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Protest an Hundertwasserschule Protest an Hundertwasserschule: Thesenanschlag am Gymnasium

Von Corinna Nitz 25.10.2017, 12:55
René Böttcher, hier mit Schulleiterin Anja Aichinger, hat seine 95 Thesen gegen Schule in die Stadt von Martin Luthers Thesenanschlag getragen.
René Böttcher, hier mit Schulleiterin Anja Aichinger, hat seine 95 Thesen gegen Schule in die Stadt von Martin Luthers Thesenanschlag getragen. Klitzsch

Wittenberg - Seine „95 Thesen gegen Schule“ hat am Mittwoch René Böttcher vor dem Luther-Melanchthon-Gymnasium Wittenberg öffentlich präsentiert. Der Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge aus Siegburg befestigte die Blätter gegen 6.45 Uhr mit Kabelbindern am Metallzaun vor dem Schulgelände. Böttcher vertritt u. a. die Auffassung, dass die in Deutschland geltende Schulpflicht nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sei.

Dort heißt es in Artikel 1, die Würde des Menschen ist unantastbar. In der Begründung zu seiner These 15 schreibt Böttcher, die Würde eines jungen Menschen „wird erheblich angetastet, wenn er nicht selbstbestimmtes Subjekt sein darf, wenn ihm Disziplinen, die er sich nicht ausgesucht, für die er möglicherweise kein Interesse besitzt, aufgezwungen werden“.

Schulpflicht, so Böttcher, sei eher ein „Zwang“, wer sich entzieht, „bekommt Probleme“. Nach einer Alternative befragt, räumte er gegenüber der MZ ein, keine Lösung zu haben, aber: „Stellen wir uns vor, Schulen wären wie Bibliotheken, freie Orte, an die niemand gezwungen wird, aber mit den Experten, die wir hier haben“.

Eine Expertin ist die Leiterin des Luther-Melanchthon-Gymnasiums, Anja Aichinger. Zusammen mit Schülersprecherin Lilli Stallbaum suchte sie am Mittwoch den Kontakt zu Böttcher. Für einen Diskurs, etwa für These - Antithese, war wegen des bevorstehenden Unterrichtsbeginns keine Zeit.

Man überbrachte Böttcher aber Melanchthons Schrift „Glaube und Bildung“ und ein T-Shirt mit These 96 (!) „Höre nicht auf quer zu denken“. Zur MZ sagte Aichinger, sie empfinde es angesichts der Tatsache, dass Millionen Kinder weltweit keinen Zugang zu Bildung haben, als „Luxuserscheinung“, die Schulpflicht zu hinterfragen.

Begleitet wurde die angemeldete und auf wenige Stunden begrenzte Thesenaktion, die Böttcher bislang nur online veröffentlicht hat, auch von Polizeibeamten.

Im Vorfeld war bekannt geworden, dass es der Schulträger untersagt hatte, das Gebäude für die Aktion zu nutzen. An den Thesen und den Begründungen habe er, Böttcher, sieben Monate gearbeitet. Auslöser sei ein Symposium in Weimar gewesen, das unter dem Motto „Selbstbestimmt? Bestimmt!“ stand.

Das Projekt steht im Internet: www.95-thesen-gegen-schule.de

(mz)