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14. Juli 14. Juli: Leopoldina - Die Republik der Gelehrten

Von Katrin Löwe und Alexander Schierholz 14.07.2008, 19:28
In der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle (Saale) steht die Generalsekretärin der Leopoldina Jutta Schnitzer-Ungefug neben einem Ölgemälde des Begründers und ersten Präsidenten der Leopoldina, Johann Laurentius Bausch (Präsident von 1652 bis 1665). (Foto: dpa)
In der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle (Saale) steht die Generalsekretärin der Leopoldina Jutta Schnitzer-Ungefug neben einem Ölgemälde des Begründers und ersten Präsidenten der Leopoldina, Johann Laurentius Bausch (Präsident von 1652 bis 1665). (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Halle/MZ. - Die Videokamera hat Siegfried Lehnert wie selbstverständlich griffbereit. Im ungünstigsten Fall, um das Universitätsgelände aufzunehmen - "das ist immer filmenswert", sagt der 70-Jährige. An diesem Vormittag ist es aber ein ganz besonderes Ereignis, das er und seine Lebensgefährtin Hannelore Koch (67) auf Film bannen wollen: Im Audimax der Martin-Luther-Universität wird der Leopoldina-Festakt aus dem halleschen Kongress- und Kulturzentrum übertragen.

Dort verfolgen 600 geladene Gäste aus Wissenschaft, Forschung, Politik, Wirtschaft und Kultur live, wie Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) Akademie-Präsident Volker ter Meulen die Gründungsurkunde überreicht. Den rund 150 Besuchern im Audimax bleibt dagegen nur der Blick auf die Großbildleinwand.

Egal. "Das ist ein ganz besonderer Höhepunkt. Es ist toll zu hören, welche Vorhaben die Leopoldina jetzt hat", sagt Siegfried Lehnert. Die Verbindung des Hallensers zur Wissenschaft liegt schon eine Weile zurück - er studierte einst am pädagogischen Institut, das heute zur Universität gehört, bildete sich nach der Wende im Informatik-Bereich weiter. Sein engster Bezug zur Leopoldina ist auch eher historischer Natur. "Ich habe Professor Mothes noch persönlich gekannt", erzählt er.

Kurt Mothes - den Mann, der von 1954 bis 1974 Präsident der Leopoldina war und in einer hitzigen Debatte gegenüber SED-Generalsekretär Walter Ulbricht offensiv die "Freiheit der Wissenschaft" verteidigte. Der "Operative Vorgang Komet", mit dem die DDR Leopoldina-Mitgliedern anschließend Hochverrat nachweisen wollte, scheiterte. "Mothes ist es gelungen, das politische Geschehen aus der Wissenschaft rauszuhalten", sagt Lehnert voller Respekt.

Die Rolle der Leopoldina zu DDR-Zeiten ist auch in den Reden auf dem Festakt großes Thema. "Die Leopoldina ist immer gesamtdeutsch geblieben", würdigt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). So sei der Präsident während der deutschen Teilung stets aus dem Osten, der erste Vizepräsident aber aus dem Westen gekommen.

Bundespräsident Horst Köhler nennt die Leopoldina eine "Gelehrtenrepublik" - und zollt ihr Respekt für die Beharrlichkeit, mit der sie ihre Unabhängigkeit gewahrt habe. Köhler ist es auch, der an dieser Stelle einen Gast besonders begrüßt: Das Staatsoberhaupt erinnert an die Spende der Krupp-Stiftung, mit deren Hilfe in den 80er Jahren die Leopoldina-Gebäude vor dem Verfall gerettet wurden. Und freut sich, dass im Publikum Berthold Beitz sitzt. Der 94-Jährige, lange Jahre Krupp-Manager, ist Vorsitzender des Stiftungskuratoriums.

Gut 20 Jahre nach der Spende aus dem Westen ist die altehrwürdige Leopoldina, 1652 in Schweinfurt gegründet, nun also Nationalakademie. Sie soll die Politik beraten und die deutsche Wissenschaft international vertreten. Sie werde, sagt ihr Präsident, das unabhängig vom Zeitgeist tun und "politische Diskussionen und gesellschaftliche Diskurse kritisch begleiten".

Eine Ankündigung, die auch im Audimax der Universität mit Spannung aufgenommen wird. Das Geschehen verfolgen dort auf der Großbildleinwand viele ältere Hallenser, aber auch junge Forscher wie Biochemie-Doktorand René Thieme (24). "Als Wissenschaftler fühlt man sich der Akademie schon verbunden", sagt er. Nicht so zufrieden sind Sophie Lepack (20) und Stephanie Engel (19). Ihr Wunsch hat sich nicht erfüllt: "Eigentlich sind wir hier, um Horst Köhler mal live auf dem Uniplatz zu sehen", erzählen die beiden Jura-Studentinnen. Doch Köhler ist nach dem Eintrag ins Gästebuch der Leopoldina im Kongress- und Kulturzentrum schon auf dem Weg zum nächsten Termin.