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Deutschland - Portugal Löw schwört sein Team energisch ein, plant aber keine großen Änderungen

Deutschland sucht den Super-Stürmer: Nach dem EM-Fehlstart gegen Frankreich muss vorne die Null weg. Löw plant keinen radikalen System- und Personalwechsel.

Aktualisiert: 18.06.2021, 19:12
Bundestrainer Joachim Löw beim Training der Nationalmannschaft in Herzogenaurach.
Bundestrainer Joachim Löw beim Training der Nationalmannschaft in Herzogenaurach. (Foto: imago/HMB-Media)

Herzogenaurach/München - Joshua Kimmich berichtete von einem emotionalen Weckruf des Bundestrainers, Joachim Löw nahm seine Führungsspieler nochmal richtig in die Pflicht. Von Selbstzweifeln und Verunsicherung ist vor der hitzigen Kraftprobe mit Portugals EM-Champions um Torminator Cristiano Ronaldo bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft jedenfalls nichts zu spüren.

Der Bundestrainer schwor seine Spieler mit einer leidenschaftlichen Ansprache auf das zweite Gruppenspiel am Samstag (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) in der Münchner Arena ein. „Er hat uns nochmal heiß gemacht. Er hat uns schon gesagt, dass wir jetzt langsam in den Wettkampfmodus kommen müssen“, erzählte Bayern-Profi Kimmich.

Löw machte genau deutlich, worauf es jetzt ankommt. „Wir brauchen viele Schlüsselspieler, wenn wir Portugal schlagen wollen“, sagte der 61-Jährige am Freitag kurz vor der Abfahrt aus dem Trainingscamp in Herzogenaurach nach München. Leichter als bei der nicht bestandenen Prüfung gegen den Weltmeister wird es jedenfalls gegen einen „ähnlich starken und eingespielten Gegner“ nicht. „Man muss jede Sekunde hellwach sein“, erklärte Löw bei Magenta TV und forderte: „Wir müssen mehr nach vorne spielen.“

Deutschland gegen Portugal: „Spiel gewinnen und weiterkommen“

Sonst droht der deutschen Nationalmannschaft gleich das nächste Turnierdesaster - und Löw ein DFB-Abschied ohne Applaus. Die Spieler haben verstanden. „Wir sind nicht hier, um Urlaub zu machen oder früh abzureisen. Es geht darum, dass wir das Spiel gewinnen und weiterkommen“, sagte Kimmich. Trotz des 0:1 gegen Frankreich sollten alle gegen die Portugiesen um Star Cristiano Ronaldo „Überzeugung in die eigene Stärke“ haben, betonte der Münchner.

Die energische Ansprache des Bundestrainers vor seinen 24 verfügbaren EM-Spielern um den nach einer kurzen Trainingsauszeit zurückgekehrten Angreifer Serge Gnabry auf dem Trainingsplatz dauerte mehrere Minuten. Schon vor der abschließenden Einheit noch im Basiscamp hatte Löw am Rande des Platzes die weitere Marschroute ausgegeben: „Wir haben alles noch in der eigenen Hand. Aber wir müssen uns steigern!“

Bei den letzten Worten ballte Löw mehrmals die Faust. Volle Power ist gefordert. Bei „30 Grad“, die Löw als Wettermann für Samstagabend vorhersagte, kündigt sich auch ein körperlicher Abnützungskampf an.

Ein Torjäger wie Cristian Ronaldo fehlt Deutschland

Anders als beim Titelgewinn 2016 in Frankreich haben die Portugiesen gleich im ersten Turnierspiel mit dem 3:0 in Budapest gegen Ungarn in die Spur gefunden und die Weichen Richtung Achtelfinale gestellt. Und Portugal hat halt Cristiano Ronaldo, den ewigen Nationalhelden, der nach den Toren Nummer zehn und elf gegen Ungarn EM-Rekordschütze ist.

Bei Deutschland wird dagegen ein verlässlicher Goalgetter und Spielentscheider seit Jahren vermisst. Aber vorne darf die Null nicht nochmal stehen. „Wir brauchen auf jeden Fall das eine oder andere Tor“, sagte auch Löw fast flehend. Nur Wille, Herz und Leidenschaft reichen nicht, um mit den Besten Europas mithalten zu können.

Mehr Mut, mehr Risiko, mehr Entschlossenheit mahnte Kimmich an. Aber wer taugt zum Matchwinner? Gnabry, Thomas Müller und Kai Havertz bildeten ein recht stumpfes Offensiv-Trio in Spiel eins.

Löw auf Stürmersuche: Wird Leroy Sané zur Lösung gegen Portugal?

Heißt Löws Lösung Leroy Sané? „Wir wissen, wie gut er ist, wie gut er uns tun kann“, warb Ilkay Gündogan für den mit Talent gesegneten Angreifer. Auch Timo Werner wartet auf sein „Go“ von Anfang an. Oder könnte der unbekümmerte Bayern-Youngster Jamal Musiala ein Tor-Joker sein? „Wir haben im Offensivbereich ein brutales Überangebot an Spielern“, sagte Champions-League-Sieger Werner. Quantität ist tatsächlich vorhanden - europameisterliche Qualität auch?

Deutschland war über Jahrzehnte das Land der Mittelstürmer: Uwe Seeler, Gerd Müller, Horst Hrubesch, Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff und und und. Die Liste reicht bis zu Miroslav Klose, dem DFB-Rekordtorschützen mit 71 Treffern, für den Löw seit dem WM-Triumph 2014 nach einem Nachfolger sucht. Die beste Torquote der jüngeren Vergangenheit verzeichnet noch Gnabry, der aber keine klassische Spitze ist, sondern beim FC Bayern auf dem Flügel spielt. Der 25-Jährige meldete sich zum Glück fit: Mit einem blauen Tape am linken Knie trainierte er wieder.

Was verändert Löw? Womöglich nichts - oder nur wenig. Es gab in der kurzen Zeitspanne zwischen Frankreich und Portugal keine Hinweise auf einen Systemwechsel. Löw könnte sogar derselben Startelf vertrauen, zumal er Leon Goretzka nach sechs Wochen Wettkampfpause zum wertvollen Helfer während des Spiels erklärte. „Er ist natürlich eine super Option in der zweiten Halbzeit. Sehr wahrscheinlich wird es so sein, dass man ihn bringt.“

Joachim Löw plant gegen Portugal keine großen taktischen Veränderungen

Für Löw geht es allenfalls „um Nuancen“, die angepasst werden müssen. „Portugal spielt etwas anders als Frankreich“, bemerkte der 61-Jährige. „Wir spielen voll auf Sieg“, versprach derweil forsch Abwehrspieler Matthias Ginter: „Wir können alles noch geradebiegen.“ Auch als Dritter ist ein Weiterkommen in der Hammergruppe F möglich. „All in“ gehen muss Löw in Spiel Nummer zwei noch nicht zwingend.

In gestenreichen Zwiegesprächen bereitete er Ginter und Antonio Rüdiger auf dem Trainingsplatz auf ihre große Defensivaufgabe gegen Ronaldo vor. Zusammen mit dem wieder zentral verteidigenden Mats Hummels soll das Duo die Fußball-Diva ausbremsen. „Cristiano Ronaldo zählt immer noch zu den besten Stürmern der Welt“, sagte Ginter über den inzwischen 36-Jährigen: „Da gilt es, höllisch aufzupassen!“

Zum Schreckgespenst des DFB-Teams und auch von Löw wurde der exzentrische Weltstar allerdings noch nie. Viermal spielte Ronaldo bei großen Turnieren gegen Deutschland. Die Bilanz: Kein Tor, kein Sieg, nur Niederlagen und jede Menge Frust und der soll auch am Samstag anhalten. (dpa)