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Gerhard Richter Abschied von einem der größten Maler Deutschlands

Aktualisiert: 27.09.2021, 15:23
Dies ist zwar kein Gemälde von Gerhard Richter, jedoch beeindruckte er unter anderem mit wunderschönen Landschaftsbildern
Dies ist zwar kein Gemälde von Gerhard Richter, jedoch beeindruckte er unter anderem mit wunderschönen Landschaftsbildern (Foto: Pixabay.com © Larisa-K CCO Public Domain)

Der gebürtige Dresdner steht auf vielen Künstler-Ranglisten weltweit an erster Stelle. Sein Entschluss, im Alter von 88 Jahren den Pinsel aus der Hand zu legen, traf in der Kunstwelt nicht auf Begeisterung. Er selbst sagt jedoch: „Irgendwann ist eben Ende. Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt.“ Gerhard Richter gilt als höchstdotierter, lebender Maler. Die drei großen Kirchenfenster für das Kloster Tholey im Saarland bezeichnet er als seine letzten Werke, in seinem Verzeichnis sind sie mit der Nummer 957 registriert.

Eine seiner Eigenschaften: Bescheidenheit

Gerhard Richter ist trotz seines großen Erfolges jederzeit auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Er ist als äußerst bescheidener Mensch bekannt, Aufsehen um seine Person empfand er Zeit seines Lebens als unangenehm. Dies führte dazu, dass er seit langem in der Öffentlichkeit nur noch selten zu sehen ist. Gesundheitliche Einschränkungen sowie die Corona-Pandemie trugen außerdem dazu bei, dass er sich in sein Haus im Kölner Villenviertel Hahnwald zurückgezogen hat. Während andere Berühmtheiten, darunter die schwedische Popgruppe Abba, noch einmal einen Neustart wagen, zieht sich der Maler im höheren Alter dezent zurück.

Werdegang

Das Geburtsjahr von Gerhard Richter ist 1932, etwa 30 Jahre später begann seine Malerkarriere. Noch heute erinnert er sich an die Stadt Dresden in früheren Zeiten, die damals noch nicht zerstört war. Sein Studium begann er im Jahr 1951 an der Kunstakademie Dresden. Er berichtet, dass man in der dortigen Bibliothek keine Bücher ab dem Impressionismus ausleihen durfte.

Während seiner Studienzeit waren Reisen aus dem Osten noch möglich. Er entschloss sich, mit einem Freund nach Kassel zu trampen. Auf der Documenta genoss er 1959 die Werke von Lucio Fontana, Jackson Pollock und anderen. 1961 zog er in den Westen, wobei es ihm wirtschaftlich zunächst schlechter ging als zuvor.

Die Finanzierung seines Studiums war nicht einfach. Bis heute hat Gerhard Richter nicht vergessen, dass er einmal für einen Karnevalswagen einen Eber und sechs kleine Schweinchen aus Pappmaché baute – auf diese Art und Weise besserte er sein eng bemessenes Budget auf. Dies ist lange her, später sah es gänzlich anders aus: Im Jahr 2015 erzielte ein abstraktes Bild von ihm bei Sotheby´s in London umgerechnet 41 Millionen Euro.

Wer so lange wie der Dresdner Maler erfolgreich seine Bilder verkaufte, hat den Wandel der Zeit intensiv erlebt. Früher musste man teilweise weit reisen, um ein begehrtes Werk zu ersteigern oder direkt vom Künstler zu erwerben. Möchten wir heute das passende Gemälde finden, schalten wir den Computer an, treffen gemütlich von der Couch aus unsere Entscheidung und nehmen es an der Haustür in Empfang.

Über das Internet finden wir ein fantastisches Angebot an Bildern jeder Art.
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(Foto: Pixabay.com © eluela31 CCO Public Domain)

Ist sein Abschied wirklich das Ende einer Ära?

Neben der Malerei hat Gerhard Richter auch Skulpturen angefertigt. Sämtliche Meisterwerke sind in seinem Verzeichnis aufgenommen. Allerdings berichtet Dietmar Elger, Leiter des Gerhard-Richter-Archivs in Dresden und Biograf des Künstlers, dass Arbeiten mit Nummer eher eine Ausnahme darstellen. So kann man davon ausgehen, dass die Ziffer 957 für die drei Kirchenfenster die reale Anzahl an künstlerischen Werken weit übersteigt.

Die Künstlerwelt denkt darüber nach, ob Gerhard Richter wirklich das „Aus“ eingeläutet hat oder irgendwann wieder mit einem Kunstwerk überrascht. Sie fragen sich, ob es wirklich das Ende einer einzigartigen Ära ist. Tatsache ist: Der Künstler hatte bereits vor zehn Jahren schon einmal auf ähnliche Art und Weise seinen Abschied in den Raum gestellt. Danach überraschte er jedoch mit unzähligen Gemälden, teilweise in außergewöhnlicher Größe.

Von der Hand zu weisen ist allerdings nicht, dass Beobachter zuletzt oft ein etwas mulmiges Gefühl hatten, wenn sie den älteren Herren auf die Leiter steigen sahen. Zur Bearbeitung der riesengroßen Leinwände war er bis zum Schluss überaus aktiv im Einsatz: Er pinselte nicht nur, sondern kratzte und spachtelte oder zog zum Verwischen der Farben mit einem Schieber quer über das jeweilige Bild – ohne Kraftanstrengung wäre dies nicht möglich gewesen. Mittlerweile sagt er selbst, dass er es nicht mehr schafft. Seine Worte: „Bilder kommen glaube ich nicht mehr“, was ja auch „kein Wunder mit 88“ sei.

Was macht Gerhard Richter nach Beendigung seiner Karriere?

Liebhaber der Werke von dem berühmten deutschen Künstler fragen sich, womit er nunmehr seine Freizeit füllt. Es sieht so aus, als könne Gerhard Richter nicht einfach entspannen. Vielmehr zieht er weiterhin Beschäftigung vor. Fragt man ihn, kommt die Antwort: „Ach, ich mache das und das. Grabe rum, bringe in Ordnung, muss Briefe beantworten. Ich habe immer was zu tun.“

Ganz so simpel scheint er sein Leben jedoch weiterhin nicht zu gestalten. Tatsächlich ist er noch immer schöpferisch tätig. Er widmet sich dem Zeichnen, wobei er seinen bekannten Fleiß an den Tag legt. Gerhard Richter kreiert zurzeit kleinformatige, abstrakte Bleistiftarbeiten. Sie greifen das Formenrepertoire seiner Gemälde auf, wobei er Farbestifte sowie Fettkreide nutzt. Wer die Ausstellung im Dresdner Albertinum 2020 besucht hat, konnte sich selbst von den rund 70 neu entstandenen Werken des Künstlers überzeugen.

Er selbst kündigte an, dass wahrscheinlich noch was in dieser Richtung kommen wird. Er spricht dabei von farbig-abstrakten Skizzen, die er selbst als „nicht so doll“ bezeichnet. Damit bringt Gerhard Richter wieder einmal seine selbstkritische Haltung zutage. Sie führte in der Vergangenheit ab und an dazu, dass er seine eigenen Gemälde nach Vollendung zerstörte. Da der Künstler niemals weder auf das Attraktive noch Dekorative hinzuarbeiten versucht, kommt ihm diese selbstkritische Distanz in jedem Fall zugute.