ABC des Jahres ABC des Jahres: Von A wie Ansari bis Z wie zerbröselnde Scheine
Hamburg/dpa. -
A wie Ansari: Anousheh Ansari, US-Unternehmeriniranischer Herkunft, flog am 18. September 2006 als ersteWeltraumtouristin ins All. Vor ihr hatten bereits drei Männer diesesAbenteuer gewagt. Für die einwöchige Reise in die Schwerelosigkeitzahlte die 40-Jährige 20 Millionen Dollar (15,6 Millionen Euro). In400 Kilometern Höhe gefiel es der Sternenguckerin so gut, dass sie amliebsten gar nicht zur Erde zurückgekehrt wäre.
B wie Bruno: Ein «Problembär» als Politikum. Der aus Norditalien nachBayern eingewanderte «Bruno» trottete im Sommer ohneAufenthaltsgenehmigung und gar nicht menschenscheu durchalpenländische Ferienorte, plünderte Bienenstöcke und Hühnerställe.So wurde der Exot alsbald zur Gefahr stilisiert und - begleitet vonlautstarkem Protest der Tierschützer - zum Abschuss freigegeben. DieKümpfl-Alm im Rotwand-Gebiet, wo ein anonymer Jäger den Braunbären am26. Juni erlegte, ist seither eine Pilgerstätte für «Bruno»-Fans. Dertote Meister Petz wurde tiefgefroren und an einen geheimen Ortgebracht. Für Bären aller Länder gilt seither: Meidet Bayern!
C wie Carrell: Trauer um einen der größten Unterhaltungskünstler imdeutschen Fernsehen. Rudi Carrell starb am 7. Juli in Bremen im Altervon 71 Jahren an Lungenkrebs. Von der schweren Krankheit gezeichnet,hatte der Showmaster («Am laufenden Band», «7 Tage - 7 Köpfe») imFebruar noch den Deutschen Fernsehpreis für sein Lebenswerk inEmpfang und öffentlich Abschied genommen. Im August kam die Biografie«Ein Leben für die Show» heraus, für die Carrell das Geleitwortschrieb. «Ich werde noch lange in Wiederholungen weiterleben»,prophezeite der Niederländer.
D wie Discovery: Und sie bewegt sich doch: Nach zwei vergeblichenAnläufen hob die amerikanische Raumfähre «Discovery» am 4. Juli inCape Canaveral endlich ab und brachte Thomas Reiter zu seinerLangzeitmission ins All. Zwei Tage später durfte Reiter als ersterdeutscher Astronaut die Internationale Raumstation ISS betreten. Die«Discovery», mit 32 Flügen ins All das Arbeitspferd deramerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, soll Reiter kurz vorWeihnachten auch wieder zur Erde zurückholen.
E wie Emsdetten: Die Stadt in Westfalen wurde aus traurigem Anlassbekannt. Mit einem Waffenarsenal stürmte Sebastian B. am 20. Novemberseine ehemalige Schule, verletzte 37 Menschen und tötete sich selbst.Den Amoklauf hatte der frustrierte 18-Jährige im Internetangekündigt. Viereinhalb Jahre nach dem Schulmassaker in Erfurt mit17 Toten wurden alte Fragen neu gestellt: Warum staut einJugendlicher unbemerkt so viel Hass auf? Wer hätte dem Jungen helfenkönnen? Müssen Killerspiele am Computer verboten werden?
F wie Fußballfieber: Es grassierte zwischen Rostock und Freiburg,zwischen Düsseldorf und Berlin, in Stadien und auf Fanmeilen fünfwunderbare Wochen lang. Die Fußball-WM war ein Fest der Freude unddes Überschwangs in Schwarz-Rot-Gold. Die Deutschen entdeckten denpositiven Patriotismus und zeigten sich der Welt von einer neuenSeite. Es kam einfach alles zusammen: Super-Wetter, Super-Stimmung,Super-Sport. Die «Klinsmänner» wurden Dritter, waren aber für vieledie «Weltmeister in den Herzen».
G wie Gammelfleisch: Ranzig, stickig, muffig, sauer - Berichte überEkelfleisch machten Verbrauchern auch in diesem Jahr den Genussschwerer. Immer wieder tauchte tonnenweise gammelige oder umdatierteWare auf. Bund und Länder debattierten monatelang über dieZuständigkeit bei Lebensmittelkontrollen, bevor sie sich im Septemberauf einheitliche Qualitätsstandards einigten. Auch das umstritteneVerbraucherinformationsgesetz wurde vom Bundesrat unter Dach und Fachgebracht. Ob das die leise Skepsis beim Blick auf denWeihnachtsbraten gemindert hat?
H wie «Hard Rock Hallelujah»: So hieß der Song, mit dem die finnischeHeavy-Metal-Band Lordi im Mai beim 51. Eurovision Contest abräumte.Hinter schaurigen Masken versteckt, trugen die singendenMonsterrocker in Athen überraschend den Sieg davon - es war der ersteErfolg für Finnland in 50 Jahren Grand-Prix-Geschichte. FürDeutschland ging die Country-Band Texas Lightning mit TV-Komiker OlliDittrich an den Start und belegte mit «No No Never» Platz 15.
I wie Idomeneo: Ein Aufreger war die Absetzung der umstrittenenInszenierung der Mozart-Oper «Idomeneo» in Berlin. Sie entfachte einegrundsätzliche Debatte über Kunstfreiheit, Terrorismusbedrohung undIntegrationsprobleme. Opern-Intendantin Kirsten Harms hatte das Stückwegen möglicher islamistischer Bedrohungen vom Spielplan genommen. ImSchlussbild der Inszenierung werden die abgeschlagenen Köpfe vonJesus, Buddha und Mohammed auf die Bühne gebracht. Viel Lärm umnichts? Die Sicherheitsbehörden gaben schon bald Entwarnung,«Idomeneo» kam für Dezember wieder auf den Spielplan.
J wie Jakobsweg: Schmerzvolle Erfahrung, beglückender Erfolg. Auf derSuche nach Gott wanderte Hape Kerkeling 800 Kilometer durchNordspanien zum Grab des Apostels Jakob und schrieb ein Buch darüber.«Ich bin dann mal weg» wurde ein Renner. Wirklich ruhig soll es aufder Pilgerstraße von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago deCompostela seither nicht mehr zugehen. Wandern ist wieder in, dochwarum in die Ferne schweifen? Die Langsamkeit wiederentdecken kannman auch im Allgäu, im Odenwald oder in der Sächsischen Schweiz.
K wie Kampusch: Natascha Kampusch ist die Hauptdarstellerin imspektakulärsten Kriminalfall des Jahres. Das Entführungsopfer tauchtenach mehr als acht Jahren Gefangenschaft am 23. August plötzlichwieder in Strasshof bei Wien auf. Als Zehnjährige war dieÖsterreicherin auf dem Schulweg gekidnappt worden. Sie haustejahrelang in einem fensterlosen Kellerverlies unter der Garage ihresEntführers. Am Tag, an dem der 18-Jährigen die Flucht gelang, brachtesich der Täter um. Mit der erschütternden Geschichte einer geraubtenJugend trat Kampusch nur zwei Wochen später im Fernsehen vor einemfassungslosen Millionenpublikum auf.
L wie Lotto: Ein 41 Jahre alter Krankenpfleger aus Westfalen ist derGlückspilz des Jahres. Der Vater dreier Kinder knackte am 7. Oktoberden größten Jackpot der deutschen Lotto-Geschichte. Bei der Jagd aufdie 37,7 Millionen Euro hatten Glücksjäger 25,4 Millionen Tippscheinegekauft und den Lotto-Gesellschaften damit fabelhafte 148,3 MillionenEuro in die Kassen gespült.
M wie Magermodels: Hervortretende Wangenknochen und Rippenbögen alsProblemzonen. Bei den Schauen in Madrid gab es in diesem Jahrerstmals ein Laufsteg-Verbot für zu dünne Models. Das Schönheitsidealvieler Designer bekam Risse, erst recht als im Oktober dasbrasilianische Fotomodell Ana Carolina Reston mit 21 Jahren an denFolgen von Magersucht starb. Die junge Frau brachte bei 1,74 MeterKörpergröße nur noch 40 Kilo auf die Waage.
N wie Nobelpreise: Die Amerikaner sammelten dieNobelpreise wie Sporttrophäen ein: Die mit jeweils 1,1 Millionen Eurodotierten Auszeichnungen für Medizin, Physik, Chemie undWirtschaftswissenschaft gingen ausnahmslos in die USA. Aber auchVertreter anderer Länder wurden vom Nobelkomitee in Stockholmbedacht: Orhan Pamuk zum Beispiel bekam als erster türkischerSchriftsteller den Literaturnobelpreis für seine Verdienste alsBrückenbauer zwischen den Kulturen.
O wie Oscars: Anspruchsvoll ging es bei der Oscar-Verleihung im Märzin Hollywood zu. «L.A. Crash», ein Episodendrama über Rassenprobleme,wurde als bester Film ausgezeichnet, Reese Witherspoon für ihre Rolleals Ehefrau von Johnny Cash in «Walk the Line» und Philip SeymourHoffman für seine Darstellung des Schriftstellers Truman Capote.Starregisseur Robert Altman erhielt eine goldene Statue für seinLebenswerk («M.A.S.H.», «Short Cuts»), gerade noch rechtzeitig, dennim November starb der Altmeister im Alter von 81 Jahren an Krebs.
P wie Papst: «Benedetto» kam und zog Hunderttausende in seinen Bann.Papst Benedikt XVI. war im September sechs Tage zu Besuch in seinerHeimat Bayern. Joseph Ratzinger predigte die Weitergabe des Glaubens,doch die Hoffnungen auf Reformen in der katholischen Kirche wurdenenttäuscht. Zudem schlug sein islam-kritischer Vortrag an derUniversität Regensburg Wellen, die der Papst noch beim Türkei-Besuchim November glätten musste. Es wurde eine Reise der Versöhnung, aufder er den Dialog der verschiedenen Kulturen und Religionen beschwor.
Q wie Queen: 80 Jahre und kein bisschen müde. Queen Elizabeth II. istdie dienstälteste Monarchin der Welt, doch zum Regieren blieb derKönigin in diesem Jahr nicht so viel Zeit wie sonst. DieFeierlichkeiten zu ihrem 80. Geburtstag am 21. April zogen sich überMonate hin. Im April feierte sie mit der Familie, im Juni mit demVolk. Zu Schluss gab es eine Kinderparty im Buckingham-Palast, zu derdie Monarchin einen Gleichaltrigen begrüßen konnte: Pu, der Bär, istauch schon 80 - zwar nicht adlig, aber vielen Kindern heilig.
R wie Rotenburg: Lebenslang für den so genannten Kannibalen vonRotenburg. Das Frankfurter Landgericht verhängte am 9. Mai ein hartesUrteil gegen Armin Meiwes. Der Mann aus dem osthessischen Rotenburghatte einen 43-Jährigen mit dessen Einverständnis entmannt, ihn danngetötet und Teile gegessen. In Anlehnung an den Prozess entstand inHollywood der Horrorstreifen «Rohtenburg», doch in Deutschland wurdeder Film verboten. Nach Ansicht des Frankfurter Oberlandesgerichtswogen Meiwes' Persönlichkeitsrechte schwerer als die Kunst- undFilmfreiheit.
S wie Sommerwetter: Der Sommer zeigte den Deutschen zwei Gesichter.Nach dem wärmsten Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen folgteein zu kalter August. Was es im Juli zu wenig regnete - 60 Prozentdes langjährigen Mittels -, kam im August zu viel vom Himmel. DenHitzerekord stellte am 20. Juli mit 38,9 Grad Celsius Bernburg inSachsen-Anhalt auf. Extrem war auch die Sonnenscheindauer in diesenbeiden Monaten: Während die Sonne im Juli mit 336 Stunden alleRekorde brach, ließ sie sich im August im Bundesdurchschnitt nur 131Stunden blicken - und damit so selten wie seit 1951 nicht mehr.
T wie Transrapid: Die Katastrophe passierte bei Tempo 160. Als am 22.September eine Magnetschwebebahn auf der Transrapid-Teststrecke imEmsland auf einen Werkstattwagen raste, starben 23 Menschen, 10weitere wurden verletzt. Mitte November stellten die Hinterbliebenender Opfer Strafanzeigen gegen die Manager der Betreibergesellschaftwegen fahrlässiger Tötung. Die Frage nach der Verantwortung für dasUnglück soll ein Sachverständigen-Gutachten klären helfen.
U wie U-Bahn: In den Verkehrsadern unter der Erde passieren nicht oftUnfälle, aber wenn, dann gibt es häufig Tote. Im Jahr 2006 sorgtengleich zwei große U-Bahn-Unglücke in Europa für Entsetzen: Am 3. Julistarben im spanischen Valencia 43 Menschen. Zwei Waggons waren ausden Schienen gesprungen, als ein Zug zu schnell durch eineTunnelkurve fuhr. Am 17. Oktober kollidierten in Rom zwei U-Bahnen.Eine Frau starb, 236 Menschen wurden verletzt.
V wie Vogelgrippe: Ängste vor einer weltweiten Grippewelle durch neueErreger, die von Vögeln auf Menschen überspringen könnten, machtendie Runde. In der Türkei starb Anfang des Jahres ein 14-Jähriger -das erste Vogelgrippe-Todesopfer außerhalb Südostasiens. Im Februarwurde das auch für Menschen gefährliche H5N1-Virus bei toten Vögelnauf der Insel Rügen nachgewiesen. Anfang April brach die Seuche ineinem Geflügelbetrieb in Sachsen erstmals in Deutschland beiNutzgeflügel aus. Im Sommer wurde es ruhiger um das Thema.
W wie Wally: Das Schicksal des bedauernswerten Entenwals verfolgtenMillionen im Fernsehen. Der mehr als fünf Meter lange und etwa vierTonnen schwere Meeressäuger hatte sich im Januar aus der Nordsee indie Themse verirrt. Er starb in London bei einer Rettungsaktion aufeiner Barkasse, die ihn aufs offene Meer bringen sollte.
X wie X-trem: Extrem jung war eine Hamburgerin Anfang März bei derGeburt ihres Sohnes. Die zwölfjährige Patricia kam mit starkenBauchschmerzen ins Krankenhaus und mit einem Baby im Arm wiederheraus. Weil Sex mit unter 14-Jährigen unter Strafe steht, wurdegegen den 17 Jahre alten Vater des Babys ermittelt. Nach einer Studieder Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen Großbritannien undRussland bei Teenager-Schwangerschaften an erster Stelle. InDeutschland kommen auf 1000 Frauen zwischen 14 und 19 Jahren 16Schwangere.
Y wie Yubari: Viel Geld für edle Früchte. 800 000 Yen, umgerechnet5600 Euro, haben zwei Yubari-Melonen in Japan bei einer Versteigerungerzielt. Die Delikatessen wurden im Mai in der Stadt Yubari auf dernördlichen Hauptinsel Hokkaido veräußert. Nur 154 von 230ausgewählten Landwirten auf Hokkaido dürfen diese Melonensorte unterschwierigsten Bedingungen im harten Winter züchten. Die Fruchtbraucht 105 Tage Pflege bis zur Ernte.
Z wie zerbröselnde Geldscheine: Schon vor der Mehrwertsteuererhöhung2007 zerrann vielen das Geld zwischen den Fingern. Mehr als 2000 mitSchwefelsäure verschmutzte Euro-Noten zerfielen ihren Besitzern inden Händen. Die Polizei stand vor einem Rätsel, den entsetztenBesitzern jedoch konnte größtenteils geholfen werden. Wer mehr alsdie Hälfte einer beschädigten Geldnote retten konnte, durfte dasScheinchen bei der Bank umtauschen.