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Reporter beim HFC-Fanradio Schulleiter Slowig zeigt vollen Einsatz für „Chemie“

19.04.2021, 07:45

Halle (Saale) - Das war eine Sternstunde für Andreas Slowig als Fanreporter des HFC: Eine Minute vor Schluss lagen die Rot-Weißen gegen den KFC Uerdingen noch 0:1 zurück. Doch dann drehte der Fußball-Drittligist durch die späten Treffer von Stipe Vucur und Terrence Boyd noch die Partie.

„Das war ein unbeschreibliches Gefühl, da mussten die Emotionen raus“, gesteht der 48-jährige Hallenser freimütig nach seinem überbordenden Jubel. Dass der Lehrer für Deutsch und Geschichte so aus sich herausgeht, kommt eher selten vor. Kein Wunder.

Denn im „richtigen“ Leben leitet Andreas Slowig eigentlich das Christian-Wolff-Gymnasium in Halle-Neustadt und da muss er seine Gefühle meist im Zaum halten. Im Stadion aber, da kann er dem Herzblut freien Lauf lassen. Dass ihr Schulleiter ein Fan-Reporter beim HFC ist, finden seine Schüler cool. Von den Lehrern erntet er dagegen auch mal Stirnrunzeln. Doch das ficht ihn nicht an. „Das Fanradio ist ein wichtiger Ausgleich zu meinem stressigen Beruf“, sagt der Fußball-Liebhaber.

HFC-Ultras grillten für Kindergartenkinder

Der zweifache Familienvater, der viele Jahre lang auch im Volleyball-Team des SV Halle spielte, ist erst auf Umwegen zum Fanradio gestoßen. Durch Zufall traf er einst auf Andreas Wolf, den langjährigen Fanbeauftragten des HFC. Das geschah bei einem Arbeitseinsatz in jenem Kindergarten, in den seine beiden heute 13 und 17 Jahre alten Söhne gingen. Schnell war man sich einig, etwas für die Imagepflege des Fußballvereins zu tun. Und so organisierten beide unter anderem Stadionbesuche mit Schülern aus dem Gymnasium, in dem Andreas Slowig damals unterrichtet hat.

Es entstand eine enge Zusammenarbeit. „Die Ultras haben sogar für unsere Mädchen und Jungen gegrillt, das war eine tolle Sache“, erzählt der fußballbegeisterte Pädagoge. Er lernte dabei auch Steffen Kluge und Uwe „Krümel“ Striesenow kennen, die das Fanradio vor über zehn Jahren aus der Taufe gehoben haben. Seither begleiten Anhänger des Vereins als Live-Berichterstatter im Internet die Spiele des HFC.

Als sie Slowig eines Tages fragten, ob er sich zutraue, mal eine Partie live zu kommentieren, ließ der sich nicht lange bitten. Im August 2102 feierte er beim Spiel des HFC gegen Unterhaching sein Debüt am Mikro. „Damit ging ein Jugendtraum von mir in Erfüllung“, so der Schulleiter, der nach dem Abitur Sportjournalist werden wollte. Das klappte in den Wirren nach dem Mauerfall nicht. Er wurde Lehrer. Seit 2011 leitet er das Wolff-Gymnasium.

HFC-Fanradio: Reporter Andreas Slowig wuchs in Halle-Neustadt auf

Inzwischen gehört der Hallenser zum festen Stamm der Fan-Reporter. Er hat spektakuläre Spiele erlebt, musste aber auch schon „grausame Nullnummern“ und bittere Niederlagen der Rot-Weißen schildern. Besonders emotional sind die Begegnungen, in denen dem HFC kurz vor Schluss der Siegtreffer gelingt, so wie gegen Uerdingen oder Magdeburg, wo Terrence Boyd in der Nachspielzeit zum 1:0 getroffen hatte.

Aufgewachsen in Halle-Neustadt jagte Andreas Slowig bereits als Kind hinter den Wohnblöcken mit anderen Jungs dem Ball nach. „Wir waren eine verschworene Truppe“, denkt der einstige Straßenfußballer gern an diese Zeit zurück. Egal, ob die Eltern der Sprösslinge promovierte Chemiker, Lehrer, Elektriker, Maurer oder „Buna-Pelzer“ waren, die Herkunft spielte auf den Bolzplätzen keine Rolle.

Dass der Fußball alle sozialen Schichten vereint, das findet der Lehrer auch heute noch gut beim HFC, dessen Motto nicht von ungefähr „Nur zusammen“ lautet. Schon mit acht Jahren hat ihn die rot-weiße Leidenschaft gepackt. Gemeinsam mit seinem Vater erlebte er damals sein erstes Oberliga-Spiel zwischen dem HFC und Buna Schkopau. „Ich war fasziniert von der Atmosphäre im Stadion. Das hat mich nicht mehr losgelassen“, gesteht der HFC-Fan.

„Ich würde mir wünschen, dass meine Nerven nicht mehr so oft strapaziert werden“

Als er noch in Halle-Neustadt zur Schule ging, hat er Dariusz Wosz, Rene Tretschok und Steffen Karl, die später als Profis Karriere machten, bewundert. Nach dem Abitur konnte er sogar den Aufstieg des HFC in die 2. Bundesliga bejubeln. Als Student durchlitt er danach die schlimmste Zeit des Vereins. Der HFC, der 1991 den Zusatz „Chemie“ abgelegt hat, wurde bis in die fünfte Liga durchgereicht und entging nur knapp einer finanziellen Pleite.

Im Rückblick erscheint es ihm fast wie ein Wunder, dass der Traditionsverein dem Schlamassel entronnen ist und nun schon die neunte Saison hintereinander in der dritten Profiliga spielt. Was nicht selbstverständlich ist, wie die letzten Wochen zeigten. Doch die Hallenser scheinen mit dem Fußball-Gott im Bunde zu sein, was man nach dem spektakulären Last-Minute-Erfolg gegen Uerdingen vermuten könnte.

„Ich würde mir allerdings wünschen, dass meine Nerven nicht mehr so oft strapaziert werden“, sagt der ungewöhnliche Fan-Reporter. Slowig hofft, dass der HFC bald den Klassenerhalt sichern kann und spätestens zur neuen Saison auch wieder die Fangesänge im Erdgas Sportpark erschallen. (mz/Wolfram Bahn)