Magdeburger Tierlabor Magdeburger Tierlabor: EU-Gelder für Breitbandausbau im Land werden umgewidmet
Magdeburg - Zuletzt hatten viele der kleinen Mäuse Schnupfen. Konkreter: Sie waren mit dem Influenza-A-Virus infiziert, hatten also genau genommen Grippe. Dahinter steckten Forscher der Universität Magdeburg und des Helmholtz-Zentrums in Braunschweig. Sie infizierten die Nager im Labor und analysierten Tag für Tag, was der Virus in der Lunge und im Körper anstellte. Die Frage, die die Forscher weiter umtreibt: Warum werden einige Mäuse kränker als andere? Es ist eine Forschung im Dienste der Gesundheit. Denn Jahr für Jahr rätseln Ärzte, wieso die Grippewellen auch bei Menschen mal stärker, mal schwächer ausfallen.
Tierlabor in Magdeburg von „eminenter Bedeutung“ für Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt
Das Tierlabor in Magdeburg gilt so zum Einen als Prunkstück der Universität. Zum Anderen aber auch als Sorgenkind. Denn Rektor Jens Strackeljan warnte zuletzt: Wird das Labor, in dem tausende Mäuse leben, nicht erneuert und saniert, ist es nicht zukunftsfähig. Und auch die Landesregierung weiß um den Ernst der Lage. Laut Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sind das Labor und die daran hängende Forschung von „eminenter Bedeutung“ für den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt.
Doch problematisch sind die Hygiene-Bedingungen im Labor: Nicht alle Bereiche sind so steril, wie es sich die Forscher wünschen. „Wenn wir die Modernisierung nicht hinbekommen, könnte uns auf lange Sicht eine wichtige Forschungslinie wegfallen“, mahnte Strackeljan im April. Und erinnerte daran, dass die Landesregierung schon vor Jahren Modernisierungen zugesagt habe.
Und mittlerweile tickt die Uhr. Im kommenden September will die renommierte Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) den Magdeburger Sonderforschungsbereich begutachten - und im Anschluss entscheiden, ob sie die Wissenschaftler mit weiteren zwölf Millionen Euro fördert. Auf keinen Fall wollen die Uni-Wissenschaftler dieses Geld und den Status verlieren.
Tierlabor in Magdeburg: 15 Millionen Euro zur Modernisierung kommen aus der Breitband-Förderung
Im Kampf um das Prestigeobjekt suchen Wirtschaftsressort-Chef Willingmann und Finanzminister André Schröder (CDU) nun ungewöhnliche Wege: Weil die nötigen 15 Millionen Euro zur Bau-Modernisierung im aktuellen Landeshaushalt fehlen, wollen sie EU-Fördergelder aus einem anderen Topf nehmen: der Breitband-Förderung. Mit dem Geld sollen eigentlich schnellere Internetverbindungen im Land entstehen. Der Plan soll nach MZ-Recherchen am Dienstag im Kabinett um Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) diskutiert werden.
In dieser bunten Gemengelage kommen gemischte Gefühle in der Koalition aus SPD, CDU und Grünen auf - zumal „Tierlabor“ bei den Grünen eigentlich sowieso ein Reizwort ist. In der Vergangenheit hat es bereits Proteste der Tierschutz-Organisation Peta gegeben: 2016 demonstrierte sie in Magdeburg gegen Versuche an Mäusen in der Universitätslehre.
Tierlabor in Magdeburg: Verwendung des Internet-Geldes ist umstritten
Doch vereinzelte Grüne lassen bereits durchscheinen, dass sie in puncto Forschung den Ernst der Lage sehen. Natürlich sei ein Tierlabor-Projekt „nicht die reine grüne Lehre“, heißt es in maßgeblichen Parteikreisen. „Doch in Magdeburg geht es auch um wichtige Krebsforschung.“ So gibt es Grüne, die zähneknirschend einem Kompromiss zustimmen könnten. Abgestimmt sei der neue Vorschlag aus den SPD- und CDU-Häusern jedoch nicht. Am Dienstag berät die Grünen-Fraktion endgültig, was sie von dem Vorschlag hält. Mit Blick auf den laufenden Bundestagswahlkampf sagt ein Grüner: „Schon erstaunlich, dass das Thema gerade jetzt aufgerufen wird.“
Hinter den Kulissen finden es Finanzpolitiker problematisch, dass das Geld aus der Breitband-Förderung kommen soll. Sachsen-Anhalt gilt als Schlusslicht im Netzausbau. Allerdings bleibt viel Fördergeld ungenutzt - der Handwerkermangel führt zu Bauverzögerungen. Abgeordnete wollen nun genau prüfen, ob das Internet-Geld für ein Tierlabor fließen kann. Der Landesrechnungshof meldet Skepsis an: „Die Verwendung von Breitband-Fördermitteln ist gemäß der geltenden Landesrichtlinie klar und eng definiert“, so Sprecher Frank Düsekow. „Forschungseinrichtungen fallen damit grundsätzlich nicht in den Kreis der Fördermittelempfänger.“ Vor allem mit Blick auf den „akuten Nachholbedarf beim Breitbandausbau“ halte der Rechnungshof derlei Pläne für „kritikwürdig“. (mz)