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Sensation im Arendsee Einmalig in Europa: Wann uraltes Boot gehoben wird - und was dann mit ihm passiert

Die Vorbereitungen für das Heben eines Prahmboots aus dem Arendsee sind abgeschlossen. Nun soll der sensationelle Fund geborgen werden. Bis dahin könnten aber noch einige Monate vergehen.

Von dpa/DUR Aktualisiert: 08.05.2024, 11:59
Die Tauchplattform von Unterwasserarchäologen vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist durch ein Klosterfenster im Arendsee zu sehen.
Die Tauchplattform von Unterwasserarchäologen vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist durch ein Klosterfenster im Arendsee zu sehen. Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/Archivbild

Halle. Eine Mannschaft von Tauchern und Technikern hat in der letzten Zeit in achttägiger Arbeit die Bergung eines rund 800 Jahre alten Prahmboots im Arendsee (Altmark) vorbereitet. „Zwei große Pumpsysteme werden in 32 bis 34 Metern Tiefe das Prahmboot vollständig von Sedimenten befreien“, hatte Projektleiter Sven Thomas vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt vor Beginn der Arbeiten gesagt.

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Bergung des Prahmboots aus dem Arendsee im September?

Ein Team von Unterwasserspezialisten hatte in den vergangenen Tagen die Bergung vorbereitet und dabei 50 Tauchgänge bis in eine Tiefe von 35 Metern absolviert.

Nach Angaben von Thomas liegt das Prahmboot, dank der Arbeit mit einer Hochleistungspumpe eines halleschen Spezialunternehmens, jetzt im See komplett frei. Außerdem wurden zahlreiche Funde nach oben gebracht.

Ein Prahm ist ein Transportschiff mit schlanker und flacher Rumpfform und seit der Römerzeit bekannt. Das Boot im Arendsee besteht aus Eichenholz und stammt aus der Zeit um 1265.

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„Das Schiff kann geborgen werden, ohne dass wir Angst haben müssen, dass es dabei auseinander fällt“, sagte Thomas. „Wir wissen jetzt, wie es gebaut ist und wo wir die Trägerkonstruktion anbringen müssen.“ Der Plan zum Heben werde in den nächsten Wochen ausgearbeitet. Die Bergung könnte dann im September erfolgen.

Prahmboot gehörte vermutlich zum Kloster am Arendsee

„Die Verzierungen an diesem Binnenschiff sind einmalig“, sagte Thomas. „Ich kenne keinen vergleichbaren Fund, der solche figürlichen Darstellungen von Tierköpfen an Bug und Heck hätte. Es könnte ein Bär und auf der anderen Seite ein Vogel sein, aber das werden wir nach der Bergung genauer wissen. Vergleichbare Funde kennt man bislang nur von Hochseeschiffen. Auch in den schriftlichen Quellen des Mittelalters finden sich nur selten Hinweise auf entsprechende Verzierungen an Schiffen. Allein im Codex Manesse, einer umfangreich bebilderten Liedersammlung aus dem 13. und 14. Jahrhundert, findet sich die Darstellung eines mit Bär und Adler verzierten Schiffes.“

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Das Prahmboot gehörte vermutlich zum Kloster am Arendsee, das im 13. Jahrhundert auf Betreiben der Askanier errichtet wurde. Erster „Schiffseigener“ könnte der Brandenburger Markgraf Otto IV. (um 1238-1308/09) gewesen sein. Wahrscheinlich diente der Prahm zum Transport von Bewohnern und Materialien wie landwirtschaftlichen Gütern des Klosters.

Darauf deutet auch die von den Archäologen gefundene Ladung von Getreide und Bauholz hin. Das Boot wurde durch Ruder und Segel angetrieben. Die bisherigen Funde deuten darauf hin, dass das zwölf Meter lange, 2,50 Meter breite und etwa einen Meter hohe Boot aufgrund eines Kielbruchs und falscher Beladung im Arendsee versank.

Prahmboot von Arendsee soll voraussichtlich im September geborgen werden

„Das Boot soll voraussichtlich im September gehoben werden. Die geplante Bergung eines mittelalterlichen Schiffes aus dieser Tiefe ist bislang einmalig in Europa“, sagte Thomas. Die Bergung des Bootes ist notwendig, da ihm unmittelbare Gefahr droht. Eingeschleppte Dreikantmuscheln greifen das Holz an. Zudem liegt es in Schräglage an einem Berghang und ist gefährdet, abzurutschen.

„An der Oberfläche soll das Boot dann mit hochauflösenden Kameras komplett erfasst werden.“ Durch diese 3D-Dokumentation wird es gewissermaßen digital gerettet. Die hochauflösenden Aufnahmen stehen in Zukunft der Forschung zur Verfügung und können zudem als Grundlage für museale Visualisierungen und Präsentationen dienen.

Prahmboot soll nach Erfassung wieder versenkt werden

Für eine dauerhafte Konservierung und Lagerung des kompletten Bootes an Land wären erhebliche Finanzmittel notwendig, die derzeit nicht zur Verfügung stehen. „Um das Boot als Ausstellungsstück in einem Museum zu präsentieren, müsste es zuvor jahrelang in Kunststoff konserviert werden. Erst dann könnte es ausgestellt werden“, sagte der Projektleiter. „Deshalb wird es nach der Dokumentation mit modernsten Methoden noch tiefer wieder in dem See abgesenkt und mit einem Spezialvlies abgedeckt, sodass es für die ihm gefährlichen Muscheln nicht mehr erreichbar ist. Dort kann es die nächsten 1.000 Jahre sicher liegen und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder geborgen werden.“

Das Prahmboot wurde bereits in den 1990er Jahren von Sporttauchern entdeckt. Aber erst jetzt ist es technisch durch den Einsatz von Robotern möglich, das Boot zu heben. Mit 55 Metern Tiefe gilt der Arendsee als einer der tiefsten natürlichen Seen in Norddeutschland.