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Zwangsarbeiter-Entschädigung Zwangsarbeiter-Entschädigung: Stiftung wird mit Festakt im Schloss Bellevue gewürdigt

Von Nikolaus Sedelmeier 12.06.2007, 10:20
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am Dienstag (12. Juni) im Schloss Bellevue in Berlin im Rahmen einer Feierstunde zum Abschluss der Auszahlungen an die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter. (Foto: ddp)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am Dienstag (12. Juni) im Schloss Bellevue in Berlin im Rahmen einer Feierstunde zum Abschluss der Auszahlungen an die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter. (Foto: ddp) ddp

Berlin/ddp. - Zugleich lobten beide am Dienstagzum Ende der Auszahlungen die siebenjährige Arbeit der Stiftung«Erinnerung, Verantwortung und Zukunft». Bundespräsident wieKanzlerin wiesen darauf hin, dass die Zwangsarbeiter auf nahezu allenGebieten, in der Industrie wie in der Landwirtschaft, aber auch inKrankenhäusern und sozialen Einrichtungen eingesetzt worden seien.«Davon haben letztlich - ob gewollt oder ungewollt - viele Deutscheprofitiert», sagte Köhler.

Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren über siebenPartnerorganisationen rund 4,4 Milliarden Euro an 1,66 MillionenOpfer ausgezahlt. Je nach Einstufung erhielten die Opfer zwischen2556 und 7669 Euro (5000 bis 15000 D-Mark). In den Stiftungsfondshaben rund 6500 Unternehmen und Organisationen eingezahlt. Siebrachten die Hälfte des Kapitals auf, die andere Hälfte kam vomStaat. Übrig bleibt ein Stiftungskapital von rund 450 Millionen Euro,über dessen Verzinsung jährlich acht Millionen Euro für die weitereArbeit zur Verfügung stehen sollen. Über die künftige Organisationder Bundesstiftung wurden bei der Feier im Berliner Schloss BellevueUnstimmigkeiten deutlich.

Köhler sagte, lange Zeit seien die Zwangsarbeiter «dievergessenen, ja auch die verdrängten Opfer» des Nationalsozialismusgewesen. «Indem ihre Ansprüche auf Entschädigung abgelehnt wurden,wurde faktisch auch ihr Leid nicht als Leid anerkannt.» Nach denWorten Merkels wurden seit Ende des Zweiten Weltkrieges rund 64Milliarden Euro an Entschädigung und Wiedergutmachungunterschiedlicher Art gezahlt. Die NS-Zwangsarbeiter aber seienbisher ausgenommen gewesen, da sie überwiegend aus Mittel- undOsteuropa kamen und im Gegensatz zu ihren Leidensgenossen im Westenkeine Möglichkeit hatten, Entschädigungen zu erhalten. Erst mit demEnde des Kalten Krieges sei dies möglich geworden.

Der scheidende Stiftungsvorsitzende Michael Jansen kündigte imInforadio rbb an, dass im Oktober über die zukünftige Arbeit beratenwerde. Umstritten dabei ist, inwieweit die internationalen Vertreterweiter mitwirken können. Der ehemalige Verhandlungsführer derBundesregierung, Otto Graf Lambsdorff (FDP), der das Kuratoriumverlassen wird, sprach sich in der «Passauer Neuen Presse» mit Blickauf die Kosten für den Verwaltungsapparat für einen raschen Umbau derStiftungsstruktur aus.

Im Deutschlandradio Kultur sagte Lambsdorff, es handle sich zwargrundsätzlich um deutsches Geld. Klar sei aber auch, dass derinternationale Charakter der Stiftung gewährleistet sein müsse,vornehmlich im Kuratorium. In der «Welt» sah Lambsdorff nachAbschluss der individuellen Auszahlungen den «Rechtsfriedengewährleistet». Jetzt gebe es «keine Rechtsansprüche mehr gegenDeutschland oder deutsche Unternehmen».

Dagegen beklagte der ehemalige Verhandlungsführer der Wirtschaft,Manfred Gentz, bei der Feier, dass das Ziel des Rechtsfriedens nur«im Wesentlichen» erreicht worden sei. Bedauerlicherweise sei in denUSA noch eine Klage anhängig. «Ich kann und ich muss sagen: Es wirdmehr Geld nicht geben.»

Noah Flug, Kurator der Partnerorganisation Jewish ClaimsConference (JCC), erinnerte an den Grundgedanken von KöhlersVorgänger Johannes Rau: Nicht die finanzielle Leistung für dieZwangsarbeiter stehe im Vordergrund, sondern die Anerkennung ihrerLeiden. «Der Weg vom Getto Lodz über Auschwitz hierher in denAmtssitz des deutschen Oberhaupts war lang. Ein Weg, der vor mehr als60 Jahren für mich unvorstellbar war», sagte Flug mit bewegterStimme.