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Krötenwanderungen in Halle Krötenwanderungen in Halle: So rettet eine Tierschützerin die kleinen Springer

Von Oliver Müller-Lorey 08.04.2017, 10:00
Katja Stein bekommt beim Sammeln tierische Unterstützung...
Katja Stein bekommt beim Sammeln tierische Unterstützung... Lutz Winkler

Halle (Saale) - Die Nacht war noch kalt. Nur langsam wärmen die Sonnenstrahlen, die durch den Wald am Heidesee in Nietleben fallen, die Luft. Kein Wunder also, dass sich die dicke Erdkröte, die sich in Katja Steins Hand befindet, nicht bewegt. Als Amphibie ist sie wechselwarm und fährt ihren Stoffwechsel am kalten Morgen zurück. Katja Stein führt die Hand in Richtung Wasser und lässt die Kröte langsam zwischen Schilfhalmen in den kleinen Heidesee, der neben dem beliebten Bad liegt, hineingleiten. Wieder eine gerettet!

Noch bis Mai ist die Zeit der Krötenwanderung. Die Tiere hüpfen von ihrem Winterquartier aus zu den Laichplätzen - oft dem Ort, wo sie geboren wurden. Damit die Tiere merken, dass nun die Zeit zum Wandern gekommen ist, müssen die Temperaturen in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten auf über sieben Grad steigen.

Krötenschützerin in Halle: An mehreren Tagen in der Woche kontrolliert sie die beiden kniehohen Zäune

Weil genau das jetzt passiert ist, hat sich Katja Stein um 8.30 Uhr auf die Socken gemacht. Die 36-Jährige arbeitet eigentlich im Heidebad im Büro, am Strand und in der Gastronomie, aber bevor die Gäste kommen, rettet sie Kröten vor dem Tod unterm Autoreifen.

An mehreren Tagen in der Woche kontrolliert sie die beiden kniehohen Zäune, die entlang des Kletterwaldes und des Parkplatzes vorm Bad gespannt sind. Alle paar Meter sind schwarze Plastik-Eimer in den Boden eingegraben. Kröten, die den Zaun entlanghüpfen, fallen in den Eimer. Und dann kommt Katja Stein, die Tierretterin zum Einsatz. „Die Eimer müssen jeden Tag kontrolliert werden“, sagt sie. Wenn sie einmal nicht kann, springen deshalb andere Freiwillige ein.

Tierschützerin in Halle: Kröten fühlen sich auch nicht, wie viele glauben, glitschig an

Zwar halten es Kröten auch länger in den Bottichen aus, aber Nahrungsmangel und die Gefahr, gefressen zu werden, bedeuten Stress für sie. Also setzt die Tierfreundin die gesammelten Amphibien jeden Morgen im See aus. Per Hand. „Am Anfang war es schon eine Überwindung, die anzufassen. Aber jetzt nehme ich auch keine Handschuhe mehr“, sagt sie.

Kröten fühlen sich auch nicht, wie viele glauben, glitschig an. Die kalte Haut hat eher die Textur von Leder. „Schlangen finde ich auf jeden Fall schlimmer“, sagt Katja Stein, die auf ihren morgendlichen Kontrollgängen stets von einer Katze begleitet wird. Die wohnt im Heidebad und hat nur einmal versucht, eine Kröte zu fressen - was mit üblen Magenbeschwerden für die Katze endete.

Kröten sind in Deutschland besonders geschützt und wegen des Autoverkehrs auch gefährdet

Kröten, so erzählt Steffen Hahn von der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt, können bei Gefahr ein übelriechendes Sekret aus Urin abgeben. Er koordiniert die Sammel-Aktionen und ist froh, dass es Freiwillige wie Katja Stein gibt. Denn Kröten sind in Deutschland besonders geschützt und wegen des Autoverkehrs auch gefährdet. Auf ihrer Route von ihrem Winterquartier zum Ablaichen im Heidesee oder im Kleinen Heidesee müssen sie den Parkplatz überqueren - und werden dabei häufig überfahren. Davor sollen die Zäune sie schützen.

„Es geht dabei nicht darum, einzelne Tiere zu retten, sondern die Population“, sagt Hahn. Wenn mehrere Jahre hinweg viele Tiere getötet würden, könne das zur Auslöschung einer Kolonie führen, warnt er. Kröten-Zäune stehen nicht nur am Heidebad, sondern auch am Kreuzvorwerk und der Talstraße.

Krötenschützerin in Halle: Im Moment schrumpft die Population rund um den Heidesee

Mehr Sperren sind laut Steffen Hahn zur Zeit nicht geplant. Das könnte sich aber auch ändern, wenn eine neue Gefahrenstelle für die Tiere ausgemacht wird. Im Moment, sagt Hahn, schrumpfe die Population rund um den Heidesee.

Vielleicht, vermutet er, haben sich die Kröten mittlerweile an den dauerhaft aufgebauten Zaun gewöhnt und hüpfen um ihn herum - geradewegs unter die Autos. Zumindest in der Nacht vor Katja Steins Einsatz hat der Zaun gewirkt. Mehrere Dutzend Kröten sind in die Eimer gefallen. Auch wenn es in diesem Jahr schon Tage mit 65 Tieren gab, ist sie damit zufrieden. Die Sonnenstrahlen treffen auf den Eimer und langsam wärmt sich die Luft auf. Jetzt ist es höchste Zeit, die Kröten freizulassen - bis es morgen wieder losgeht. (mz)

Links Herr und rechts Frau Kröte. Die Weibchen sind dicker, weil sie Tausende Eier tragen muss. Das Männchen erkennt man am dunklen Daumen.
Links Herr und rechts Frau Kröte. Die Weibchen sind dicker, weil sie Tausende Eier tragen muss. Das Männchen erkennt man am dunklen Daumen.
Lutz Winkler
..und macht fette Beute. Manchmal sind in den Eimern aber auch über 50 Tiere.
..und macht fette Beute. Manchmal sind in den Eimern aber auch über 50 Tiere.
Lutz Winkler