8. Juli 8. Juli: «Henkel hat uns so viel Hoffnung gegeben»

Genthin/dpa. - «Henkel hat den Menschen hier so vielHoffnung gegeben, ich kann es einfach nicht fassen», sagt er undnippt an «Tommis Marktimbiss» an seinem Pott schwarzen Kaffee. Die überraschend angekündigte Schließung des traditionsreichen Werks mit 240 Beschäftigten ist an diesem Dienstag in der beschaulichen 14 000-Einwohner-Stadt im östlichen Sachsen-Anhalt das Thema Nummer eins.
Die Botschaft aus dem fernen Düsseldorf trifft eine ganze Regionund hat viele Menschen in eine Art Schockzustand versetzt. Denn dieFabrik, in der schon in den 20er Jahren Persil hergestellt wurde unddie zu DDR-Zeiten 1700 Menschen beschäftigte, ist der letzte großeIndustriebetrieb in Genthin. Und nicht nur das: «Das ist doch nichtirgendein Unternehmen», sagt Gastwirt Bernd Dickner vom «Kleeblatt»in der adretten Fußgängerzone. «Henkel, das ist das Herz der Stadt.Wenn das nicht mehr schlägt, geht es hier endgültig bergab. Es isteine Sauerei.»
Auch andere nehmen die Nachricht mit einer Mischung ausFrustration und Resignation zur Kenntnis. «Die Herren in Düsseldorfsollten sich mal Gedanken machen über ihre Verantwortung für unsereRegion», sagt ein Mitfünfziger im Schatten der Genthiner «Persil-Uhr»auf dem Marktplatz, einem Geschenk von Henkel. «Hier ist doch sonstnichts mehr. Bald haben wir hier nur noch Arbeitslose und Rentner.»
Helga Borstel von der «Kleinen Kunststube» verweist auf die Folgender Werksschließung für Gewerbetreibende: «Die Menschen drehen jetztschon jeden Euro dreimal um. Nun wird die Kaufkraft noch mehrsinken.» Und Verkäuferin Beatrix Redanz im Lotto-Geschäft sagt: «Diehaben doch hier für Millionen und Abermillionen alles neu gemacht,und jetzt machen sie das Werk einfach dicht. Ich verstehe das nicht.»
Bürgermeister Wolfgang Bernicke (parteilos) rechnet nach der für2009 angekündigten Betriebsschließung nicht nur mit dem Verlust vonbis zu 240 Arbeitsplätzen der Waschmittelwerker. «Auch Jobs bei denZulieferern sind gefährdet», sagt er. Bis zu 500 Stellen könnten sowegfallen. 13,3 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit in der Region,sie liegt damit sogar leicht unter dem Landesdurchschnitt. Dennochgingen in der einstigen Kreisstadt seit der Wende schon vieleArbeitsplätze verloren: Im Waschmittelwerk wurde abgebaut,Hanfspinnerei und Zuckerfabrik schlossen, wichtige Behörden wandertenim Zuge von Verwaltungsreformen ab.
Gedrückte Stimmung auch in der Kantine der Henkel-Fabrik: Mitbetretenen Mienen schlürfen sie in der Mittagspause ihre Suppe oderessen ihr Schnitzel. «Nein, nennen Sie bloß nicht meinen Namen»,brummt einer zu den Journalisten, die an diesem Tag mehr erfahrenwollen über die Befindlichkeit der Henkel-Beschäftigten. «Wie sollich mich schon fühlen. Es ist alles aus.»