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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 25. April 2024 Frost und Frust: Winzer und Obstbauern befürchten hohe Ernteausfälle

Weiter Themen: Schließung wegen Personalnot / Hellofresh schafft 1.000 Jobs / Flughafen-Ausbau noch sinnvoll? / Jena baut 5.000 Wohnungen

25.04.2024, 09:00
MZ-Wirtschaftsnewsletter Frost
MZ-Wirtschaftsnewsletter Frost Fotos: Biel/Stedtler

Bereits um 2 Uhr Dienstagnacht ist Obstbauer Klaus Friedrich aus Eisleben in seinen Kirsch- und Apfelbaumplantagen gewesen. Zusammen mit seinem Sohn Niklas fuhr er mit einem Trecker und angehängten Feuerwagen durch die Baumreihen. Der selbstgebaute Anhänger besteht aus einer Stahltonne, in der mit Holz Feuer gemacht wird. Ein Ventilator facht das Feuer an, das über zwei seitliche Rohre nach außen gelangt. Das Gefährt ähnelt einem schnaubenden Drachen. „Bei ein bis zwei Grad minus können wir so die kleinen Früchte und Blüten vor dem Erfrieren schützen.“

Der Eisleber Obstbauer Klaus Friedrich steht an seinen Kirschbäumen. Die meisten der kleinen Früchte sind in der Nacht zu Dienstag erfroren.
Der Eisleber Obstbauer Klaus Friedrich steht an seinen Kirschbäumen. Die meisten der kleinen Früchte sind in der Nacht zu Dienstag erfroren.
Foto: Steffen Höhne

Bis kurz vor 8 Uhr fuhr Friedrich am Dienstag. Immer wieder wurde Holz nachgelegt. Den Kampf gegen den Frost hat er aber verloren. „Wir hatten die Nacht über längere Zeit minus fünf Grad“, erzählt er. Da reiche die Wärme des Feuerwagens nicht aus. Seine erste Bilanz ist verheerend: „Bei den Kirschen sind wahrscheinlich 80 bis 90 Prozent der Früchte erfroren.“

Nicht nur der Obsthof Friedrich leidet. Der Frost richtete bei den Winzern und Obstbauern im Gebiet Saale und Unstrut wohl die schwersten Ernteschäden seit Jahren an. „85 Prozent unserer Rebfläche ist betroffen“, sagt Hans Albrecht Zieger, Geschäftsführer der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut (Burgenlandkreis), die mit 380 Hektar Fläche der größte Betrieb im Anbaugebiet Saale-Unstrut ist. „Es gibt dort mehr oder weniger einen Totalschaden“, berichtet Zieger. Viele Jungtriebe seien erfroren, das sehe man an der schwarzen Verfärbung. Da die Pflanzen aber weiter austreiben könnten, rechnet der Winzer damit, dass noch die Hälfte einer normalen Ernte erreicht werden kann.

Der Chef des Landesweinguts Kloster Pforta, Jörg Erdmann, und sein Team hatten in der Nacht von Montag auf Dienstag noch versucht, durch 360 Superkerzen in Eimergröße einen wichtigen Weinberg zu schützen. Doch auch sie hatten keinen Erfolg. „So flächig hat es das gesamte Anbaugebiet meines Wissens noch nicht getroffen“, sagt Erdmann. Auch in anderen Teilen Deutschlands wie in Sachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz berichten die Winzer von hohen Frostschäden. Ein Schutz ist zwar möglich, aber aufwändig und damit teuer.

Der Chef des Landesweinguts Kloster Pforta, Jörg Erdmann, war Dienstagnacht im Weinberg um  mit Kerzen-Feuer die Triebe zu schützen.
Der Chef des Landesweinguts Kloster Pforta, Jörg Erdmann, war Dienstagnacht im Weinberg um mit Kerzen-Feuer die Triebe zu schützen.
Foto: Torsten Biel

Sorgen bereiten allen Winzern und Obstbauern die großen Temperaturschwankungen. „Vor zwei Wochen waren wir alle noch im T-Shirt draußen, jetzt tragen wir wieder Winterjacke“, schildert Friedrich die Situation anschaulich. In der Vergangenheit sei die Blüte meist um den 1. Mai gewesen – das habe sich in den vergangenen Jahren nach vorn verschoben. Auch in den 50er und 60er Jahren gab es schon solche Extreme. Doch durch den Klimawandel häufen sie sich.

Immer wieder begegnen einem Überschriften bei Meldungen wie: wärmster März seit Wetteraufzeichnung, wärmster Winter, wärmstes Jahr. Doch diese Nachrichten berühren niemanden. Mitunter freut man sich auch, bei hohen Energiepreisen weniger heizen zu müssen. Doch auf die Vegetation hat die Temperaturerhöhung eine massive Auswirkung, wie jetzt die Winzer und Obstbauern nun leidvoll erfahren.

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Bis nächste Woche, herzlich Steffen Höhne

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