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Gerichtsurteil Wachkoma-Patient Vincent Lambert muss weiterbehandelt werden

21.05.2019, 05:15
Wachkoma-Patient Vincent  Lambert mit seiner Mutter
Wachkoma-Patient Vincent  Lambert mit seiner Mutter MAXPPP/epa

Paris - Das juristische Tauziehen um die lebenserhaltenden Maßnahmen für den französischen Koma-Patienten Vincent Lambert geht weiter. Nachdem Ärzte am Montag die künstliche Ernährung Lamberts beendet hatten, ordnete ein Gericht in Paris deren Wiederaufnahme an.

Das Pariser Berufungsgericht wies die Behörden an, „alle Maßnahmen“ zu ergreifen, um Lambert am Leben zu halten. In seiner Entscheidung verwies das Gericht auf entsprechende Forderungen des UN-Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Ärzte wollten Behandlung einstellen

Lamberts Eltern hatten den Ausschuss eingeschaltet. Der Ausschuss hatte Frankreich aufgefordert, die Entscheidung zu vertagen, bis das Gremium eine Stellungnahme zu dem Fall erarbeitet hat. Frankreich hatte dies abgelehnt und erklärt, die Forderung des Ausschusses sei nicht rechtlich bindend. Die Mutter des Patienten, Viviane, nannte die Gerichtsentscheidung einen „sehr großen Sieg“.

Wenige Stunden zuvor hatte es noch anders ausgesehen: Der Chef der Palliativmedizin in Reims, Vincent Sanchez, hatte die Familie zuvor per Email über das Ende der künstlichen Ernährung für ihren Sohn informiert. Gleichzeitig würden Lambert „tiefgehend und kontinuierlich“ Beruhigungsmittel verabreicht, schrieb er weiter. „Das ist eine Schande, ein absoluter Skandal“, sagte der Anwalt der Eltern, Jean Paillot, nach der Entscheidung der Ärzte .

Ärzte als „Monster“ bezeichnet

Lamberts Mutter und Vater hätten sich nicht einmal mit einem Kuss von ihrem Sohn verabschieden können. Als „Monster“ und „Nazis“ bezeichnete die Mutter Viviane Lambert die Mediziner. Sie rang vor der Klinik mit den Tränen. Die 73-Jährige und ihr 90-jähriger Mann Pierre legten daraufhin noch am Montag erneut Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Das Gericht wies diese bereits nach wenigen Stunden ab mit der Begründung, es gebe keine „neuen Elemente“ in dem Fall.

Das Gericht hatte in dem jahrelangen Rechtsstreit bereits zwei Mal gegen die Eltern entschieden - zuletzt Ende April. Zuvor hatte auch der Pariser Staatsrat als oberstes Verwaltungsgericht im Sinne der Ärzte geurteilt.

Macron will sich nicht einmischen

Vincent Lambert ist seit einem Unfall 2008 querschnittsgelähmt und kann nicht mehr sprechen. Da er laut einem Gutachten nicht bei Bewusstsein ist und sich sein Zustand nicht verbessern dürfte, stellen die Ärzte die künstliche Ernährung ein. Er würde  nach Angaben von Medizinern in einigen Tagen sterben. Die Ärzte berufen sich auf ein Gesetz von 2016, wonach die Behandlung beendet werden kann, wenn sie „unnütz und unverhältnismäßig erscheint oder nur dazu dient, das Leben künstlich zu erhalten“.

Die Eltern des früheren Krankenpflegers sind überzeugte Katholiken und hatten zuletzt Präsident Emmanuel Macron um Unterstützung gebeten. Der Präsident wies den Hilferuf am Montag ab. Es stehe ihm nicht zu, die Entscheidung der Ärzte aufzuheben, erklärte er. „Sie steht im Einklang mit unseren Gesetzen.“

Fall spaltet Familie

Mit einem Marsch zum Elysée-Palast versuchten Unterstützer von Lamberts Eltern Macron am Abend doch noch zum Eingreifen bewegen. Der Fall spaltet die Familie: Lamberts Frau Rachel und sechs Brüder und Schwestern befürworten das Ende der lebenserhaltenden Maßnahmen. Sie berufen sich darauf, dass er sich stets gegen eine künstliche Verlängerung seines Lebens ausgesprochen habe. „Ihn gehen zu sehen bedeutet, ihn als Menschen zu sehen, der befreit ist“, sagte Rachel Lambert am Montag. Gleichzeitig bat sie, den Angehörigen ihre Privatsphäre und Würde zu lassen.

Papst Franziskus erklärte in Rom, das Leben aller Menschen solle „vom Beginn bis zu seinem natürlichen Ende“ geschützt werden. „Wir beten für alle, die mit einer schweren Krankheit leben“, schrieb der Papst im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Pressestelle des Heiligen Stuhls stellte die Äußerung ausdrücklich in Zusammenhang mit dem Fall Lambert. (afp)