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Debatte um das „Erste“ Kurzes Erschrecken: Wie ein CDU-Politiker die ARD umbauen will - und dann zurückrudert

Eine ARD ohne erstes Programm? Das fordert ein wichtiger CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt, um sich nach heftiger Kritik selbst zu korrigieren. Was ist da passiert?

Von Hagen Eichler Aktualisiert: 18.01.2022, 17:02
Er habe sich missverständlich ausgedrückt, sagte Markus Kurze am Dienstag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion erregt nicht zum ersten Mal Aufmerksmkeit.
Er habe sich missverständlich ausgedrückt, sagte Markus Kurze am Dienstag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion erregt nicht zum ersten Mal Aufmerksmkeit. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentra

Magdeburg - Der CDU-Politiker Markus Kurze und der öffentlich-rechtliche Rundfunk - das ist seit langem eine spannungsvolle Beziehung. Der 51-Jährige findet die Sender zu groß, zu teuer und zu links. Seine harsche Kritik hat dem Landtagsabgeordneten aus Burg im Jerichower Land schon mehrfach zu bundesweiter Aufmerksamkeit verholfen. Verknüpft ist sie aber auch mit dem wohl dunkelsten Moment seiner politischen Karriere.

Obenauf war Kurze im Dezember 2020. Damals verweigerte sich die CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag strikt einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Sachsen-Anhalts Christdemokraten standen damit zwar allein auf weiter Flur: Die Bundes-CDU, die anderen Landesverbände - alle waren für den Preisaufschlag von 86 Cent. In Kraft treten konnte dieser aber nur bei einem einstimmigen Ja aller Länder. Und so waren alle Kameras und Mikrofone auf Kurze gerichtet, als der Sachsen-Anhalts Nein erklärte.

Der Rundfunk ist für Kurze zu groß, zu teuer, zu westlich

Kurze kann sich mit Verve über den linken ZDF-Komiker Jan Böhmermann erregen und über den Rauswurf des von ihm geschätzten Uwe Steimle beim MDR. Weitere Punkte: Gender-Sprache, zu viele Sender, zu teure Intendantengehälter, zu wenig positive Berichte über Ostdeutschland, zu viele Institutionen im Westen - Kurzes Liste mit Kritik ist lang. CDU-Abgeordnete berichteten, sie hätten auf der Straße selten so viel Zuspruch von Wählern erhalten wie damals.

Um den Rundfunk ging es aber auch in jener Rede, mit der Kurze nicht weniger als seine politische Zukunft aufs Spiel setzte. Im Dezember 2016 war das - am Vortag hatte die CDU-Fraktion den Magdeburger Weihnachtsmarkt besucht und Kurze dem Alkohol deutlich zugesprochen. Als er am nächsten Tag im Plenarsaal unrasiert und mit schwerer Zunge zu reden begann, breitete sich in den eigenen Reihen Entsetzen aus. Kurze warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk manipulative Berichterstattung über Flüchtlinge vor, er war dabei im Saal teils kaum zu hören, teils donnernd laut und erntete am Ende Jubel von der AfD. Ausschnitte dieser Promille-Rede werden in diesen Tagen wieder eifrig in sozialen Netzwerken geteilt.

Schon 2017 hatte die Landes-CDU Pläne für eine Beschneidung der ARD

Als nun die MZ am Montagabend online berichtete, Markus Kurze fordere „langfristig“ ein Abschalten des ersten Fernsehprogramms, fühlten sich Rundfunk-Insider an frühere Überlegungen von Sachsen-Anhalts Medienminister Rainer Robra (CDU) erinnert. Im MZ-Interview hatte Robra bereits 2017 gefordert, das ZDF als „den nationalen Player“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu betrachten. „Das Erste wäre dann mittelfristig kein nationaler Sender mehr, sondern das Schaufenster der Regionen“, folgerte Robra. Dadurch werde dann auch die Tagesschau „in dieser Form überflüssig“. Auch bei dieser Forderung war das Medienecho bundesweit groß.

Allerdings wollte Robra das Erste lediglich umbauen - die von Kurze geforderte Abschaffung des Kanals ging darüber noch hinaus. Der Politiker formulierte seine Position zudem in der „wir“-Form, erweckte also den Anschein einer abgestimmten Position der Landtagsfraktion.

Die Forderung nach „Abschaffung“ ist schriftlich dokumentiert

Wörtlich hatte er der MZ das folgende Zitat schriftlich freigegeben (Fehler der Rechtschreibung im Original): „Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsmininister Robra, langfristig den Sender ‚Das Erste‘ als eigenständigen Kanal abschaffen und ihn in ‚Das Erste mit regionalen Schwerpunkten‘ mit dritten Fernsehprogrammen der Länder umwandeln. Als nationaler Sender bliebe das ZDF übrig. Wir wissen, dass wir das politisch derzeit nicht umsetzen können, aber das ist unser Fernziel.“

Als die Aussagen in kurzer Zeit bundesweit Furore machten, versuchte sich die CDU-Fraktion zunächst in Schadensbegrenzung. Am späten Montagabend versandte sie eine Pressemitteilung, darin ein Kurze-Zitat, das wohl wie ein Dementi klingen sollte. Von einem „jetzigen“ Abschalten des ersten Fernsehprogramms sei nie die Rede gewesen, wurde der Politiker zitiert - nur hatte das auch niemand behauptet. Vielmehr hatte Kurze ja von einem „langfristigen“ Ziel gesprochen.

Fraktionschef Siegfried Borgwardt spricht von einem Fehler

Am Dienstagvormittag klagte Kurze dann im „Spiegel“, er sei „verkürzt“ wiedergegeben worden. Doch nur wenig später übernahm er dann selbst die Verantwortung. Er hätte sich besser ausdrücken sollen, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Das Wort „abschaffen“ sei falsch gewesen, eigentlich fordere er eine „Umwandlung“ des ersten Programms, hin zu einem Schaufenster der Regionen.

„Er hat klar eingeräumt, dass es ein Fehler war, von ‚abschaffen‘ zu sprechen“, sagte Fraktionschef Siegfried Borgwardt der MZ am Nachmittag. Beschlossen habe die CDU zum ersten Programm übrigens „null“.