Agrar Agrar: Warum ist die Banane gelb?

HAMBURG/DPA. - «Drei bis fünfWochen schlummern die Bananen im Schiffsbauch» erläutert Stefan Worm.Der 40-Jährige versorgt bundesweit die Märkte der LebensmittelketteEdeka mit Obst und Gemüse. Wenn man dem Leiter des Fruchtkontors Nordzuhört, versteht man: Bananen leben. Und sie haben hohe Ansprüche.
Auf dem Schiff werden die Früchte auf rund zehn Grad gekühlt. DieBananen liegen in einer Art Winterschlaf und überstehen so diewochenlange Reise. «Erst bei 13,2 Grad fangen sie an zu reifen»,erklärt Worm. Er steht in einer langen, kargen Betonhalle imHamburger Freihafen. An einer Wand reihen sich quietschgelbe Tore.Jedes hat ein gläsernes Bullauge und eine schwarze Nummer. 1 bis 52.Und hinter fast jedem Tor stapeln sich Pappkisten.
In der Bananenreiferei riecht es so süßlich wie erwartet. 52Kammern mal 1152 Kartons mal 120 Finger... 7 188 480 Bananenfingerkönnen rein rechnerisch gleichzeitig in der Halle reifen. Zweimal inder Woche kommt ein Bananenschiff im Hafen an. Dann herrscht in derReiferei Gewusel. Gabelstapler und die kleineren «Ameisen» fahrenPaletten voller Kartons in die Kammern. Vorher wird an jeder Kistedie Folie rechts und links eingeschnitten. So bekommen die Bananenwieder Luft.
Luft und Gas. Denn in der Kammer werden sie bei 14 bis 17 Grad miteinem Gemisch aus Stickstoff und vier Prozent Ethylen begast. Wormschüttelt sich: «Begast - das hört sich so furchtbar an!» Ethylen istein Hormon, das Früchte auch selbst produzieren. Legt man eine Bananeneben eine Zitrone, welche besonders viel Ethylen ausströmt, wirddie Banane schneller reif. An den Decken der Kammern brummen großeVentilatoren, die das Gas durch die Kartons wirbeln.
Die Bananen brauchen ungefähr fünf Tage, um von Farbstufe 1(«knatschgrün») auf Farbstufe 4 («gelb mit grünen Spitzen») und dannin die Obstabteilung der Supermärkte zu kommen. Oder auf Wunsch auchlänger. Denn in der Reiferei versucht die Branche, ein zentralesProblem zu lösen: «Kaufen Sie im Hochsommer Bananen? Oder lieber wasFruchtiges - Kirschen, Pfirsiche, Erdbeeren...?», sinniert Worm.«Bananen sind an warmen Tagen nicht die erste Wahl.» Während derEinzelhandel jedoch sein Obst von heute auf morgen bestellen kann,müssen die Importeure Wochen im Voraus planen.
Was also tun, wenn es im April plötzlich tagelang so heiß ist wieim Sommer? Wenn das Verlangen nach Bananen sinkt, wird auch dieTemperatur in den Reifekammern gesenkt. Dann dauert es auch mal zweiTage länger, bis eine Ladung reif ist. Oder sie wird in Klimaräumeneine Weile zwischengeparkt. Das alles geht natürlich nur begrenzt,denn die nächsten Schiffe sind schon unterwegs.
«Das ist wie an der Börse, nur mit lebender Materie», sagt Worm.«Entweder man rennt am zweiten Arbeitstag mit hektischen Fleckendavon, oder man macht den Job ein Leben lang.» Der Fruchtkaufmann ausCuxhaven hat schon zu Beginn seines Berufslebens keinenstressbedingten Ausschlag bekommen. Schon als Jugendlicher half er imSupermarkt der Mutter aus - am liebsten in der Obst- undGemüseabteilung. «Butter kann man nur ins Regal räumen, mit Obst undGemüse kann man spielen», sagt der Mann mit der rosa-grauen Krawatteund den polierten Lederschuhen, den man sich auch als Steuerberatervorstellen könnte.
Fast 1,4 Millionen Tonnen Bananen importierte Deutschland im Jahr2008 laut Statistischem Bundesamt. Kein anderes Obst lassen wir unsin solchen Mengen aus Übersee herbeischippern - meist aus Kolumbienoder Ecuador. Und zu solch ausgetüftelten Konditionen. Zu vielZugluft, zu viel Feuchtigkeit, zu kalt, zu warm, zu rabiat behandelt:Bananen verzeihen ihrem Transporteur keine Unachtsamkeit.
Wie Bananen aussehen sollen, die wir frisch verspeisen, ist ineiner EU-Verordnung penibel geregelt. «Frei von Mißbildungenund anomaler Krümmung der Finger» müssen Obstbananen sein. SolcheFrüchte der Klasse I müssen mit einer Länge von mindestens 14Zentimeter aufwarten können - gemessen über den äußeren Bogen.Flecken auf der Schale dürfen «2 cm² der Fingeroberfläche nichtüberschreiten».
Doch die Musa paradisiaca sapientum ist mehr als nur einehochempfindliche Importware. Die süße Frucht ist auch zum Symbol fürdie Ausbeutung einheimischer Arbeiter geworden, die die schwerenStauden auf ihren Rücken durch die Plantagen schleppen und anChemikalien erkranken, die Bananen gesund halten sollen.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann das lukrativeExportgeschäft mit Bananen. US-Unternehmen wie die United FruitCompany (heute Chiquita) und die Standard Fruit and Steamship Company(heute Dole) bauten in Mittelamerika nicht nur Plantagen, sondernauch Eisenbahnstrecken, Häfen, Post-, Telefon- und Stromnetze auf.Schnell verdrängten sie in den «Bananenrepubliken» lokale Bauern underlangten mehr Macht als die dortigen Regierungen.
Auch heute noch haben die drei Großkonzerne Chiquita, Dole und DelMonte den weltweiten Bananenhandel fest im Griff. Kleinbauern habenes schwer, da Fuß zu fassen. «Sie haben oft keinen direktenMarktzugang», sagt Rudi Pfeifer, Geschäftsführer des Vereins BanaFaire.V., der Bananen von Kleinbauern importiert. «Die Logistik mussstimmen, man braucht viel Technologie, der Kostendruck ist hoch... Esmacht keinen Sinn, nur einen Container nach Deutschland zu schicken.»
Auf konventionellen Plantagen stehen Tausende Pflanzen auf jedemHektar dicht beisammen. Der Anbau in riesigen Monokulturen ist demBananenexport schon einmal fast zum Verhängnis geworden. DiePanamakrankheit - ausgelöst von einem Pilz - raffte Bananenpflanzender Sorte Gros Michel epidemieartig dahin. Inzwischen hat dieIndustrie umgestellt: Was heute in der Supermarktregalen landet, sindfast nur Bananen der in mancher Hinsicht resistenteren SorteCavendish.
Davon isst Fruchtkaufmann Stefan Worm jeden Morgen eine. Aber nurals «Naturfrucht», nicht etwa mit Quark oder Müsli. Es klingt so, alshätte das was mit Respekt zu tun. Nur braun-gelbe «Tigerbananen» -die schmeißt auch er schon mal mit Milch in den Mixer.