Cihan Yasarlar Cihan Yasarlar: Mit diesem E-Sport-Star will RB Leipzig seine Fanbasis vergößern

Leipzig - Er ist ein Star von RB Leipzig, den kaum ein Fan kennt. In kurzer Hose, T-Shirt und Basecap läuft Cihan Yasarlar durch die Gänge des modernen Trainingszentrums des Fußballclubs. Sein Bart ist fein getrimmt, die schwarzen Haare glänzen. Man könnte meinen, er geht gleich mit der Mannschaft zum Trainingslauf. Doch der 25-Jährige dribbelt nur mäßig mit dem Ball und schießt auch keine Tore, sondern daddelt mit einem Controller Computerspiele. Das kann er jedoch hervorragend. Yasarlar, der sich als Spieler nur Cihan nennt, ist Leipzigs erster E-Sportler für die Fußballsimulation Fifa.
Cihan war der erste Transfer eines E-Sportlers zwischen zwei Bundesliga-Clubs
Wie im Fußball-Geschäft geht der Bundesligist auch in der digitalen Welt auf Einkaufstour, um möglichst schnell die Spitze zu erreichen. Im Sommer 2017 stellten die Leipziger ihren Neuzugang, der vom FC Schalke 04 kam, vor. Es war der erste Transfer eines E-Sportlers zwischen zwei Bundesliga-Clubs. RB Leipzig machte unmissverständlich deutlich, wie wichtig dem Verein das Thema ist.
Cihan kommt aus dem Berliner Stadtteil Neukölln. Fußball ist seine Leidenschaft. Als Jugendlicher gab es für ihn nach der Schule zwei Dinge: Entweder selbst auf dem Fußballplatz stehen oder zu Hause das Spiel auf der Konsole „Playstation“ zocken. „Es zeigte sich, dass ich das besser konnte als viele meiner Freunde“, sagt er heute. Also fing er an, auch online zu spielen und an Turnieren teilzunehmen. Er gewann und machte so auf sich aufmerksam. Wenn Cihan vom eigenen Spiel erzählt, dann hört er sich ein wenig an wie RB-Coach Ralph Hasenhüttl. Es ist die Rede „vom Pressing, um den Gegner unter Druck zu setzen“, möglichst „das eigene Spiel durchzusetzen“ und schnell mal das Spielsystem von einer „Dreierkette in der Abwehr auf eine Vierer umzubauen“.
Zehn Fragen - zehn Antworten: Cihan Yasarlar im Gespräch
Das Turnierspiel am Computer, meist eSports genannt, ist keine Sache von Nerds mehr. Knapp jeder zehnte Spieler in Deutschland hat laut einer Umfrage inzwischen selbst an eSports-Turnieren und -Ligen teilgenommen. Das entspricht mehr als vier Millionen Menschen, teilte der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) am Dienstag mit. „eSports ist längst ein Breitensport“, sagt BIU-Geschäftsführer Felix Falk. „Doch im Gegensatz zu Tischfußball oder Schach wird eSports in Deutschland nicht als gemeinnützig anerkannt.“ Genau das fordert Falk, um „Strukturen aufzubauen“ und „gesellschaftliche Arbeit“ über das Spiel hinaus zu leisten.
Der Begriff E-Sport steht für elektronischer Sport und bezeichnet den Wettkampf zwischen Menschen mit Hilfe von Computerspielen. Das Fußballspiel Fifa ist eines der bekanntesten. Noch populärer sind Strategie- und Shooter-Spiele wie Counter-Strike, Global Offensive, Dota 2, League of Legends und StarCraft II.
Festival Dreamhack: Am Freitag startet wieder die eSports-Messe Dreamhack Leipzig. Sie wächst in allen Bereichen. Zur dritten Auflage vom 26. bis 28. Januar gebe es mehr Turniere, mehr Aussteller und auch mehr Spieler auf der LAN-Party, teilte die Leipziger Messe mit. Für die LAN-Arena, in der Spieler Plätze buchen können, sei zwei Wochen vor der Veranstaltung ein Anmelde-Stopp erlassen worden. Die Zahl der Plätze sei von anfänglich 1.000 auf jetzt 1.732 erhöht worden. Bei den sechs großen eSports-Turnieren - darunter Rocket League und StarCraft II - würden Preisgelder von einer Viertelmillion US-Dollar ausgespielt.
Im vergangenen Jahr waren mehr als 15.000 Besucher auf die Schau gekommen. Sie konnten auch mittels 3-D-Brille in virtuelle Welten eintauchen. Viele Experten glauben, dass 3-D-Animationen die nächste Stufe der Computerspiele sein werden. (mz)
Die großen deutschen Fußballvereine geben ihre bisherige Zurückhaltung bei dem Thema nach und nach auf. Schalke und Wolfsburg waren die Vorreiter mit eigenen Spielern, in diesem Jahr zogen Stuttgart, Leverkusen und Leipzig nach. „In diesem Bereich steckt sehr viel Potenzial, um die reale mit der virtuellen Fußballwelt zu verknüpfen und für uns als Verein zu gewinnen“, teilt RB Leipzig mit. Und weiter: „Es soll vor allem die Zielgruppe zwischen 14 und 34 angesprochen werden, die primär über die sozialen Kanäle erreicht wird.“ Kurz: Der Bundesliga-Verein will über eSports vor allem seine Fanbasis vergrößern.
Cihan hat 2017 die Fifa-Europameisterschaft in Paris gewonnen
Wenn Cihan, der im vergangenen Jahr die Fifa-Europameisterschaft in Paris gewann, nun bei Turnieren aufläuft, dann tut er das im RB-Trikot und spielt mit dem Leipziger Team. Der Verein macht keine Angaben dazu, was er sich das kosten lässt. In einem Beitrag der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es, Cihan verdiene einen „niedrigen sechsstelligen“ Betrag im Jahr. Das dürfte jedoch stark davon abhängig sein, wie erfolgreich er ist. Vor allem bei Turniersiegen winken hohe Preisgelder von einigen zehntausend Euro. Für RB dürfte vor allem seine Präsenz im Internet wichtig sein. Mehr als 100 000 Klicks erreichen seine Youtube-Videos, auf denen sich die Zuschauer seine Spiele oder Tricks anschauen. Den Spiele-TV-Sender Twitch verfolgen sogar Millionen.
„Dahinter steckt jedoch auch sehr viel Arbeit“, sagt der Profi-Zocker. Vier bis acht Stunden täglich trainiert er aktuell, um sein Niveau zu verbessern. Dabei geht es vor allem darum, die Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern und Spielzüge einzuüben. „Mit nur wenigen Ballberührungen die gegnerische Mannschaft zu überspielen, übe ich nicht auf dem Platz, sondern auf der Couch“, sagt er lächelnd. Zur Abwechslung zockt Cihan auch gegen die RB-Fußball-Profis. „Diego Demme kann das schon ganz gut. Vor allem in der Abwehr steht er gut“, sagt der E-Sportler. Kevin Kampl müsse da noch mehr üben.
Es gibt keine alten Profis beim Fifa-Spiel
Wie für die Fußball-Stars gibt es inzwischen auch für E-Sportler Beraterfirmen, Cihan lässt sich von der Berliner Agentur eSports-Reputation vermarkten. Im Beirat der Firma sitzt auch Robin Dutt. Der ehemalige Trainer von Bayer Leverkusen und Ex-DFB-Sportdirektor wirbt für die digitale Spielewelt: Die reale Fußballwelt müsse eSports nutzen, damit junge Leute auch künftig ins Stadion gehen. Nach seiner Ansicht „verpennen“ viele deutsche Vereine aber die Entwicklung - in Frankreich und England sei man da viel weiter. Dutt schwebt vor, dass alle Bundesligisten auch digital gegeneinander antreten.
Doch handelt es sich eigentlich um eine richtige Sportart? Der Sportwissenschaftler Ingo Froböse forscht an dem Thema. Der Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln sagt, es gebe viele Gründe, die Frage mit Ja zu beantworten. So gebe es viele körperliche Reaktionen wie im klassischen Sport. So wurden bei Turnieren unter anderem eine erhöhte Herzfrequenz und hormonelle Veränderungen gemessen. Für diese Erkenntnis braucht Cihan keine Messgeräte: „Klar, die Turniere sind für mich Stress.“ Er achte daher vor den Spielen genau auf seine Ernährung, um „nicht zu ermüden“. Der E-Sportler weist noch auf einen anderen, bemerkenswerten Fakt hin: „Es gibt kaum Profis beim Fifa-Spiel, die älter als 35 Jahre sind.“ Das hänge wahrscheinlich damit zusammen, dass dann die Reaktionsgeschwindigkeit abnehme.
Cihan will nach seiner Zeit als Profi-Gamer vielleicht Trainer werden
Cihans Zeit als Profi-Gamer ist - ganz wie bei den Profi-Fußballern - begrenzt. „Natürlich will ich noch viele Titel gewinnen“, sagt er. Am Donnerstag flog er nach Barcelona, wo ein Vorausscheid für die kommende Weltmeisterschaft stattfindet. Wieder in seinen alten Beruf als Bürokaufmann zu gehen, kann er sich nicht vorstellen. „Vielleicht werde ich irgendwann ja auch Trainer.“ Diese gibt es aktuell im eSports nur vereinzelt. Doch fast alle E-Sportler sind sich einig, dass sich dies bald ändert. (mz)