7. April 7. April: 16 000 Telekom-Kleinaktionäre fordern Schadenersatz

Frankfurt/Main/dpa. - Statt fauler Eierund kräftiger Buh-Rufe gab es im nüchternen Bürgerhaus Bornheim, in das der Prozess vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Platzmangels verlagert worden war, nur juristische Kunst auf höchstem Niveau. Es geht um rund 80 Millionen Euro, die mehr als 16 000 Kleinaktionäre von der Telekom als Schadenersatz für angeblich falsche Angaben im Börsenprospekt aus dem Jahr 2000 verlangen.
«Ich habe gleich im ersten Jahr zwei Drittel meines Geldesverloren. Danach wurde es von Jahr zu Jahr weniger.» Es geht um Leutewie Christa Grehler-Steier, die sich als einzige klagende Aktionärinauf den Weg ins winterliche Frankfurt gemacht hatte. Sie habe auf dieVolksaktie des «sehr guten Unternehmens Telekom» vertraut, auch wennsie mit Werbe-Ikone Manfred Krug wenig am Hut habe, sagte die 66Jahre alte Rentnerin aus dem südhessischen Seeheim-Jugenheim in alleTV-Kameras und Mikrofone. Ihre rund 3500 Euro aus einer kleinenAbfindung sind inzwischen auf ein Sechstel geschmolzen. «Ich könntedas Geld jetzt schon gut gebrauchen.»
Hauptstreitpunkte in dem bislang beispiellosen Prozess sind derverlustreiche Erwerb des US-Mobilfunkers VoiceStream bald nach demBörsengang sowie die Bewertung der Telekom-Immobilien. Doch zunächsthielten sich die Juristenscharen an Verfahrensfragen fest. Da dasempörte Publikum fehlte, ließ die Wiesbadener Kanzlei Doerr undPartner einen kleinen Teil ihres im Auftrag von 6500 Mandantenangehäuften Aktenbergs in den Saal fahren. Der Kollege Andreas Tilpaus Tübingen kündigte einen Antrag an, mit dem weitere 1,2 MillionenSeiten in das ohnehin schon monströs anmutende Verfahren eingeführtwerden sollen.
In den USA nämlich hat sich die Deutsche Telekom bereits mitdortigen Aktionären auf einen Vergleich geeinigt. 120 MillionenDollar hat die Telekom dort gezahlt, weil derartige Prozesse in denUSA für die Unternehmen kaum kalkulierbar seien, erklärte Telekom-Anwalt Bernd-Wilhelm Schmitz. Die in den USA verantwortlichen Laien-Jurys sprechen den Klägern häufig hohe Summen zu - vielleicht weilsie selbst ihre Altersversorgung auf Aktien stützen. Das im Vergleichgeflossene Geld will sich die Telekom übrigens bei der bundeseigenenKfW-Bank wiederholen, deren Aktien sie im Jahr 2000 unter die Leutegebracht hatte und der auch der Gewinn zugeflossen ist. DasLandgericht Bonn hat dem im Grunde bereits zugestimmt.
In Deutschland zeigt sich der Bonner Konzern hartleibiger undverweigert die Zahlung der von den Klägern verlangten 80 MillionenEuro. Anwalt Schmitz verweist auf die Interessen der übrigen runddrei Millionen Eigentümer. «Die Unterlagen waren in Ordnung»,erklärte Telekom-Sprecher Andreas Leigers zudem noch einmal am Randedes Prozesses zur Begründung. Am kommenden Montag soll der gefeuerteTelekom-Chef Ron Sommer als Zeuge seine Handlungen von vor achtJahren rechtfertigen.
Eigens geschaffene juristische Grundlage des Prozesses ist das imNovember 2005 in Kraft getretene Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz(KapMuG), das die Klagen der Anleger zusammenführen soll. Der Falldes ausgewählten Musterklägers aus Baden-Württemberg spielt bei derEntscheidungsfindung aber nur eine untergeordnete Rolle. Im Kern hatdie Vorinstanz, das Landgericht Frankfurt in Person desHandelsrichters Meinrad Wösthoff, alle vermeintlich wichtigen Fragenaus der Klageflut destilliert und in mehr als 180 Einzelpunkten demOLG zur Beantwortung vorgelegt. An die Herkules-Aufgabe derBeantwortung hat sich der 23. Zivilsenat unter dem Vorsitz vonChristian Dittrich am Montag umgehend gemacht. Der Richter wird imJahr 2010 pensioniert. Ob er das Ende des Prozesses im Amt erlebt,ist allerdings völlig unklar.