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Auf Abwegen Im Lamborghini Huracán Sterrato über die Alpen

Eigentlich ist er für die Überholspur gebaut und für die Rennstrecke. Doch als Sterrato taugt der Lamborghini Huracán auch fürs Unterholz - und muss selbst unbefestigte Alpenpässe nicht fürchten.

Von Thomas Geiger, dpa 08.01.2024, 17:24
Aus dem Straßenrenner wird ein Rallye-Auto: So dürfte die Losung für den Huracán Sterrato gelautet haben.
Aus dem Straßenrenner wird ein Rallye-Auto: So dürfte die Losung für den Huracán Sterrato gelautet haben. Thomas Geiger/dpa-tmn

Berlin - Es ist steil, es ist eng und dass sie diesen schmalen Grat hier tatsächlich „Straße“ nennen, ist eine mutige Übertreibung. Denn ohne Allrad und überdurchschnittlich viel Bodenfreiheit ist man auf der Alta via del Sale aufgeschmissen.

Kein Wunder, dass hier nur ernsthafte Geländewagen unterwegs sind, Mountainbiker oder Wanderer. Ein Lamborghini jedenfalls hat sich auf die alpine Schotterpiste im Grenzgebiet zwischen Italien und Frankreich wohl noch nie verirrt - erst recht kein Sportwagen.

Bis jetzt zumindest. Doch seit dem Lamborghini den Huracán für 262 558 Euro auch als Sterrato anbietet, hat sich der Aktionsradius des Donnerkeils dramatisch erweitert: Plötzlich wird so auch die Hohe Salzstraße zu einer Herausforderung, die nicht zwingend im Krankenhaus, in der Klapsmühle oder auf dem Schrottplatz endet.

Schließlich machen die Italiener das Coupé für einen Aufpreis von rund zehn Prozent tatsächlich zu einem, nun ja, Geländewagen. Oder zumindest zu dem, was bei einem Supersportler mit Carbonchassis und V10-Motor eben an Geländewagen machbar ist.

Dicke Backen und ein Schnorchel auf dem Dach

Zu allererst einmal haben sie dafür am Firmensitz in Sant'Agata Bolognese dafür am Design gearbeitet, haben markante Verbreiterungen auf die Kotflügel gesetzt und Zusatzscheinwerfer auf die Haube geschraubt. Für ungehinderte Luftzufuhr auch im dicksten Staub wurde wie ein riesiger Schnorchel eine Hutze aufs Dach montiert. Zudem entstand sogar einen passender Gepäckträger. Schließlich ist der Kofferraum des Huracán sonst schon von ein paar Wanderstöcken überfordert, von Rucksack oder Zelt ganz zu schweigen.

Mit ernsthaften Absichten

Aber Lamborghini meint es ernst mit dem Abenteuer und belässt es deshalb nicht beim Zierrat. Schließlich macht eine Outdoor-Jacke aus einem Bürohengst noch keinen Bergsteiger.

Deshalb haben die Ingenieure zudem das Fahrwerk überarbeitet und den Wagen um fast fünf Zentimeter aufgebockt. Zusammen mit Bridgestone hat man auch einen speziellen Offroad-Reifen entwickelt, der selbst dem groben Gestein auf der Alta Via del Sale standhält.

Und dass der Unterboden - ursprünglich mal wegen der Aerodynamik - komplett mit Carbon verkleidet ist, schadet hier auch nicht. Denn statt sich an einem spitzen Stein die Eingeweide aufzureißen, rutscht der Sterrato jetzt über Schotter und Schlamm wie ein Wildschwein in der Suhle.

Auf schmalem Grat über den Berg

Und sowohl vom Schotter als auch vom Schlamm gibt es hier reichlich. Denn die Alta Via del Sale ist nicht nur ungeheuer schmal, so dass Begegnungsverkehr zur Präzisionsübung beim Rangieren wird. Sondern sie hat auch einen erbärmlichen Erhaltungszustand, knöcheltiefe Schlaglöcher, mächtige Stufen und liegt voller Steine, die oft größer sind als Fußbälle. Von den tiefen Wasserlachen, den Sturzbächen und den bröseligen Mäuerchen am Rande des Abgrundes ganz zu schweigen.

Auch gedrosselt noch ein Kraftmeier

Zwar hat Lamborghini die Leistung des fünf Liter großen Zehnzylinders ein wenig gedrosselt. Doch auch so leistet der hochdrehende Sauger noch immer 449 kW/610 PS und reißt mit 560 Nm an allen vier Rädern.

Unten im Tal würde das für einen Sprint von 0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden reichen. Maximal sind bis zu 260 km/h drin und mit den neuen Fahrprofilen taugt der Donnerkeil im Dreck zum König der Drifts. Nicht umsonst lockert die Elektronik etwa im Rallye-Modus spürbar die Leine und der Sterrato schiebt bisweilen quer über die Strecke.

Bergziege statt Kampfstier

Hier oben, weit jenseits der Baumgrenze ist aber eine andere Gangart gefragt. Viel mehr als Schritttempo ist nicht drin, wenn sich der Sterrato über jene Schotterpisten quält, die ihm seinen Namen gaben. Langsam und vorsichtig nimmt der Fahrer jeden Stein einzeln ins Visier und schleicht über Stufen im Geröll, die jedem Wanderer Respekt abverlangen.

Von wegen Kampfstier - zumindest auf den 10, 20 Kilometern hoch zum Passo Tanarello gibt der Sterrato eher die Bergziege. Und trotzdem freut man sich spätestens dann am festen Halt der Schalensitze, am strammen Sitz der Gurte und am Überrollkäfig, wenn man mal aus dem Fenster schaut und der Blick ins Bodenlose fällt.

Der allzu feste Tritt aufs Gas verbietet sich auf dieser Strecke aber noch aus einem weiteren Grund: Der V10 quittiert jeden Kick-down mit solch einer gewaltigen Fanfare, dass der Lärm noch stundenlang im Tal hängen und womöglich sogar das lose Geröll aus den Wänden vibrieren würde. Also lieber Leichtfuß als Bleifuß.

Ritterschlag vor dem Rifugio

So kämpft sich der Lamborghini tapfer höher und immer höher und wird spätestens vom Hüttenwirt im Rifugio La Terza gar vollends zum Helden geschlagen. Denn außer seinem klapprigen Fiat Panda 4x4 und seinem noch rostigeren Land Rover lässt er kein anderes Auto auf den Parkplatz vor der großen Sonnenterrasse gute 2000 Höhenmeter droben auf dem Grenzkamm. Wenn sich tatsächlich mal ein Wagen hier herauf verirrt, soll der gefälligst zwei Kilometer weiter unten parken und die Insassen müssen den beschwerlichen Weg vorbei an der mächtigen Jesus-Statue auf der Monte Saccarello zu Fuß antreten.

Aber wer so verrückt ist, das mit einem Lamborghini zu versuchen, dem gebührt der Ehrenplatz, schwärmt Tiziano und reibt sich noch immer verwundert die Augen. Bestimmt muss ihn seine Kollegin am nächsten Morgen noch mal zwicken und ihm bestätigen, dass das alles nicht nur ein Traum war. Schließlich ist der Lamborghini da schon wieder weg und kurvt seit dem Morgengrauen hinunter ins Tal, zurück auf den Asphalt und in sein natürliches Habitat.

Fazit: Verrückt und faszinierend zugleich

Natürlich ist es verrückt, mit einem Sportwagen wie dem Lamborghini Huracán eine Straße wie die Alta Via del Sale zu bezwingen. Schließlich ist das schon mit einem Geländewagen ein atemberaubender Ausflug durch die Alpen. Aber ein bisschen Wahnsinn passt perfekt zu diesem Auto. Denn wer auch nur halbwegs bei Sinnen ist, würde so einen Sportwagen auf Stelzen nie bauen. Wie gut, dass sie in Sant’Agata bisweilen ein bisschen von Sinnen sind. Sonst wäre die PS-Welt um einen faszinierenden Exoten ärmer.

Datenblatt: Lamborghini Huracán Sterrato

Motor und Antrieb:
V10-Benzindirekteinspritzer
Hubraum:
5204 ccm
Max. Leistung:
449 kW/610 PS bei 8000 U/min
Max. Drehmoment:
560 Nm bei 6500 U/min
Antrieb:
Allradantrieb
Getriebe:
7-Gang-Doppelkupplung

Maße und Gewichte
Länge:
4525 mm
Breite:
1956 mm
Höhe:
1248 mm
Radstand:
2620 mm
Leergewicht:
1470 kg
Zuladung:
k.A.
Kofferraumvolumen:
k.A.

Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit:
260 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:
3,4 s
Durchschnittsverbrauch:
14,9 Liter/100 km
CO2-Emission:
337 g/km
Kraftstoff:
Super
Schadstoffklasse:
EU6d
Energieeffizienzklasse:
k.A.

Kosten:
Basispreis des Lamborghini Huracán
241 400 Euro
Grundpreis des Lamborghini Huracán Sterrato
262 558 Euro
Typklassen:
k.A.
Kfz-Steuer:
586 Euro/Jahr

Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit:
Sechs Airbags, adaptiver Tempomat, Unterfahrschutz, Überrollbügel
Komfort:
Klimaautomatik, Touchscreen-Navigation, Schalensitze