocknet aus

„Die Äcker waren alles für mich, meine Unterhaltsquelle“, sagt Mahdi al-Badri, fünffacher Vater aus der Provinz Babil im Zentrum des Irak. „Ich vermisse sie jeden Tag.“ Weil Flüsse austrocknen und es an Wasser fehlt, um die Felder zu bewässern, muss er den Beruf seines Vaters und Großvaters aufgeben. Die Söhne haben soweit möglich neue Jobs gefunden - auf dem Bau, als Maler, bei der Regierung.

Im Zuge des Klimawandels trocknen im Irak Flüsse aus und das Grundwasser versiegt. Zudem haben Staudämme der Nachbarn Syrien, Türkei und Iran die Wassermengen der Flüsse Euphrat und Tigris deutlich verringert. Die einst sumpfigen, fruchtbaren Gebiete in diesem Zweistromland („Mesopotamien“) gelten als Wiege der Zivilisation. Heute weht dort Wüstensand über vertrocknete Erden. Der Süden, wo es im Streit um Wasser schon zu heftigen Protesten kam, könnte bald ganz unbewohnbar werden.

Bahrain - Kein Leben ohne Entsalzungsanlagen

In dem Inselstaat weiter südlich fallen die Temperaturen in diesen Wochen selbst nachts kaum unter 34 Grad Celsius. Wasser ist hier laut World Resources Institute so knapp wie in keinem anderen Land. Modernes Leben in Bahrain ist heute wie in den anderen Golfstaaten wohl nur möglich, weil sie enorme Summen und Energie in die Entsalzung von Meerwasser investieren. Einige der Golfländer decken so fast 90 Prozent ihres Trinkwasserbedarfs. 

Die Folgen machen sich an den Golfküsten längst bemerkbar, weil die Anlagen in großen Mengen Salzlake ins Meer pumpen. „Die Farbe des Wassers hat sich verändert und der Geruch ist unerträglich geworden. Es wurde gelb“, sagt ein Fischer der Nachrichtenseite Muwatin. „Die Fische, auf die wir für unseren Broterwerb angewiesen waren, sind aus diesen Gewässern geflohen.“ Der Salzgehalt im Persischen Golf könnte unumkehrbar steigen. Trotzdem erlebt die Technologie, für die Saudi-Arabien täglich rund 300.000 Barrel Öl verbraucht, einen regelrechten Boom. Ein Barrel entspricht etwa 159 Litern.

Iran - Schon diesen Oktober könnte das Wasser ausgehen

Der Iran zählt zu den trockensten Ländern der Welt: Niederschläge gehen zurück, Dürren und andere extreme Wetterereignisse nehmen zu. Die Wasserkrise trifft in diesem Sommer auch die Hauptstadt Teheran mit ihren mehr als 15 Millionen Einwohnern besonders hart. Schon im Oktober könnte das Wasser ausgehen. In vielen Teilen Teherans und weiteren Städten wird die Wasserversorgung täglich stundenlang unterbrochen, worunter vor allem ärmere Viertel leiden.

Experten warnen seit Jahren, dass die Landwirtschaft im Iran unter falschen Anreizen leidet: Statt sich an die wasserarmen Gegebenheiten anzupassen, wurden besonders durstige Anbauprodukte wie Weizen oder Reis subventioniert, teils auch in ungeeigneten Regionen. Traditionelle Anbauweisen wurden verdrängt – mit langfristig fatalen Folgen für Böden und Reserven. Tausende Familien haben ländliche Regionen verlassen. Viele ziehen in die Hauptstadt – und treffen dort auf ein ohnehin überlastetes System.

Ägypten - Salzkrusten am Boden, braunes Gemüse

Für das antike Ägypten war der Nil die Lebensader, heute kann selbst dieser majestätische Fluss den Durst des Landes nicht stillen. In diesem Jahr soll das Land die Marke der absoluten Wasserknappheit überschreiten. Das bedeutet, dass jeder Mensch pro Jahr weniger als 500 Kubikmeter Wasser zur Verfügung hat. Und Menschen gibt es in Ägypten, das derzeit 108 Millionen Einwohner zählt, immer mehr. Etwa alle neun Monate kommt eine weitere Million dazu. 

Während das Wasser knapper wird, steigt der Pegel des Mittelmeers. So gelangt Salzwasser durch Bewässerungskanäle, Flussarme und Grundwasserspeicher ins Landesinnere. An Ackerböden bilden sich salzige Krusten - ein Problem, von dem bis zu 40 Prozent der Böden betroffen sind. Gemüse färbt sich gelb und braun, Weizen wächst langsamer oder stirbt ab. Den Anbau von Reis, der besonders viel Wasser erfordert, hat die Regierung in den meisten Teilen des Landes bereits vor Jahren verboten.

Türkei - Ägäis stundenweise ohne Wasser

In der Türkei sind die Sonnenblumenbauern ein Beispiel dafür, wie Extreme die Landwirtschaft beeinflussen. In Videos in sozialen Medien klagen sie verzweifelt über ihre gestressten Blumen unter sengender Hitze. Seit fast vier Monaten habe es in Thrakien, wo etwa 40 Prozent des Sonnenblumenöls entstehen, zu wenig geregnet, sagt Ekrem Saylan, Leiter der örtlichen Landwirtschaftskammer, der dpa. Die Ernten dürften im Vergleich zum Vorjahr um 50 bis 60 Prozent zurückgehen - bei geringerem Ölgehalt und geringerer Qualität. Die Bauern versuchen, sich anzupassen.

Auch die bei Urlaubern beliebte Ägäis ist stark von Trockenheit betroffen. Wegen sinkender Pegelstände an den Staudämmen stellen die Millionenmetropole Izmir oder der Urlaubsort Bodrum das Trinkwasser zurzeit stundenweise ab. Im Juli und August müssen in den Touristenregionen noch deutlich mehr Menschen mit Trinkwasser versorgt werden. Trotz der Appelle, Wasser zu sparen, gibt es wenig konkrete Maßnahmen. Der Juli war in der Türkei laut Wetterdienst der heißeste seit 55 Jahren. Landesweit hat es zudem in dem Monat 39 Prozent weniger geregnet als normalerweise zu der Jahreszeit.