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Gamestop in Sachsen-AnhaltVideospielhändler schließt Filialen – wie konnte es so weit kommen?

Immer mehr Filialen des Videospielhändlers Gamestop schließen. Auch in Sachsen-Anhalt stehen Läden vor dem Aus. Über den Absturz eines Riesen.

Von Lisa Garn 04.02.2023, 10:00
Die letzten Tage von Gamestop im Zentrum von Halle: Bis Anfang März läuft der Ausverkauf. Foto: Lisa Garn

HALLE/MZ - An den Schaufenstern kleben große Schilder des Ausverkaufs: „Alles reduziert“, „Wir schließen diese Filiale“. Auch das Mobiliar steht zum Verkauf. Hier in der Filiale von Gamestop in Halles Innenstadt sind die letzten Tage gezählt: Anfang März ist Schluss. „Fast hätten wir unser Sechsjähriges feiern können“, sagt ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Nach Absprache mit dem Unternehmen dürfe er nur sagen, was er auch Kunden erklärt.

„Es ist schade, dass es hier nicht weitergeht. Wir hatten auch einen Kultcharakter. Aber der Markt hat sich verändert, das Konzept passt nicht mehr.“

Die US-Handelskette Gamestop mit dem Kerngeschäft Videospiele ist deutschlandweit auf dem Rückzug. In Sachsen-Anhalt betrifft es Standorte in Einkaufszentren wie Leuna (Saalekreis) und Dessau. In Halle bleibt von zwei Filialen diejenige in Neustadt. Es ist der Niedergang der wohl bekanntesten Videospiel-Kette: Gamestop war in fast jeder größeren Stadt vertreten. Die Läden waren fester Bestandteil vieler Fußgängerzonen und Einkaufszentren. Laut Fachportal „Games Wirtschaft“ sollen mindestens 80 von 170 Standorten geschlossen werden. Aus der Schweiz und Österreich hat sich das Unternehmen vollständig zurück gezogen. Welche Zukunft das Deutschlandgeschäft hat, lässt der Konzern auf MZ-Anfrage unbeantwortet. „Aktuell äußert sich Gamestop nicht zu dem Thema“, heißt es bei der deutschen Tochtergesellschaft.

Gamestop: Ein Angeschlagener Konzern

Gamestop, in den 80er Jahren in den USA gegründet, ist nach eigenen Angaben die weltweit größte Einzelhandelskette für Computerspiele. Verkauft werden Spiele auf Datenträgern, Konsolen sowie gebrauchte Spiele, zudem Fanartikel. Doch die Digitalisierung hat den Konzern angeschlagen. Das Geschäft verlagert sich ins Internet: Die Spiele werden online heruntergeladen statt auf physischen Datenträgern gekauft. Das bestätigt der Mitarbeiter in der halleschen Filiale: „Gaming boomt mehr denn je, gerade durch die Pandemie. Aber die Konkurrenz durch Downloadanbieter oder auch Streamingdienste wächst. Viele Hersteller stellen die Datenträgerproduktion ein.“

Einer der Gründe für den Trend zu Download-Spielen: Es ist komfortabel, es gibt eine riesige Auswahl und viele Download-Plattformen bieten Rabatte an.

Felix Falk, Verband der deutschen Games-Branche

Der Computer- und Videospielemarkt wächst laut Verband der deutschen Games-Branche rasant. Der Umsatz mit Spielen und Hardware stieg 2021 um 17 Prozent auf rund 9,8 Milliarden Euro. Der Download-Anteil bei Spielekäufen liegt bei rund 60 Prozent. „Einer der Gründe für den Trend: Es ist komfortabel, es gibt eine riesige Auswahl und viele Download-Plattformen bieten Rabatte an“, sagt Geschäftsführer Felix Falk. Zu Gamestop will er sich nicht äußern. Nur so viel: Der stationäre Handel werde weiter eine wichtige Rolle spielen, allerdings wandelten sich die Konzepte.

Auf die Veränderungen am Markt hat Gamestop lange nicht reagiert. Bereits 2018 schrieb das Unternehmen rote Zahlen. Auch durch eine verfehlte Politik bei der Übernahme neuer Firmen machte der Konzern Millionenverluste. Wenig später mussten weltweit 200 Filialen schließen. Pandemie und die Lockdowns haben dann die Krise verschärft. Doch 2021 ging der Aktienkurs von Gamestop plötzlich durch die Decke: Kleinanleger hatten sich über das Internetforum Reddit abgesprochen und massenhaft Aktien des strauchelnden Konzerns gekauft. Auch Tesla-Chef Elon Musk twitterte zu dem Videospielhändler. Der Aktienwert schnellte in die Höhe, große Hedgefonds, die auf fallende Kurse gewettet hatten, verloren Milliarden. Das Phänomen des künstlich aufgeblähten Wertes einer Handelskette machte weltweit Schlagzeilen.

Der Kahlschlag des Spielehändlers jetzt ist auch ein Symptom für die Probleme des stationären Handels insgesamt. Die Konkurrenz im Online-Handel ist groß. Corona, Energiekrise und Inflation tragen zu einem konsumfeindlichen Klima bei, hatte zuletzt der Handelsverband Sachsen-Anhalt erklärt. Im Elektronikbereich schlossen die Gruppen MediaMarkt-Saturn und Conrad Standorte in Deutschland. Handelsketten wie Galeria Karstadt Kaufhof ziehen sich aus den Innenstädten zurück, wie in Halle und Dessau.

Gamestop in Halle: Kündigung kurz vor Silvester

Für die drei festen Mitarbeiter von Gamestop in Halle kam die Nachricht vom Aus plötzlich: „Wir haben es kurz vor Silvester bei einer Telefonkonferenz erfahren“, sagt eine Beschäftigte. „Es war aber auch absehbar. Wir bekommen ja auch mit, wie sich Gamestop entwickelt hat.“ Mitarbeiter sollen in die verbliebene zweite Filiale in Halle-Neustadt wechseln. Offenbar soll nun verstärkt auf Fanartikel gesetzt werden. „Genau kann ich dazu aber nichts sagen. Es wird neues Konzept geben“, erklärt der leitende Mitarbeiter aus Halle.

Wie lange es am zweiten Standort weitergehen kann, ob sich der Konzern rettet? „Das kann niemand wissen. Vielleicht läuft es noch ein bis zwei Jahre, vielleicht aber auch länger – wenn sich das Konzept ändert und trägt.“

HALLE/MZ - An den Schaufenstern kleben große Schilder des Ausverkaufs: „Alles reduziert“, „Wir schließen diese Filiale“. Auch das Mobiliar steht zum Verkauf. Hier in der Filiale von Gamestop in Halles Innenstadt sind die letzten Tage gezählt: Anfang März ist Schluss. „Fast hätten wir unser Sechsjähriges feiern können“, sagt ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Nach Absprache mit dem Unternehmen dürfe er nur sagen, was er auch Kunden erklärt.

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