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Kleines Geister-Jubiläum für Fußball - Seehofer bremst Hoffnung

Für die Fußball-EM plant die UEFA mit in Corona-Zeiten fast unwirklichen Zuschauerzahlen. In der Bundesliga hingegen herrscht schon über ein halbes Jahr der Geisterspielbetrieb.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa 12.05.2021, 11:02
Auch die Meisterschaft 2021 musste der FC Bayern vor leeren Zuschauerrängen feiern.
Auch die Meisterschaft 2021 musste der FC Bayern vor leeren Zuschauerrängen feiern. Peter Kneffel/dpa-Pool/dpa

Frankfurt/Main (dpa) - 

Das menschenleere Berliner Olympiastadion beim DFB-Pokalfinale ist das ideale Sinnbild. Fangesänge, volle Kurven und bunte Choreographien gehören nicht zur neuen Normalität inmitten der Corona-Pandemie. 

Der Geisterfußball, der am Tag des Endspiels Dortmund gegen Leipzig am Donnerstagabend in Deutschland schon 200 Tage andauert, bleibt für Vereine und Spieler aber ein Zustand, der schnellstmöglich überwunden werden soll. „Uns fehlen die Fans“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Der deutsche Rekordmeister hat gar seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 keine Zuschauer mehr in der heimischen Arena zulassen dürfen.

Umso überraschender wirkte der Wunsch, den Rummenigge im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF äußerte. „Ich hoffe und wünsche mir, dass wir vielleicht beim letzten Spiel sogar vor einigen Zuschauern hier spielen dürfen“, sagte Rummenigge und begründete dies unter anderem mit dem Abschied von Profis wie David Alaba oder Jérôme Boateng sowie dem letzten Spiel von Triple-Sieger-Trainer Hansi Flick, der den Verein im Sommer verlassen wird. Alleine solche Argumente dürften die Politik nicht besonders interessieren.

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte bereits im dpa-Interview, dass es trotz der aktuell positiven Entwicklung zu früh für eine  Fan-Rückkehr in den Stadien sei. „Im ersten Schritt geht es um die Gastronomie, um die Kultur, um den Handel“, sagte der CSU-Politiker mit Blick auf Ausnahmen, die für Menschen gelten sollen, die geimpft oder von Covid-19 genesen sind. „Im nächsten Schritt kann man sich dieser Frage zuwenden.“ Wenn sich 5000 geimpfte Zuschauer in einem für 80.000 Menschen geeigneten Stadion verteilten, sei das an sich kein Problem. Man müsse aber auch an An- und Abreise denken.

Im August - nach der EM und der langen Liga-Sommerpause - könnte die Lage ohnehin ganz anders aussehen. Darauf hofft auch DFB-Arzt Tim Meyer, der als Leiter der Task Force Sonderspielbetrieb seit über einem Jahr großen Einfluss auf die Durchführung der Spiele inmitten der Pandemie hat. Die Zulassung von Zuschauern ab Sommer hält der Arzt für realistisch. „Sicher nicht gleich wieder 100 Prozent, aber Geisterspiele werden hoffentlich nicht mehr notwendig sein, wenn wir davon ausgehen, dass die infektiologischen Prognosen zutreffen.“

Anschauungsunterricht dafür könnte es bereits im Juni geben. Dann sollen europaweit an allen elf Standorten - also auch in München - Fans die EM-Spiele live verfolgen können. Für den ambitionierten Plan nahm die UEFA sogar kurzzeitig Veränderungen vor und ersetzte Bilbao durch Sevilla, zudem wurden Dublin alle Spiele entzogen. Russland mit St. Petersburg plant mit bis zu 35.000 Zuschauern, in Ungarns Hauptstadt Budapest soll sogar Vollauslastung herrschen.

Ob es in Deutschlands Stadien zur Saison 2021/22 auch so schnell und mit solchen Zahlen klappt, ist offen. Rückkehrkonzepte haben die Vereine längst erstellt. Bemerkenswert ist auch: Aus den Fanszenen war zum Thema Zuschauerrückkehr im vergangenen halben Jahr seit Beginn der zweiten Corona-Welle recht wenig zu hören. Dies könnte auch daran liegen, dass die Teilzulassung im September und Oktober untermauerte, wie sehr sich das streng regulierte Stadionerlebnis in Zeiten von Corona vom gewohnten Ablauf vor Pandemiebeginn unterschied.

Wenn es wieder losgeht, wollen die Fans auf jeden Fall beteiligt werden. Dies sagte Helen Breit, Vorsitzende der Initiative „Unsere Kurve“, der Deutschen Presse-Agentur: „Es darf nicht nochmal passieren, dass Öffnungsszenarien ohne Beteiligung von organisierten Fans durchgespielt werden. Gäste-Fans, Stehplätze, potenzielle Kontaktnachverfolgung, aber auch die freie Wahl von Getränken - dies alles muss unter Beteiligung von Fans entschieden werden.“

Dass es bei einer Rückkehr direkt wieder volle Stadien geben könnte, glaubt Breit nicht. „Verfolgt man die Entwicklungen, wird es wohl kaum eine Öffnung von null auf hundert geben. Das Stimmungsbild in den Fanszenen ist ähnlich heterogen wie bei den letzten Öffnungsszenarien.“ Für „Unsere Kurve“ gelte laut Breit das Motto: „Solche Entscheidungen müssen gesamtgesellschaftlich stimmig sein, der Fußball darf hier keine Sonderrolle einnehmen.“ Das „verantwortungsbewusste Handeln“ sei in diesem Fall wichtiger „als eine möglichst schnelle Rückkehr ins Stadion“.