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Niederlage gegen RB Leipzig Dardai nach nächstem Debakel nett - „Irgendwann kalte Suppe“

0:5 und Dardai nörgelt, 0:6 und Dardai lächelt. Hertha BSC hangelt sich in der Hoffnung auf baldige Besserung von Debakel zu Debakel. Der Chefcoach hat zwischen den Klatschen in München und Leipzig einen Rollenwechsel vollzogen.

Von Arne Richter und Tom Bachmann, dpa Aktualisiert: 30.09.2021, 15:33
Denkt trotz der zwei hohen Niederlagen von Hertha BSC nicht an Rücktritt: Trainer Pal Dardai (M).
Denkt trotz der zwei hohen Niederlagen von Hertha BSC nicht an Rücktritt: Trainer Pal Dardai (M). Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin - Am Morgen nach dem nächsten Debakel suchte sich Pal Dardai erstmal einen schönen Platz in der Sonne. Ausgeschlafen und scheinbar bester Laune, erklärte der Trainer von Hertha BSC auf dem im milden Herbstlicht leuchtenden Trainingsplatz die Lage der Dinge nach dem 0:6 bei RB Leipzig.

Krise? Nörgeleien? Pessimismus? Rücktrittsgedanken? Ach, i wo! Von Dardai als beleidigter Leberwurst mit gekränktem Hertha-Herzen wie vor vier Wochen nach dem 0:5 beim FC Bayern München war nichts zu spüren.

„Wer mich kennt, weiß, Pal kommt jeden Tag mit vollem Akku und motiviert zum Training und versucht, die Spieler wie eigene Söhne zu behandeln, jeden Spieler zu verbessern“, sagte der 45-Jährige am Sonntagmorgen. „Auch heute bin ich mit guter Laune gekommen.“

Bobic: „Müssen uns bei unseren Fans entschuldigen“

Diesen offensichtlich zur Schau gestellten Zweck-Optimismus hat Dardai bei der Hertha momentan exklusiv. Millionen-Investor Lars Windhorst, bekanntermaßen mit dem kauzigen Trainer nicht auf einer Wellenlänge, hatte seine Gemütslage nach dem Leipzig-Desaster schon kundgetan. „Wow! Bin etwas geschockt grad und brauche gleich einen Drink“, schrieb Windhorst nach einem Treffen mit Fürst Albert von Monaco auf einer Luxusjacht im Mittelmeer in einem WhatsApp-Zirkel.

Auch Geschäftsführer Fredi Bobic war nach dem kollektiv desaströsen Auftritt der Berliner überhaupt nicht nach irgendeiner Form von Beschwichtigungs- oder Befriedungspolitik. „Auf dem Platz ist jeder seinen Ansprüchen ganz weit hinterhergehinkt. Wir müssen uns bei unseren Fans für den Auftritt entschuldigen. So einen Auftritt möchte ich in der Form nicht mehr sehen“, attackierte Bobic bei Sky vornehmlich die Mannschaft.

Dardai stell sich schützend vor sein Team

Natürlich wird in Berlin weiter über die Rolle Dardais geredet. Es gilt als offenes Geheimnis, dass das Windhorst-Lager den Daumen schon gesenkt hat. Nur ein bezahlbarer Ersatzkandidat, der sportlichen Aufschwung garantiert, ist nicht bei der Hand. Der in Bremen gescheiterte Florian Kohfeldt soll trotz hartnäckiger Gerüchte nicht auf der Liste stehen. „Diskussionen haben wir ständig. Das wissen wir, wenn du im Tagesgeschäft bist. Da hängst du von Ergebnissen ab“, sagte Bobic eher ausweichend zur Trainer-Personalie.

Nach dem ersten Debakel in München hatte Dardai seinen Posten quasi selbst zur Verfügung gestellt und nach seiner generellen Moserei an der Situation der Berliner einen Rüffel von Bobic und Windhorst kassiert. Auch jetzt bewertete Dardai die Lage unterschiedlich und stellte sich schützend vor sein wieder einmal hilf- und orientierungsloses Team. „Wir haben vor ein paar Wochen eine neue Mannschaft bekommen“, meinte Dardai zu den vielen neuen Akteuren, man müsse sich erst finden. Viele verletzte Spieler verkomplizierten die Lage zusätzlich. Diese Argumentation hört man bei der Hertha seit fast zwei Jahren.

„Grob“ ist man „einen Punkt im Minus“

Den Dissens mit Bobic findet der Coach nicht schlimm: „Man kann nicht immer die gleiche Meinung haben. Wenn man seiner Frau jeden Tag erzählt, alles ist gut, bekommst du irgendwann kalte Suppe“, erklärte er im typischen Dardai-Duktus. „Ich habe null Probleme mit Fredi. Da hat jeder seine Meinung, umso besser. Wenn jeder das Gleiche sagt, dann hat man Probleme“, meinte die Club-Ikone.

Trotz der Klatschen in München und Leipzig sieht Dardai seine Mannschaft mit sechs Zählern aus sechs Spielen sogar fast im Soll. Die besiegten Aufsteiger Bochum und Fürth oder Freiburg als nächster Gegner seien die Kategorie, mit der man sich messen könne. Genau diese erschreckend realistische Selbsteinschätzung macht Dardai bei Windhorst und Co. unbeliebt.

„Grob“ sei man „einen Punkt im Minus“. Die hohen Niederlagen hätten weh getan und seien ein „Weckruf“. Aber: „Wir haben unsere Qualität, da hab ich ein Riesenvertrauen und Fantasie. Wir arbeiten eng zusammen“, sagte Dardai und lächelte in die Sonne.