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Teelöffel-Prozess am Landgericht Dessau Nach Flucht bei Haftprüfung in Bitterfeld - Zug kollidiert bei Verfolgungsjagd mit Fluchtauto

Die Verfolgungsjagd mit der Polizei endete für den Angeklagten in einem Gleisbett. Zuvor war der 29-Jährige mit selbstgebastelter Waffe aus Gericht geflohen.

Von Thomas Steinberg 19.06.2021, 12:00
Das Amtsgericht in Bitterfeld
Das Amtsgericht in Bitterfeld (Foto: André Kehrer)

Dessau/Bitterfeld - Die Beute war bescheiden. „Kabelbinder, Kugelschreiber. „Nichts von Bedeutung“, zuckt der Zeuge, Mitarbeiter einer Spedition in Salzfurtkapelle, die Schultern. 30 Euro Wert hatte das Diebesgut. Und doch hätte der Einbruchdiebstahl in einer Märznacht des vorigen Jahres in einer Katastrophe enden können. Denn nur wenig später fuhr ein Regionalzug mit Tempo 120 bei Bobbau in das Fluchtfahrzeug.

Vor dem Landgericht Dessau wird derzeit gegen einen 29-jährigen Mann verhandelt, dem etliche Straftaten zur Last gelegt werden. So hat er auf der Flucht bei einem Haftprüfungstermin am Amtsgericht Bitterfeld ein Auto gestoppt, die Fahrerin mit einem im Gefängnis zum Messer geschliffenen Teelöffel bedroht und ihr Fahrzeug geraubt. Die Frau ist auch ein Jahr nach der Tat schwer traumatisiert.

Diese Tat hat der Angeklagte zugegeben, ebenso den Einbruch in Salzfurtkapelle

Diese Tat hat der Angeklagte zugegeben, ebenso den Einbruch in Salzfurtkapelle, bei dem er mit einem Mann unterwegs war, den er Juri nennt - näheres ist über den Komplizen nicht bekannt. Beobachtet wurde der Einbruch von einem Sicherheitsmann, der eine Beschreibung des Fahrzeugs und das Kennzeichen an die Polizei meldete.

Wenig später war ein Streifenwagen zum Tatort unterwegs. Dessen zweiköpfiger Besatzung kam das Fluchtfahrzeug, ein Audi A4, entgegen. Die Polizisten wendeten, nahmen die Verfolgung auf, zunächst mit etwas Distanz. Als man Bobbau erreichte, schalteten sie das Blaulicht ein. Der A4 beschleunigte, bog in einen Feldweg ein, von dem die Polizisten wussten, dass der vor dem Bahndamm endete.

In der Nacht sehen die Polizisten nur einen Mann aus dem Fluchtauto aussteigen und davonlaufen

Aber wohl nicht der Fahrer. Der steuerte geradewegs auf die Gleise zu, der Audi hob ab, blieb auf den Schienen liegen. In der Nacht sehen die Polizisten nur einen Mann aussteigen und davonlaufen. Sie rennen hinterher, der jüngere ist schneller, und um die Orientierung nicht zu verlieren, feuert der zweite Polizist einen Warnschuss ab. Sein Kollege kann den Flüchtigen schließlich festnehmen.

„Wir wollten gerade die Bundespolizei anrufen“, erinnert sich einer der Beamten, „damit die Strecke gesperrt wird. Da sahen wir auch schon die Lichter des Zuges.“ Der habe, sagt der Polizist, den Audi „weggerammt“. Das Fahrzeug hob ab, Teile flogen durch die Luft, die Polizisten gingen in Deckung.

Auf 33.000 Euro belaufen sich die Kosten für die Reparatur des Zuges

Nach einigen hundert Metern stand der Personenzug. Verletzt wurde bei der Kollision niemand. Doch der Zug wurde beschädigt, auf 33.000 Euro belaufen sich die Kosten für die Reparatur. 13 Züge verspäteten sich, bevor die Strecke wieder freigegeben werden kann. Den Gesamtschaden gibt die Bahn mit 85.000 Euro an.

Die Verhandlung wird am 1. Juli fortgesetzt. (mz)