11. September 11. September: Was von den Terroranschlägen übrig bleibt

Hamburg/dpa. - Mehr als die Hälfte der Bundesbürger (53 Prozent) hat «sehr großeoder große» Angst vor einem neuen Weltkrieg, ergibt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des «Stern» noch im Herbst; drei von vier Menschenbefürchten auch hier zu Lande Terroranschläge. Kaum ein Lebensbereichscheint verschont zu sein vom Stakkato der Veränderungen: Plötzlichbrauchen Flugzeuge «Sky-Marshalls», Ausweise Fingerabdrücke, undAtomkraftwerke sind auch nicht wirklich sicher. Heißt es zumindest inden Polit-Talk-Shows.
Es ist die Zeit der neuen Fragen: Wie sicher sind unsere Städte?Was hat es auf sich mit dem Islam, mit Koran und Heiligem Krieg, mitBurka und Ramadan? Auf der Frankfurter Buchmesse werden die Motiveder Attentäter von New York und Washington heftig diskutiert - unddie Haltung der westlichen Intellektuellen, denen mal zu wenig, malzu viel Solidarität mit Amerika vorgeworfen wird. War die US-Flaggefrüher in breiten Schichten entweder verpönt oder schlichtuninteressant, so trägt im Jahr 2001 nicht nur Madonna Stars &Stripes. «Wir fühlen mit euch», soll die Botschaft lauten.
Was nicht westlich ist, erscheint manchem verdächtig. Die Polizeierhält Tausende Anrufe, die ausländische Nachbarn denunzieren. Nichtnur in einem eigentlich verschlafenen, aber mittlerweile sogar beiCNN bekannten Hamburger Stadtteil macht sich Angst vor «Schläfern»breit. Mohammed Atta und die «Krieger aus Pearl Harburg» («DerSpiegel») haben Misstrauen und Hysterie in eigentlich friedlicheSiedlungen und Häuser gebracht.
Unternehmen, Parteien-Strategen und die Öffentlichkeit suchendringend Antworten. Wenn morgen schon alles vorbei sein kann, waszählt heute noch? Binnen weniger Wochen häufen sich die Magazin-Titel, Trend-Prognosen und Studien wie die des Zukunftsinstituts vonMatthias Horx: Ehrlicher Genuss statt prahlerischer Luxus sei imKommen, heißt es, Bescheidenheit statt Konsum, Häuslichkeit stattReiselust.
«Man kann nicht in so kurzer Zeit einen Wandel der Gesellschaftdiagnostizieren», sagt dagegen Jörg Ueltzhöffer, Mitbegründer desMannheimer Sozialwissenschaftliches Institut für GegenwartsfragenSIGMA. Seit Jahren spürt auch Ueltzhöffers Institut mitRepräsentativumfragen der Entwicklung bei Konsumenten, Mediennutzernund Parteigängern nach. Der 11. September, sagt er, beschleunigeden gesellschaftlichen Wandel in Deutschland nicht wesentlich -anders als vielleicht in den USA.
Wo aber ist dann langfristig wirklich Bewegung in derBundesrepublik? Traditionelle und konventionelle Milieus machen nachden SIGMA-Forschungen ziemlich konstant eine Mehrheit von knapp zweiFünfteln der Gesellschaft aus. Veränderung entsteht dagegen inneueren Gruppen. Ueltzhöffer: «Vor allem der Moderne Mainstream unddas Postmoderne Milieu wachsen.» Hier zählt ein individuell immerwieder neu zu bestimmender Mix aus Lebensfreude, Berufserfolg,Freundschaften und einer möglichst frei von überkommener Ästhetikzusammengestellten Kleidung und Einrichtung. Solche Ideale prägenbereits das Leben bei rund einem Fünftel der Menschen in Deutschland.
