Fußball-WM 1974 Fußball-WM 1974: Schön saß auf gepackten Koffern
München/MZ. - Die schlechte Stimmung hatte schon lange vordem Beginn des Turniers geherrscht. Wir hocktenzu eng aufeinander in der spartanisch eingerichtetenSportschule von Malente - es kamen Aggressionenauf. Dazu schwelte noch der Prämienstreitzwischen Verband und Mannschaft. Wir forderten100000 Mark für den Titelgewinn, der DFBbot 30000 - irgendwann haben wir uns auf70000 geeinigt.
Helmut Schön, unser harmoniebedürftiger Trainer,war von dem ganzen Gezerre tief enttäuscht.Er saß in diesen Tagen mehrmals auf gepacktenKoffern. Schön verstand die Welt nicht mehr,und weil er Paul Breitner als Rädelsführerdes Prämienstreits ausgemacht zu haben glaubte,kam es zum Streit zwischen Schön und Paul.Breitner war danach so sauer, dass auch erabreisen wollte. Wir haben in dieser Nachtbis morgens um sechs Uhr, die Vögel zwitschertenschon, miteinander gesprochen - der Paul blieb,schoss das wegweisende 1:0 gegen Jugoslawienund verwandelte schließlich den ganz wichtigenElfmeter im Finale gegen Holland.
Spätestens nach der Niederlage gegen die DDRhatten alle begriffen: So kann es nicht weitergehen. Nach Lösung des Prämienkrachs kehrtewenigstens ein bisschen Ruhe in den Kaderein, und auch die Luftveränderung von Malentenach Kaiserau tat dem Klima innerhalb derMannschaft gut, obwohl wir nur von einem "Gefängnis"ins nächste verlegt worden waren.
Ich hatte nun das Gefühl, dass Helmut SchönHilfe brauchte. Ein Indiz dafür war, dasser mich - was er vorher nie getan hatte -bat, ihn zu einer Pressekonferenz zu begleiten.Wir saßen in irgendeinem Hinterzimmer einesGasthauses und Schön erklärte in der ihm eigenendiplomatisch-feinen Art den rund 30 anwesendenJournalisten - heute wären?s 300 und du bräuchtestden großen Saal eines Rathauses - die Lage.Ich wurde deutlicher. Klipp und klar forderteich: Jetzt muss ein Ruck durch diese Mannschaftgehen, jetzt müssen wir endlich alle an einemStrang ziehen. Wir taten es fortan. Quasivon 0 auf 100 haben wir uns gesteigert, schongegen Jugoslawien boten wir ein ansehnlichesSpiel und gewannen durch Tore von Paul Breitnerund Gerd Müller 2:0. Die Zwischenrunde beendetenwir mit 6:0 Punkten und standen im Endspiel.
Zwei Tage vor dem Finale, als wir schon nachMünchen umgezogen waren, lud ich die kompletteMannschaft zu mir nach Hause ein. Ich wohntedamals in Grünwald, nicht weit weg vom Quartier.Es wurde ein schönes, feucht-fröhliches Festund jeder spürte: Jetzt sind wir endlich eineMannschaft. Wirklich: Jeder hatte nach diesemAbend das Gefühl - die Holländer hauen wirweg. Und genauso ist es dann ja auch gekommen ...