Weltraumforschung Bewohnte Stationen auf Mond und Mars - Sachsen forscht mit
Wissenschaftler wollen unbekannte Welten erobern und dauerhaft bewohnte Stationen im All etablieren. Die dafür benötigte Technik wird auch in Sachsen erforscht.

Freiberg/Dresden - Gewächshäuser auf dem Mond, in denen Tomaten oder Gurken wachsen? 3D-gedruckte Bauteile aus Mondsand? Was nach Science-Fiction klingt, ist für Sachsens Forschungseinrichtungen kein fernes Zukunftsbild. „Längere Aufenthalte von Menschen im Weltraum werden kommen. Deren Versorgung ist daher ein Thema, an dem wir bereits heute forschen“, erläutert Martin Kunath, der Gruppenleiter am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden ist.
Sachsen könne bei Weltraum-Innovationen viele Kompetenzen einbringen, betont der Experte. Dazu gehörten sogenannte Hochleistungswerkstoffe, Teile für Mikroelektronik oder Kommunikationssysteme. Das seien klassische Stärken sächsischer Forschungseinrichtungen. Das IKTS konzentriert sich auf Keramische Werkstoffe. „Die Eigenschaften von Keramik sind hohe mechanische Festigkeit sowie Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturschocks, Strahlung, Hitze“, erläutert Kunath.
Aktuell laufen dort verschiedene Projekte zur Anwendung in der Radartechnik, für Antriebe sowie für die Treibstoffherstellung auf dem Mars. Außerdem untersucht das Institut, wie sich Pflanzenzucht in geschlossenen Systemen optimieren lässt. Denn internationale Raumfahrtbehörden wie Nasa und Esa erproben bereits Konzepte für die Versorgung im All, ergänzt Kunath.
Bergbau und Tunnel auf dem Mond
Auch Erfahrungen aus dem Rohstoffabbau auf der Erde kommen den Zukunftsvisionen zugute. Seit einem Jahr gibt es an der Bergakademie Freiberg den Studiengang „Weltraumtechnologien“. Sein Inhalt könnte als Weltraum-Bergbau beschrieben werden, sagt Carsten Drebenstedt, der als Professor mitverantwortlich für die Ausbildung dort ist.
„Es geht um den Abbau von Rohstoffen auf Mond oder Mars und die Weiterverarbeitung.“ Hintergrund seien die von den USA oder Russland angekündigten Langzeitmissionen zum Ende des Jahrzehnts. „Astronauten sollen dauerhaft auf dem Mond, später Mars präsent sein.“ Bis zu 20.000 US-Dollar koste es aber, ein Kilogramm Nutzlast auf den Mond zu schicken.
Eisen, Stickstoff und Kohlenstoff kommen auch auf dem Mond vor. Selbst Sauerstoff und Wasser seien zu gewinnen, erklärt Drebenstedt. In Freiberg laufen erste Versuche. „Menschen könnten trinken, atmen, Pflanzen züchten.“ Ziegelsteine aus Mondstaub und geplante Tunnel wären ein Schutz vor Strahlung, extremen Temperaturen oder Meteoriten. „Festes Mondgestein kann durch Mikrowellen zerkleinert werden - für benötigte Rohstoffe und Hohlräume für menschliche Behausungen.“
Für die Energiespeicher, Kühlsysteme und sogar Fahrzeuge würden „praktikable Verfahren entwickelt“, erläutert Drebenstedt. „Funktionierende Lebenskreisläufe wären Vorbild für irdische Krisenregionen.“ Schon das US-Raumfahrtprogramm „Apollo“ habe der Menschheit viel zurückgegeben – von der Rettungsdecke im Medizinbereich bis zur Datenübertragung. In der Deutschen Raumfahrtausstellung in Muldenhammer im Vogtlandkreis wollen Freiberger Studierende eine eigene Station mit neuesten Weltraumtechnologien konzipieren und dabei auch den Pflanzenanbau auf dem Mond thematisieren.
Erst Mond, dann Mars
„Der Mensch will unbekannte Welten entdecken. Manchmal muss er einen Zwischenschritt machen“, sagt Tino Schmiel von der Technischen Universität Dresden mit Blick auf aktuelle Mondprojekte. „Eine sofortige Marsmission wäre zu gewagt. Wir brauchen vorerst einen erdnahen Ort.“ Das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden zähle zu den aktivsten Zentren in diesem Forschungsbereich in Mitteldeutschland.
„Wir haben eine Vielzahl von erfolgreichen Weltraummissionen entwickelt und durchgeführt“, sagt Schmiel. Ein Höhepunkt war ein eigener Nanosatellit im All – Nanosatelliten sind kleine Satelliten, die bis zu zehn Kilogramm schwer sind. Dieser startete mit einer SpaceX-Rakete. Dabei absolvierten die Dresdner Wissenschaftler verschiedene Experimente. Inzwischen läuft die Entwicklung von Nachfolge-Satelliten.
Derweil forscht das Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig an neuen Antriebssystemen für Satelliten. Zum Einsatz kommen sogenannte Ionenstrahlquellen, sagt Daniel Spemann, Leiter der Abteilung Werkzeugentwicklung. „Dabei tritt ein Strahl mit Ionen in hoher Geschwindigkeit aus – das kann auch für Triebwerke verwendet werden.“ Mit Partnern will das IOM zudem eine Art Prüfung für Raumfahrttechnologien entwickeln. „Mehr Anbieter drängen auf den Markt. Ein europäischer Standard für Produkte wäre wichtig, um Qualität und Sicherheit besser vergleichbar zu machen.“
Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden verweist auf eigene 3D-Raumfahrtantriebe aus einem sehr widerstandsfähigen Nickelgemisch. „Wir waren weltweit die Ersten, die das herstellen konnten. Auf konventionelle Art, etwa mit Fräsen, wäre die Bearbeitung sehr aufwendig und teuer“, sagt Mirko Riede aus der Abteilung Additive Fertigung. Aktuell forscht das Institut für eine Mission der europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Ein Teleskop soll ab 2037 Röntgenstrahlen im Umfeld von Schwarzen Löchern untersuchen. Dazu soll ein fast drei Meter großer Spiegel ins Weltall transportiert werden.
Der dafür erforderliche Bauträger aus Titan wird am IWS erforscht – und Schicht für Schicht von Robotern gedruckt. Das 3D-Verfahren liefere am Ende hochwertigere Ergebnisse, so Riede.