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Roboter im OP-Raum Halle-Dölau: OP-Roboter in Martha-Maria-Klinik hilft Chirurgen

Von Diana Serbe Aktualisiert: 24.04.2024, 17:33
Chefarzt Florian Seseke steuert mittels Controller die Bewegungen des Roboters.
Chefarzt Florian Seseke steuert mittels Controller die Bewegungen des Roboters. Jens Schlüter

Halle (Saale) - Es geht hektisch zu. Sieben ganz in Grün gekleidete Menschen laufen in dem weißen, klimatisierten Raum umher. Nur ihre Augen sind zu sehen. Drei große, runde Neonlampen erhellen das sterile Zimmer ohne Fenster.

In der Mitte eine hohe weiße Maschine, aus ihr ragen vier faustdicke, weiße Arme hervor. Bis zur Spitze in Plastik gehüllt. Vom großen, dunkelgrünen Tuch auf dem OP-Tisch bleibt nur der Kopf des männlichen Patienten unbedeckt. Im Narkoseschlaf bekommt er von den vielen Menschen um ihn herum nichts mit.  

Plötzlich kommt Bewegung ins Spiel. Vor, zurück, vor, zurück. Beinahe geräuschlos. Die Arme der Maschine kreisen. Auf drei davon stecken die OP-Assistentinnen Instrumente.

OP-Roboter im Martha-Maria-Krankenhaus in Halle-Dölau: Bei Operation eines Nierentumors dabei

Pinzette, Schere, Fasszange. Auf den vierten eine Kamera.  Ziel der folgenden, rund zweistündigen OP: einen etwa vier Zentimeter großen Nierentumor vollständig entfernen. 

„Würde er zu groß werden, könnte er platzen und für innere Verletzungen sorgen“, sagt Oberarzt Thorsten Seiler. Mit gezielten Schnitten in die Bauchdecke schafft er fünf kleine Öffnungen, die fünfte für das Instrument, das er führt.

Sechs Augenpaare sind auf den in zwei Meter Höhe hängenden Monitor gerichtet. Im OP-Saal des Krankenhauses Martha Maria in Halle-Dölau ist inzwischen etwas Ruhe eingekehrt. 

Martha-Maria-Krankenhaus in Halle-Dölau: Kein Roboter im klassischen Sinne

Über einen Lautsprecher ertönt eine Männerstimme. Es ist die von Urologie-Chefarzt Florian Seseke. Etwa drei Meter vom Operationstisch entfernt sitzt er in der linken Ecke des Raumes.

An einem Steuergerät, das an eine Spielekonsole erinnert.  Die Finger von zwei Halte-Ringen fest umschlungen. Die Augen hat er tief versenkt in ein Objektiv.

Barfuß tritt er ein Pedal. Er steuert die Arme des hauseigenen OP-Roboters „da Vinci Xi“. Seit Juni ist der mechanische Helfer in Dölau im Einsatz.  
Dabei ist der Roboter eigentlich kein Roboter im klassischen Sinn.

OP-Roboter im Martha-Maria-Krankenhaus: Einziger seiner Art in Sachsen-Anhalt

Der Chirurg gibt die Anweisungen vor, der Roboter führt sie aus. Er handelt nicht eigenständig und übernimmt zu keiner Zeit die Kontrolle. Im Notfall könnten die Chirurgen eingreifen, wie Seseke erzählt.

Das lernten sie in speziellen Trainings. Bis ein Chirurg den OP-Roboter steuern darf, muss er einige Tests durchlaufen. „Eine Art Führerschein“, sagt der 50-Jährige. 

OP-Roboter gibt es in Sachsen-Anhalt bereits in Magdeburg und Halle. Der „da Vinci Xi“ am Martha Maria ist der einzige OP-Roboter der neueren Generation in Sachsen-Anhalt.

Martha-Maria-Krankenhaus in Halle-Dölau: Nebel bei der Operation

Zunächst muss das Bauchfell aufgeschnitten werden. Was radikal klingt, ist ein notwendiger Schritt, um die Niere freizulegen. Die Instrumente werden über die Roboter-Arme mit Strom versorgt. 

So kann das Gewebe abgetrennt werden. Nebel versperrt den Blick auf das Bild, das der kleine, weiße Monitor wiedergibt. „Der Strom erzeugt Wärme, beim Verdampfen entsteht Nebel“, sagt Florian Seseke.

Erst nach einer Stunde erreichen die beiden Chirurgen das Ziel. Sie verstehen sich trotz der Entfernung blind. Thorsten Seiler assistiert und hält das Gewebe beiseite.

OP-Hilfe im Martha-Maria-Krankenhaus in Dölau: Blut überall

Mühevoll wird die Kapsel des Tumors geöffnet. Blut, überall. In zehnfach vergrößerter Darstellung auf dem Bildschirm eine gewaltige Menge. „So viel Blut ist das nicht“, sagt Chefarzt Seseke aus Erfahrung.

Doch ist Vorsicht geboten. „Die schwierigste Aufgabe ist, die durchgehende  Durchblutung der Niere zu gewährleisten“, sagt er. Das Organ dürfe keinesfalls verletzt werden oder Schaden nehmen.

Mit den Instrumenten wird das bereits entfernte Gewebe des Tumors  noch im Körperinneren in einen etwa zehn Zentimeter langen Gewebebeutel aus Kunststoff gelegt.

OP-Roboter im Krankenhaus in Halle-Dölau: „Da Vinci“ verbessert die Arbeit

„Da Vincis“ Arme greifen dabei ineinander. Bei Bedarf können die Aufsätze für die Arme getauscht werden, um den besten Winkel zu erreichen, berichtet der Chefarzt.

Die Gewebeproben werden ins Labor geschickt, um sie noch einmal genau zu untersuchen. Bisher wird der Tumor als gutartig eingestuft. Vieles kann mit „da Vinci“ genauer erfasst werden als mit konventionellen Methoden.

Eine 3D-Darstellung verschafft Klarheit über die Oberflächenstruktur des Tumors, denn Fühlen kann der Roboter nicht. Vielmehr skaliert er und gleicht millimetergenau aus, wenn ihn ein Befehl vom steuernden Chirurgen erreicht.

Martha-Maria-Krankenhaus in Halle-Dölau: OP-Roboter nicht ohne Kritik

Auch ein Zittern der menschlichen Hand korrigiert er. Laut Seseke spare die neue Technik vor allem Kraft und Energie. „Anstelle der Roboterarme stehen dort sonst OP-Mitarbeiter, die  die Instrumente über die gesamte Dauer der Operation halten“, sagt der Urologe.

Doch es gibt auch Studien, die den Nutzen der Geräte des amerikanischen Herstellers Intuitive Surgical anzweifeln. Nach zehn Einsätzen müssen die OP-Instrumente entsorgt werden, so die Vorschrift.

Der Vorteil für Arzt und Patient bei einer OP soll einigen Berichten zufolge nicht höher sein, dafür aber die Kosten. Zudem gebe es Fälle, in denen die Elektronik plötzlich versagt haben soll.

OP-Roboter „Da Vinci“ in Klinik in Halle: Roboter-Technologie in USA bereits etabliert

An einen Zwischenfall erinnert sich auch Seseke: Der Roboter hatte sich „aufgehängt“, nur ein Neustart konnte helfen. „Auswirkungen auf den OP-Verlauf hatte das nicht“, sagt der Mediziner.

In den USA hat die Roboter-Technologie konventionelle Operationen Statistiken zufolge beinahe verdrängt. So weit sei es laut Seseke hierzulande noch nicht.

20 Prozent der OPs in Urologie, Gynäkologie, Thorax- und Viszeralchirurgie am Martha Maria in Halle machten die Roboter-Einsätze bisher aus, schätzt der Urologe.

Martha Maria in Halle-Dölau: Gewinn trotz hoher Kosten

In seinem Fachgebiet komme der Roboter hauptsächlich zur Blasenentfernung und bei  Prostatakrebs zum Einsatz. Trotz der hohen Kosten sei er ein Gewinn für die hallesche Klinik.

„Viele Patienten kommen nur deshalb zu uns“, sagt der Chefarzt. Lediglich einer von rund 45 Urologie-Patienten bisher habe im Aufklärungsgespräch abgelehnt, mit Unterstützung von „da Vinci“ operiert zu werden.   

Der Abschluss der Operation unterscheidet sich nicht von der klassischen Methode. Routiniert näht Oberarzt Thorsten Seiler die fünf Einstichstellen zu. Wo der Patient sonst eine gut 20 Zentimeter lange Narbe davontragen würde, sind hier nun kleine Längsschnitte zu sehen, jeder nicht größer als drei Zentimeter. „Die Heilung tritt schneller ein“, sagt  Florian Seseke. „Der Patient darf die Klinik in der Regel schon nach vier Tagen verlassen.“