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Start-up aus Sachsen möchte Pendlerproblem lösen

30.05.2023, 15:43
Das Gründerteam von JobSwop
Das Gründerteam von JobSwop Foto: JobSwop

Laut Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) muss etwa ein Fünftel der Erwerbstätigen 25 Kilometer und mehr zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Wie der Pendleratlas der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt, pendeln etwa 6.000 Menschen aus Chemnitz nach Zwickau und etwa 10.000 Menschen aus Zwickau nach Chemnitz. Eine 40-stündige Arbeitswoche wird durch den hohen Zeitaufwand beim Pendeln oft zehn Stunden länger. Außerdem entstehen pro Arbeitswoche knapp 6,5 Millionen gefahrene Kilometer, was rund einer Million Euro Fahrtkosten entspricht. Es wird somit klar, dass Pendeln nicht nur für die Umwelt und die Freizeit des Menschen schädlich ist, sondern auch den Geldbeutel stark belastet.

Start-up gegen das Pendelchaos

Felix Nawroth, der an der TU Chemnitz Maschinenbau studiert hat, musste ebenfalls in das 40 Kilometer entfernten Meerane pendeln. Der junge Ingenieur aus Chemnitz bemerkte dabei schnell, dass er auf den Hauptverkehrsstraßen ständig dieselben Menschen sieht. Es entstand dadurch der Gedanke, dass doch zumindest einer der Pendler, die von Meerane täglich nach Chemnitz fahren, eine ähnliche Arbeit haben müsste, wie er selbst. Könnte Nawroth mit dieser Person den Job tauschen, würde das lange Pendeln für beide entfallen.

„Aber dann wurde mir klar, dass, selbst wenn das der Fall wäre, würden wir nie voneinander erfahren werden. Denn auf einer der klassischen Jobbörsen würde der eine wie der andere Job erst als ‚frei‘ sichtbar werden, wenn ihn einer von uns beiden wirklich verlassen würde.“

Schlussendlich gründete Nawroth mit dem Kaufmann Jan Meier und dem Wirtschaftsinformatiker Frank Burian die in Chemnitz ansässige JobSwop.io UG. Das Ziel des Start-ups ist die Vermittlung von „unsichtbaren“ Jobs an potenzielle Wechselkandidaten. Über die Plattform JobSwop.io sowie die App als Antwort auf den Fachkräftemangel werden also keine bereits offenen Stellen angeboten, sondern es werden Jobs von potenziellen Wechselkandidaten sichtbar. Laut Nawroth ist die Grundidee simpel.

„Man hört ja in letzter Zeit immer öfter, dass es der deutschen Wirtschaft in fast jedem Bereich an Fachkräften mangelt. Aus dem Arbeitgebermarkt sei deshalb ein Arbeitnehmermarkt geworden. Vor 20 Jahren hast du als Unternehmen eine Ausschreibung gemacht, da haben sich 20 Leute beworben und du konntest dir den Besten raussuchen. Doch diese Zeiten sind vorbei, das heißt jetzt für die Unternehmen, dass sie sich bei den potenziellen Arbeitnehmern bewerben müssen. Die Stellenportale funktionieren aber immer noch nach dem alten Prinzip. Es wird sich nur auf die Unternehmen konzentriert. Und mit möglich viel Aufwand versucht, deren Interessen zu streuen. Und wir sagen jetzt als Erste: wenn wir uns schon in einem Arbeitnehmermarkt befinden, streuen wir natürlich eher die Arbeitnehmerinteressen und müssen die fragen, was sie denn bezüglich ihres idealen Jobs wollen.“

Funktion von JobSwop.io

JobSwop.io sowie die iOS-App und die Android-App kann von Arbeitnehmer und Arbeitgeber seit Mitte 2021 verwendet werden. Entwickelt wurden die Grundfunktionen nach der Gründung des Start-ups im Oktober 2020 in nur neun Monaten ohne Finanzmittel von Investoren.

Das Prinzip ist denkbar unkompliziert: Potenzielle Teilnehmer registrieren sich mit ihrem derzeitigen Beruf auf JobSwop.io und erhalten daraufhin kontinuierlich passende Jobvorschläge. Es handelt sich dabei entweder um offene Positionen, die von Unternehmen ausgeschrieben wurden, oder Angebote anderer JobSwop-Nutzer, die an einem Arbeitsplatztausch interessiert sind. Anschließend können die Nutzer selbst entscheiden, welche Optionen infrage kommen. Im Grunde basiert das Ganze auf einer Art Matching-System, das man auch aus dem Bereich der Partnervermittlung kennt.

Für die Firmen, die sich auf Jobswop.io registriert haben, bietet die Plattform gegenüber herkömmlichen Jobbörsen den Vorzug, dass hier ausschließlich Personen angemeldet sind, die momentan in einem Arbeitsverhältnis stehen, wie Felix Nawroth es ausdrückt, „im Rhythmus“ sind. Diese wechselbereiten Arbeitnehmer können gezielt den Arbeitgebern vorgestellt werden.

Das simple, aber teilweise schwer zu verstehende Prinzip von JobSwop.io, erklärt Nawroth mit einem einfachen Beispiel:

„Nehmen wir zwei Bäcker aus zwei unterschiedlichen Stadtteilen Bremens, die einen neuen Job suchen. Die schaffen sich, sobald sie das irgendwo inserieren – ja auch schon gegenseitig ein Angebot. Und so entstehen sehr sehr viele Matches, die im Jobtausch passen könnten und somit die potenziell offenen Stellen sichtbar machen.“

Studie bescheinigt JobSwop.io hohes Potenzial

Die grundlegende Hypothese der jobswop.io-Gründer wird durch neuere Untersuchungen bestätigt. So hat das Onlineportal Meinestadt.de kürzlich Experten zu ihrer Wechselbereitschaft und Arbeitgeberloyalität befragt. An dieser Studie, die vom Marktforschungsunternehmen Respondi durchgeführt wurde, beteiligten sich 2.000 beruflich qualifizierte, nicht akademische Fachleute im Alter von 18 bis 65 Jahren. Die Ergebnisse dieser „Great Resignation", wie Mark Hoffmann, CEO von Meinestadt.de, sie bezeichnete, wurden auf welt.de veröffentlicht.

Auf die Frage „Inwieweit fühlst du dich deinem aktuellen Arbeitgeber verbunden?" gaben 23,7 Prozent an, sich „kaum oder überhaupt nicht" verbunden zu fühlen. Nicht einmal ein Drittel empfand eine „starke Verbundenheit“. Zusätzlich zeigt die Studie: Viele Fachleute sind offen für einen Wechsel, auch wenn sie nicht aktiv nach einer neuen Stelle suchen. 47 Prozent betrachten sich als passive Suchende, die bei einem attraktiven Angebot ihren derzeitigen Arbeitsplatz aufgeben würden. Es wird somit deutlich, dass die Idee von JobSwop.io in Deutschland ein hohes Potenzial besitzt.

Expansion in die Europäischen Union (EU)

Obwohl JobSwop.io noch ein junges Start-up ist, hat bereits Nutzer aus ganz Deutschland. Aktuell liegt der Fokus laut Nawroth aber noch auf Sachsen.

„Wir haben unser Hauptaugenmerk zunächst auf Chemnitz, Leipzig und Dresden gelegt. Auch was das Marketing betrifft. Der Netzwerkeffekt in anderen Teilen Deutschlands ist einfach noch nicht groß genug. Die Nutzer sollen sich auf unserer App ja gegenseitig matchen. Und dafür müssen wir jetzt Schritt für Schritt den Bekanntheitsgrad von JobSwop.io vergrößern.“

Sobald JobSwop.io sich erfolgreich etabliert und das innovative Konzept seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt hat, ist geplant, die Anwendung in ganz Deutschland einzuführen. Dabei soll durch das organische Wachstum rasch eine flächendeckende Nutzung im gesamten Bundesgebiet ermöglicht werden. Im Hinblick auf die Mobilität bei der Arbeitsplatzwahl innerhalb der EU verfolgen Nawroth und seine Mitgründer die ambitionierte Zielsetzung, dass über ihre App eines Tages auch Stellen zwischen Madrid und Stockholm ausgetauscht werden könnten.