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„Das ist bislang nur Chaos“ Raguhn-Jeßnitz' Bürgermeister Bernd Marbach vermisst in der Pandemie die klare Strategie

Ein Gespräch über den Ausnahmezustand und hitzige Diskussionen in Raguhn-Jeßnitz.

15.01.2022, 12:00
Bürgermeister Bernd Marbach steht an der Hochwasser-Gedenksäule in Jeßnitz.
Bürgermeister Bernd Marbach steht an der Hochwasser-Gedenksäule in Jeßnitz. (Foto: André Kehrer)

Jeßnitz/MZ - Auch Raguhn-Jeßnitz musste sich 2021 weiter mit der Corona-Pandemie herumplagen - und die war vor Ort nicht der einzige Aufreger. MZ-Redakteur Tim Fuhse hat mit Bürgermeister Bernd Marbach (parteilos) über das vergangene Jahr und die kommenden zwölf Monate gesprochen.

Letztes Jahr ging es in Raguhn-Jeßnitz bei einigen Themen hoch her, dazu kommt die Corona-Pandemie. Herr Marbach, war 2021 anstrengender, als die Jahre zuvor?

Bernd Marbach: Es war auf alle Fälle dramatischer. Anstrengend ist es ja jedes Jahr. Durch die Pandemie-Situation ist 2021 doch sehr dramatisch abgelaufen.

Gerade die Diskussion um den Neubau der Kita „Sonnenzauber“ auf dem Markeschen Platz hat die Gemüter im Frühling erhitzt. Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf diese Zeit zurück?

An der Stelle bewegt mich, dass uns ein ganzes Jahr verloren gegangen ist. Auf der anderen Seite war es auch richtig, dass ein Bürgerbegehren stattgefunden hat - jetzt haben wir eine Entscheidung. Und damit wird dieses Jahr losgelegt. Die Situation in dem vorhandenen Kindergarten ist nicht mehr befriedigend.

Viele Anwohner waren alles andere als glücklich mit der Entscheidung. Gab es hier noch ein klärendes Gespräch oder ist dies in Zukunft geplant?

Mit der Entscheidung hat sich das erledigt, solche Gespräche sind eigentlich nicht vorgesehen. Es sei denn, es wird in der Bauphase nochmals dieses oder jenes geben - da werden wir uns dann sicher mit den unmittelbaren Anliegern des Platzes verständigen. Die Baumaßnahme wird für sie sicherlich Behinderungen verursachen. Aber das ist bei jeder Baustelle normal.

Wo steht das Projekt aktuell und ab wann wird gebaut?

Zur Zeit sind die Unterlagen bei der Landkreisverwaltung zur Prüfung. Seitens der Stadt liegen alle Zustimmungen vor. Wir gehen davon aus, dass wir im Januar - spätestens im Februar - die Baugenehmigung haben. Die Jeßnitzer Wohnungsgesellschaft wird dann die Ausschreibung durchführen und im April oder Mai startet die Baustelle voraussichtlich.

Auch infolge des Bürgerentscheids konnte der Haushalt erst im Herbst verabschiedet werden. Wie steht es um die Stadtkasse?

Der Haushalt 2021 wurde erst im September bestätigt und der Haushalt 2022 liegt bestätigt vor. Die Veröffentlichung erfolgt im Januar und ab 1. Februar sind wir dann im Haushaltsjahr 2022 arbeitsfähig. Für den Start ist das gut, aber die eigentliche Haushaltssituation ist wie in allen Kommunen sehr schwierig. Wir spüren die Auswirkungen der Pandemie immer stärker.

Die Einnahmen sind rückläufig, gerade was die Gewerbesteuer betrifft. Wir schätzen hier den Rückgang auf 40 bis 50 Prozent. Die Ausgaben steigen, etwa für die Unterhaltung der Impfzentren und Personalkosten. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben wird größer. Wir gehen noch davon aus, dass wir die Konsolidierung für 2022 schaffen. Wie sich die Pandemie entwickelt, kann aber keiner voraussagen. Da fehlt uns die strategische Orientierung der Bundesregierung.

Ein Erfolg der Stadt war vergangenes Jahr die Auswahl des Umbauprojekts Raguhner Begegnungsstätte für den „Kohlemilliarden“-Fördertopf. Was können die Bürger hier in 2022 erwarten?

Wir sind in diesem Fördertopf und haben das auch im Haushalt für 2022 eingeordnet. Hier bestand das Problem, dass wir von einer hundertprozentigen Förderung ausgegangen sind. Dann wurde uns mitgeteilt, dass der Landesanteil von zehn auf fünf Prozent reduziert wird. Das heißt, wir müssen fünf Prozent Eigenmittel aufbauen - die haben wir im Haushalt.

Jetzt sind wir in der Detailverteidigung der Maßnahme, also in der Entwurfsphase. Wir erwarten jetzt, dass der Fördermittelbescheid kommt und wir dann starten können. Vom Entwurf zur Ausführung ist es eigentlich nicht weit. Wir sind optimistisch, dass wir dieses Jahr mit dem Bau beginnen. Oder zumindest die Ausschreibung durchführen können und die Verträge sichern.

Welche Projekte konnten im vergangenen Jahr umgesetzt werden?

Wichtig war die Ortsdurchfahrt Schierau. Das ist eine Aufgabe des Landkreises, wir haben dort mitgewirkt. Dann sind wir an der Schierauer Kita in den letzten Zügen. Hier gibt es coronabedingt wieder Verzögerungen. Bei der Hauptstraße in Jeßnitz ist die Freigabe erfolgt. Dann hatten wir auch noch die Ortsdurchfahrt Marke, hier hat der Landkreis eine neue Straßendecke aufgezogen. Außerdem haben wir jetzt über die Hälfte der Straßenbeleuchtung erneuert, also auf LED umgestellt. Das waren die größten Baumaßnahmen. Es sind schon erhebliche Summen, die hier investiert wurden.

Was steht in diesem Jahr an?

Dieses Jahr wird relativ ruhig, was Baumaßnahmen betrifft - wir haben die Kita in Raguhn. Aber wir bereiten auch etliches vor, unter anderem die Ortsdurchfahrt Priorau für 2023. Dann sind wir an dem Feuerwehr-Neubau in Retzau dran. Hier sollten die Vorbereitungen dieses Jahr so weit es geht abgeschlossen werden. Dann wollen wir die Ortsdurchfahrt Altjeßnitz sanieren. Auch bei der Raguhner Rathausstraße und der Verbindungsstraße Marke-Raguhn sind wir in der Vorbereitung. Beim Bahnhofsvorplatz in Jeßnitz sind wir coronabedingt etwas in Stillstand geraten - das legt sich jetzt. Und bei der Begegnungsstätte in Raguhn kann es losgehen, sobald der Fördermittelbescheid kommt. Eine Fragestellung für uns bleibt, wie es mit der B6n weitergeht.

Im Stadtrat wurde vergangenes Jahr viel gestritten, und zwar nicht immer nur in der Sache. Teils sind persönliche Animositäten kaum zu überhören. Beeinträchtigt das eine effektive Arbeit im Sinne der Bürger?

Die persönlichen Befindlichkeiten einiger Stadträte sollten abgelegt werden, es geht da nicht um die Sache. Das bringt uns nicht vorwärts. Sicher habe ich Verständnis dafür, dass Stadträte für ihre Ortschaft kämpfen - das ist normal. Letztendlich geht es aber um die Entwicklung der Stadt Raguhn-Jeßnitz und da sollte man die persönlichen Befindlichkeiten auch mal zurückstellen können. Das wäre so ein kleiner Wunsch des Bürgermeisters.

Apropos Wünsche. Gibt es noch weitere fürs neue Jahr?

Ein ganz großer Wunsch wäre eine strategische Ausrichtung der Pandemielage - um zu wissen, was uns erwartet, wie wir uns darauf einstellen und was wir vorbereiten können. Das ist in der jetzigen Situation überhaupt nicht geschehen. Wir springen ja förmlich hin und her. Bauen Impfzentren auf und wieder ab und wieder auf. Testen, testen nicht.

Die Situation ist vollkommen unbefriedigend. Wie erfolgt 2022, 2023, 2024 die Bekämpfung der Pandemie - das muss der Bund klären. Es muss eine klare Ausrichtung geben. Was haben die Kommunen in dieser Situation für Aufgaben zu erfüllen? Da muss es endlich mal eine klare Kommunikation seitens der Regierung geben - bis runter zu den Bürgermeistern der Städte - um die Bevölkerung mitzunehmen. Das ist bislang nur Chaos, man muss es so sagen. Es ärgert mich wirklich, dass man dort keine klare Linie fährt.