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Lebensretter immer dabei Vor zehn Jahren wurde in Dessau die Defibrillator-Selbsthilfegruppe gegründet

Warum diese für die Mitglieder so wichtig ist.

Von Heidi Thiemann 28.11.2021, 09:00
Die Selbsthilfegruppe Defibrillator um Sprecherin Marion Klaus (3.v.r.) triift sich einmal monatlich bei der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen am Dessauer Schloßplatz. Sie wurde vor zehn Jahren gegründet.
Die Selbsthilfegruppe Defibrillator um Sprecherin Marion Klaus (3.v.r.) triift sich einmal monatlich bei der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen am Dessauer Schloßplatz. Sie wurde vor zehn Jahren gegründet. (Foto: Heidi Thiemann)

Dessau-Roßlau/MZ - Marion Klaus trägt ihren Lebensretter in sich. Handtellergroß ist er und sorgt dafür, dass das Herz der 64-jährigen Frau im Takt bleibt.

Der Lebensretter, das ist ein implantierter Defibrillator. „Das ist schon mein dritter“, sagt sie und legt die Hand dabei auf ihre linke Brust. Im Jahr 2006 hatte sie ihren ersten bekommen und war vollkommen überrascht, dass sie die Technik überhaupt nötig hatte. „Ich dachte, ich habe eine normale Erkältung“, erinnert sie sich, weshalb sie zur Hausärztin ging. Die machte ein EKG, griff zum Telefonhörer, dann wurde Marion Klaus auch schon von der Kardiologin erwartet. „Die Diagnose hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Klaus. Ihr Herz „schaukelte“, sie war in Lebensgefahr.

Dieses Schicksal kann auch scheinbar junge gesunde Menschen treffen

Ja, ihre Oma war herzkrank, ihr Vater hatte einen Herzschrittmacher. Aber sollte sie mit gerade mal 50 wirklich eine Kandidatin für einen plötzlichen Herztod sein? Heute weiß sie, dass sie dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Nicht nur einmal. „Man kann die Krankheit nur annehmen“, sagt sie. Ihre Selbstständigkeit musste sie aufgeben, die Bäckerei in Kochstedt schließen.

„Es gibt auch Patienten, da hat das nicht geklappt“, weiß sie, dass nicht jede Operation so lebensverlängernd wie bei ihr ist. Und sie gibt auch zu, dass es sie schmerzt und sie Probleme damit hat, wenn sie Familien sieht, bei denen ein Angehöriger einen plötzlichen Herztod erlitten hat. „Manch einer setzt sich ins Auto, ist dann aber nicht mehr zum Fahren gekommen. Und andere haben sich abends ins Bett gelegt und sind früh nicht mehr aufgestanden.“ Dieses Schicksal kann auch scheinbar junge gesunde Menschen treffen.

Die Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen hat die Selbsthilfegruppe unterstützt

Nach den Operationen hatte die Patientin vor allem das Zusammensein in der Herzsportgruppe aufgebaut. Und als sie vor zehn Jahren in der Zeitung las, dass in Dessau eine Selbsthilfegruppe Defibrillator gegründet werden sollte, wurde sie hellhörig. Ein Anlaufpunkt für Betroffene und Angehörige wurde geschaffen. Erst war sie stellvertretende Gruppensprecherin, dann hatte Klaus die Gruppe vor acht Jahren übernommen. Die wichtigste Aufgabe der Gruppe ist es, sich gegenseitig aufzubauen.

Die Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen hat die Selbsthilfegruppe unterstützt - und macht es auch heute noch. In den Räumen am Dessauer Schloßplatz trifft sich die Gruppe einmal im Monat. Jetzt, während der Pandemie, ist es freilich nicht einfach Kontakt zu halten. Vor allem übers Telefon bleiben die Mitglieder verbunden, die längst nicht nur in der Doppelstadt zu Hause sind. Auch aus Coswig, Kemberg oder Barby kamen und kommen die Betroffenen und ihre Angehörigen.

Die Vermittlung von Wissen ist aber nur eine Seite der Treffen

„Viel Unterstützung haben ebenfalls wir von Frau Dr. Rybak erhalten“, sagt Marion Klaus. Die Dessauer Kardiologin unterstützt die Gruppe beispielsweise mit Vorträgen. „Nicht bei jedem Treffen kann jedoch ein Arzt oder Apotheker dabei sein. Das ist nicht leistbar“, sagt Marion Klaus. Doch es gibt auch viel Informationsmaterial, etwa von Defibrillator Deutschland, dem Netzwerk für Menschen mit implantierten Defibrillator und deren Selbsthilfegruppen. Aktuelles aus der Wissenschaft, Medizin, Forschung, Technik und aktuellen Entwicklung wird vermittelt.

Die Vermittlung von Wissen ist aber nur eine Seite der Treffen. „Ich komme her, um in Gemeinschaft zu sein“, sagt Brigitte Müller. Ihr Arzt, so die 75-Jährige, habe ihr gesagt, sie solle sich das Leben so schön machen, wie es geht. „Hier freut man sich mit anderen, wenn man hört, was sie unternommen und geschafft haben.“

Die Gruppe stehe auch immer neuen Interessenten offen

Selbst hat die Gruppe in den zehn Jahren auch vieles unternommen - Ausflüge auf der Goitzsche und zur Fläminger Musikscheune waren darunter, ebenfalls gemeinsame Gaststättenbesuche. Und in diesem Jahr wurde im September eine gemeinsame Stadtrundfahrt durch Dessau unternommen.

Das Gruppenbild, sagt Marion Klaus, verändert sich ständig. „Manche haben kein Interesse mehr, andere haben keine Kraft mehr zu den Treffen zu kommen, und manche Mitglieder haben den Kampf verloren.“ Doch die Gruppe stehe auch immer neuen Interessenten offen. Gerade im letzten Jahr habe die Gruppe gemerkt, wie wichtig das Miteinander ist. „Die Gespräche am Telefon können unsere Treffen nicht ersetzen. So hoffen wir alle auf normale Treffen 2022 als Selbsthilfegruppe Defibrillator.“

Kontakt zur Selbsthilfegruppe unter Telefon 0340/213200 oder per E-Mail an [email protected]