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Christian Wolff  Christian Wolff : Bislang unbekanntes Porträt des Aufklärungsphilosophen vorgestellt

Von Kai Agthe 05.12.2018, 10:00
Gabriel Spitzel: „Christian Wolff“, Ölgemälde, um 1740
Gabriel Spitzel: „Christian Wolff“, Ölgemälde, um 1740 Stadt Halle/Ziegler

Halle (Saale) - Es ist das Ende einer langen Odyssee: Nach 278 Jahren ist ein Porträt des Philosophen Christian Wolff (1679-1754) dort angekommen, wo es um 1740 entstanden sein dürfte: in Halle. Das Gemälde, das Gabriel Spitzel zugeschrieben wird, konnte das Stadtmuseum Halle - welches im ehemaligen Wohnhaus Wolffs in der Großen Märkerstraße 10 sein Domizil hat - dank Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt erwerben. Mit einem Betrag von 25.000 Euro habe sich das Land beteiligt, das sind zwei Drittel der Gesamtkosten, erklärte Sachsen-Anhalts Kulturstaatssekretär Gunnar Schellenberger bei der Präsentation des Gemäldes. Den Rest der Kaufsumme teilten sich die Stadt Halle und Sponsoren.

Das Lebensbild zum Porträt

„Sensationell“ war das Attribut, das bei der Vorstellung des Bildes am häufigsten gebraucht wurde. Sensationell ist dieses Wolff-Porträt vor allem, weil es in der Forschung bislang völlig unbekannt war. Bis zum Verkauf in Privatbesitz befindlich, sei es dem Stadtmuseum Halle von einem Berliner Kunsthändler angeboten worden. Sensationell wurde aber auch die erste Wolff-Biografie seit 170 Jahren genannt, die soeben erschienen ist. Verfasser ist der hallesche Literaturhistoriker Hans-Joachim Kertscher (Hier bei Amazon kaufen). Den Einband der Lebensbeschreibung schmückt, wie könnte es anders sein, das neu erworbene Gemälde, das Christian Wolff im gesetzten Alter von 61 Jahren zeigt.

Triumphierender Gesichtszug

Entstanden ist das Bild des Philosophieprofessors, standesgemäß in Brokatweste und Samtrock gekleidet, am Beginn seiner zweiten halleschen Zeit, um das Jahr 1740. Cornelia Zimmermann, die stellvertretende Direktorin des Stadtmuseums, meinte erkennen zu können, dass Gabriel Spitzel (1697-1760) dem Porträtierten einen „gewissen triumphierenden Zug“ ins Gesicht gezaubert hätte.

Ein Triumphgefühl, dass aus dem Wissen resultiere, dass der Gelehrte in jene Stadt zurückkehrte, aus der man ihn im Jahr 1723 mit dem absurden Vorwurf, atheistische Ideen zu propagieren, in Schimpf und Schande und unter der Androhung vertrieben hatte, ihn hängen zu wollen, wenn er die Stadt Halle nicht binnen 24 Stunden verlasse.

Das vom Kaufangebot bis zur Erstpräsentation des Gemäldes ein Jahr verging, erklärte Cornelia Zimmermann mit der Notwendigkeit, dass zwei Gutachten einzuholen waren, in denen dem Bild attestiert wird, 1. echt zu sein und 2. nicht unter NS-Raubkunst-Verdacht zu stehen. Als alle diesbezüglichen Zweifel ausgeräumt waren, entschied man sich für den Kauf des Gemäldes, das nun seinen dauerhaften Platz im Empfangssaal des Christian-Wolff-Hauses finden wird.

Zwischen Leibniz und Kant

Das Original des Bildes im Rücken und die Reproduktion des Gemäldes auf dem Titel seiner mehr als 300 Seiten umfassenden Biografie vor sich, umriss Autor Hans-Joachim Kertscher (74) in kurzen Worten die Bedeutung des Universalgelehrten Christian Wolff, der nicht nur lebenszeitlich, sondern auch philosophisch zwischen Gottfried Wilhelm (1646-1716) Leibniz und Immanuel Kant (1724-1804) einzuordnen sei. Es sei ihm wichtig gewesen, eine populäre Biografie Christian Wolffs vorzulegen, so Kertscher, die buchstäblich dem Lebensweg des Philosophen folge, also traditionell aufgebaut sei.

Das aber ist viel zu bescheiden: Denn in seinem so beredt betitelten Buch „Er brachte Licht und Ordnung in die Welt“ gelingt es Kertscher, dessen Forschungsschwerpunkt auch als Literaturhistoriker die Literatur der Aufklärung ist, ein gesellschaftliches Panorama der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu entfalten.

Dass Wolff in Breslau geboren wurde, in Jena und Leipzig studierte, in Halle und Marburg als Professor lehrte, ermöglicht es dem Biografen, das soziale und geistige Leben in den genannten Städten ebenso detailreich wie anschaulich zu beschreiben.

Das Problem, vor dem jeder Biograf dieses Philosophen jedoch stehe: „Christian Wolff hat viel geschrieben, aber leider nur sehr wenig über sich“, erklärt Kertscher, der in seinem Buch auch zeigen kann, welches Licht der Aufklärungsphilosoph Christian Wolff der Menschheit brachte: das der Erkenntnis.

Blick auf das Jubiläum 2023

Mit dem Ankauf des Wolff-Gemäldes und der Publikation der großartigen Biografie soll es aber nicht sein Bewenden haben. So wollen das Stadtmuseum Halle und die im Vorjahr gegründete Christian-Wolff-Gesellschaft den 300. Jahrestag der Vertreibung Christian Wolffs aus Halle im Jahr 2023 zum Anlass für verschiedene Veranstaltungen nehmen. Darüber hinaus sei die Christian-Wolff-Gesellschaft, wie Hans-Joachim Kertscher als ihr Vorstandsmitglied sagte, auf der Suche nach Sponsoren für ein Wolff-Denkmal, das eines hoffentlich nicht fernen Tages vor dessen früheren Wohnhaus und heutigen Stadtmuseum Aufstellung finden möge.

Welchen Stellenwert Christian Wolff unabhängig von Jubiläen heute genießt, konnte Cornelia Zimmermann zeigen, als sie darauf hinwies, dass jüngst ein Team des serbischen Fernsehens in Halle zu Gast war, um Szenen für eine Dokumentation über Christian Wolff und Europa zu drehen. Was Kulturstaatssekretär Schellenberger am Ende zu dem augenzwinkernden Fazit verlockte: „Der Wolff ist zurück!“ (mz)

Hans-Joachim Kertscher: „Er brachte Licht und Ordnung in die Welt“ - Christian Wolff: Eine Biografie, Mitteldeutscher Verlag, 312 S., 25 Euro (Hier bei Amazon kaufen)