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Fußball-EM Von der „Last der Welt“ erlöst: Sanches' München-Rückkehr

Mit München verbindet Renato Sanches nicht die besten Erinnerungen. Als künftiger Weltstar wurde die einstige EM-Überraschung gepriesen - mit dem Makel eines Flops verließ er den FC Bayern. Nun gibt es ein Wiedersehen bei der Endrunde.

Von Martin Moravec, dpa 17.06.2021, 14:11
Portugals Renato Sanches rennt bei einer Trainingseinheit über den Platz.
Portugals Renato Sanches rennt bei einer Trainingseinheit über den Platz. Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Budapest - Mit konzentriertem Blick absolvierte Renato Sanches an der Seite der portugiesischen Anführer Cristiano Ronaldo und Pepe ein leichtes Aufwärmprogramm beim EM-Titelverteidiger.

Die Shorts hatte das Kraftpaket mit den Rastalocken bei strahlendem Sonnenschein in Budapest bis zum Anschlag hochgezogen.

Vollgas durfte das einstige Versprechen auf eine Weltkarriere bei dieser Fußball-Endrunde bislang nur etwas mehr als zehn Minuten geben. Aber eigentlich ist das schon ziemlich viel für einen immer noch erst 23-Jährigen, der beim FC Bayern München so selten das zeigte, was in ihm steckt. Nun kehrt er zum zweiten Gruppenspiel am Samstag (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) gegen Deutschland in sein altes Heimstadion zurück.

„Er ist einer der besten jungen Spieler in Europa“, sagte einst der frühere Bayern-Coach Pep Guardiola über diesen wuchtigen und einsatzfreudigen Mittelfeldspieler. „Er hat eine große Zukunft vor sich.“ Das dachte sich auch der FC Bayern - und handelte. Da war Guardiola aber schon zu Manchester City gewechselt.

Noch bevor Renato Sanches beim EM-Triumph Portugals 2016 zur Entdeckung des Turniers und auch als bester Nachwuchsspieler ausgezeichnet wurde, machten die Münchnern den Transfer perfekt. Zusammen mit der Rückkehr von Mats Hummels gaben sie auch den Coup mit dem erst 18-Jährigen von Benfica Lissabon bekannt. 35 Millionen Euro Ablöse kostete Renato Sanches damals.

In München kam der Teenager, der mit 18 Jahren und 328 Tagen als jüngster Spieler in einem EM-Endspiel auflief, aber nie richtig an. Weder unter Trainer Carlo Ancelotti noch unter Niko Kovac. Schon nach einer Saison wurde Renato Sanches, der sich zu oft auf dem Platz verzettelte, an Swansea City ausgeliehen. Paul Clement, einst Assistent Ancelottis beim FC Bayern, lotste den strauchelnden Jungstar in die Premier League. „Er war angeschlagener, als ich dachte“, erinnerte sich Clement. „Es war, als würde er die Last der Welt auf seinen Schultern tragen.“

Erwartungen, Druck. Auch in Englands Topliga kam Renato Sanches nicht richtig klar und kehrte nach München zurück. Zu Beginn der Saison 2018/19 hatte er dann ein ganz besonderes Spiel, und man meinte, jetzt packt er es an der Isar. Kovac vertraute Renato Sanches bei seinem Debüt in der Königsklasse bei Benfica Lissabon (2:0) - und der Portugiese lieferte ab. Ein Tor bereitete Renato Sanches an diesem 19. September 2018 vor, eins erzielte er selbst.

„Das war so besonders. Ich bin so glücklich“, sagte er damals. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge befand auf dem nächtlichen Bankett: „Du hast die Chance bravourös genutzt, Du hast sehr gut gespielt“. Im nächsten Spiel saß Renato Sanches wieder auf der Ersatzbank. Es folgten Undiszipliniertheiten und Motzereien über zu wenig Einsatzzeit. Jener Abend in Lissabon, vor den Augen seiner Familie, blieb sein bester für den FC Bayern.

So talentiert und immer noch so jung

Seit Sommer 2019 spielt Renato Sanches beim OSC Lille in Frankreich. Dort wird er gebraucht. Sogar Meister wurde er an der Seite seines Nationalteamkollegen Jose Fonte. Der Titel war ihm auch in Lissabon und München gelungen. „Individuell sehe ich das als eine große Leistung an, in drei verschiedenen Ländern zu gewinnen“, sagte er.

Mit Portugal will Renato Sanches nun den Titel verteidigen. Stammkraft ist er zwar nicht, beim 3:0 gegen Ungarn setzte Nationaltrainer Fernando Santos auf William Carvalho und Danilo Pereira als Absicherung vor der Abwehr. Mit seiner Entschlossenheit und seinem Tempo kann er im Mittelfeld aber noch wichtig werden. „Wenn wir unser Spiel durchziehen, müssen wir nicht auf die anderen schauen“, versicherte er selbstbewusst.

Dazu passt auch die Ansage von Mittelfeldlenker Bruno Fernandes, dass man die Insiderinformationen eines Renato Sanches oder André Silva (Eintracht Frankfurt) gegen Joachim Löws Mannschaft nicht brauche. „Wir müssen sie nichts fragen, weil wir die Spieler selber kennen“, sagte der Offensivspieler von Manchester United.