WM der Gegensätze: 1974 noch «Steinzeit-Stadien»
Hamburg/dpa. - Für die Macher des größten Sportereignisses auf deutschem Boden sind seit der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 mehr als 32 Jahre vergangen.
«Was die Stadien betrifft, war die WM 1974 im Vergleich zu heute wie die Steinzeit», sagt der Vizepräsident des Organisationskomitees, Wolfgang Niersbach. OK-Chef Franz Beckenbauer will beide Titelkämpfe gar nicht miteinander vergleichen: «Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Damals spielten 16 Mannschaften, heute sind es 32. Viele Spiele waren noch nicht einmal ausverkauft.»
Während im oft regnerischen Sommer 1974 der Fan seinen nicht überdachten Stehplatz für umgerechnet gut 5 Euro sogar noch an der Stadionkasse kaufen konnte, entschied nun eine Online-Lotterie, wer in supermodernen Arenen einen komfortablen Sitzplatz erhält. Dafür blättert der Fan ohne Murren bis zu 600 Euro für das teuerste Final- Ticket hin. 1,77 Millionen Zuschauer verfolgten die 38 Endrunden- Spiele in neun Stadien. 32 Jahre später werden es bei 64 Partien fast doppelt so viele Fans sein. 1,5 Milliarden Euro wurden in die 12 zum Teil neu erbauten Stadien, darunter neun reine Fußball-Arenen investiert, hinzu kamen etwa 5 Milliarden Euro für begleitende Infrastrukturmaßnahmen. 1974 kam die öffentliche Hand mit 120 Millionen Euro für neun Stadien aus, darunter das Dortmunder Westfalenstadion als erste deutsche Fußball-Arena.
1974 wartete das Fernsehen mit Farb-Übertragungen aller Spiele auf, heute werden die Begegnungen live ins Internet und auf Handys übertragen. «Den größten Sprung haben die Medien gemacht. Man braucht nur die Berichterstattung zu vergleichen - die Entwicklung ist gigantisch», sagt Beckenbauer. Als damaliger Mannschaftskapitän gab er seine Stellungnahmen vor einigen Kamerateams und einem Dutzend Reportern ab. 2006 wird jede Pressekonferenz des Deutschen Fußball- Bundes (DFB) live von mehreren Sendern übertragen. 15 000 Medienvertreter werden in alle Welt berichten, mehr als drei Mal so viele wie früher. Millionen Fans werden gemeinsam auf öffentlichen Plätzen beim «Public viewing» feiern und trauern, vor 32 Jahren fand die WM meist daheim oder in der Kneipe statt.
Die Rekordzahl von 197 Ländern startete am 6. September 2003 in die Qualifikation - 1974 bewarben sich 98 Verbände um 14 freie Plätze. Während damals der Weltmeister neben dem Gastgeberland automatisch qualifiziert war, musste sich Brasilien diesmal qualifizieren.
Allein für das Dabeisein in Deutschland erhält jede der 32 Nationalmannschaften 4,5 Millionen Euro. Insgesamt schüttet die FIFA rund 169 Millionen Euro an Startgeld und Prämien aus. Das Erreichen des Halbfinales ist 14,6 Millionen Euro wert, der Champion darf sich neben der WM-Trophäe über einen Preisgeldscheck von 16,5 Millionen Euro freuen. Summen, von denen die Teilnehmer 1974 nur träumen konnten. Bei jetzt schon gesicherten Gesamteinnahmen von etwa 1,7 Milliarden Euro kann sich die FIFA die Prämienzahlungen fast schon aus der Portokasse leisten.
Einzig beim Thema Sicherheit kann die WM 1974 mithalten. Damals bewachten bis zu 1500 Kontrolleure und Ordner die Spiele, heute sind es kaum mehr. Nach ersten Terroranschlägen der «Rote-Armee-Fraktion» (RAF) wurde Anfang der 70er Jahre die Sicherheits-Problematik bereits sehr ernst genommen.