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„Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ Prozess um heimtückische Prostituierten-Morde hat begonnen: Scharfe Kritik an Polizei

04.08.2021, 18:44
Der Angeklagte  sitzt zum Auftakt des Prozesses um zwei Frauenmorde in Rendsburg im Kieler Landgericht
Der Angeklagte sitzt zum Auftakt des Prozesses um zwei Frauenmorde in Rendsburg im Kieler Landgericht (Foto: picture alliance/dpa)

Kiel/dpa - Er soll zwei Prostituierte getötet haben - und schweigt vor Gericht. In Kiel muss sich der mutmaßliche Doppelmörder von Rendsburg verantworten. Anwälte von Nebenklägern rügen Ermittlungspanne der Polizei.

– Der Mann mit den kurz geschorenen Haaren und dem schmalen, verschlossen wirkenden Gesicht wird in Handschellen in den Saal 232 im Kieler Landgericht geführt. Den Kopf versteckt der mutmaßliche Frauen-Doppelmörder hinter einem Aktenordner. Erst als alle Fotografen und Kameraleute den Saal verlassen haben, legt er ihn beiseite. Dann starrt er – gekleidet in grünem Sweatshirt und Jeans aus dem Untersuchungsgefängnis – zumeist nur noch starr auf den Tisch vor sich und schweigt.

Die Staatsanwältin wirft dem Deutschen zwei Morde vor: „Zwischen dem 26. August 2018 und dem 28. September 2020“ habe er zwei Frauen in Rendsburg „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier und heimtückisch“ getötet. Beide Frauen arbeiteten demnach als Prostituierte.

In beiden Fällen fesselte der Mann laut Anklage Hände und Füße seiner Opfer und zog ihnen Plastiktüten über den Kopf. Dem ersten Opfer sticht er mit einem scharfen Gegenstand in den Brustkorb. Und er schneidet ihr die Haare ab. Die Plastiktüte, die er der Gefesselten über den Kopf zieht, dreht er demnach fest zu. Die Leiche wird wegen einer Ermittlungspanne der Polizei erst nach dem zweiten Mord gefunden.

Prozess in Kiel: Leiche auf Dachboden der Freundin versteckt

Die 26-Jährige aus Geesthacht habe „im Internet ihre Dienste angeboten“ und sich mit dem Angeklagten verabredet, sagt die Staatsanwältin. Kurz vor acht Uhr traf die Frau demzufolge am Tattag am Rendsburger Hauptbahnhof ein. Der 41-Jährige habe sie dann zu der von ihm bewohnten Wohnung gebracht. Die Hauptmieterin, seine damalige Partnerin, war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Arbeit.

Nach der Tat versteckt der 41-Jährige laut Anklage die Leiche der 26-Jährigen auf dem zur Wohnung gehörenden Dachboden, in Bettwäsche und Plastik gewickelt, verdeckt von Bananenkisten. Dort wird sie erst im Zusammenhang mit dem zweiten Mord gefunden. Bis dahin galt die Frau als vermisst. Die Polizei hatte zwar im Zusammenhang mit diesem Vermisstenfall Anfang 2019 die Wohnung des Mannes wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung und EC-Betrug durchsucht - aber den dazugehörigen Dachboden nicht.

Beim zweiten Mord war der Angeklagte den Vorwürfen zufolge mit dem 40-jährigen Opfer in deren Wohnung verabredet – „ebenfalls zu sexuellen Handlungen gegen Entgelt“. Zu diesem Treffen brachte er demnach eine Sektflasche, schwarze Handschuhe und Klebeband mit. Die Frau ging „arg- und wehrlos“ mit ihm ins Schlafzimmer, schildert die Staatsanwältin. Dort zog sie Nylonstrümpfe und Stoffhandschuhe an und ließ sich Hände und Füße fesseln. Nach dem Geschlechtsverkehr, noch auf dem Bett, soll der Angeklagte vier Mal mit der Sektflasche auf ihren Kopf eingeschlagen haben. Die Frau erlitt demnach einen Schädelbasisbruch.

Ermittlungspanne: Anwälte von Angehörigen üben scharfe Kritik an Polizei

Doch die 40-Jährige stirbt an Ersticken, so die Staatsanwaltschaft. Denn der Angeklagte fixiert den Angaben zufolge die Plastiktüte am Hals und wickelt mehrfach Klebeband fest darum – so fest, dass weder der Bekannte, der die Tote wenige Tage später in Blutlachen findet, noch eine Polizeibeamtin darunter fassen können, wie sie aussagen.

Der Verdacht fällt schnell auf den nun angeklagten Mann, weil er als letzter Freier ermittelt wird. Dabei werden bei ihm zu Hause unter anderem die vor dem Geschlechtsverkehr getragene weiße Bluse des zweiten Opfers und ein volles Kondom sichergestellt. Und jede Menge Nylonstrümpfe und andere Frauenkleidungsstücke.

Wegen der Ermittlungspanne übten Rechtsanwälte von Angehörigen scharfe Kritik an den damaligen Polizeimaßnahmen, die von einem Berufsanfänger geleitet wurden. Wäre die Durchsuchung nicht derart fehlerhaft gewesen, hätte der Tod der zweiten Frau verhindert werden können, rügten sie.

Der Prozess wird fortgesetzt. Das Urteil wird am 10.09.2021 erwartet.