Kommentar zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Kommentar zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt : Kreuzchen gegen die Angst
Halle (Saale) - Am Sonntag wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Es geht um viel, meint der Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung, Hartmut Augustin.
Nach fünf Jahren ist es wieder soweit: Die Menschen entscheiden bei einer freien und geheimen Wahl über die Zusammensetzung der höchsten Volksvertretung im Land. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass es jemals anders gewesen sein könnte. Ja, aber es war mal anders, ganz anders!
In den Magdeburger Landtag sollten diejenigen einziehen, die mit Kompetenz, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein das Beste für Sachsen-Anhalt erreichen können. Es stimmt, leider galt das nicht für alle Volksvertreter in den vergangenen fünf Jahren.
Genauso stimmt aber: Die parlamentarische Bilanz ist gar nicht so schlecht. Die Regierungskoalitionen und die Opposition haben jeweils mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür gesorgt, dass sich das Land weiter gut entwickelt hat. Das gilt vor allem für die Themen Arbeit und Finanzen.
Und wenn die Regierungsparteien mal wieder zu weit vorgeprescht sind, dann haben die Oppositionsfraktionen mit dafür gesorgt - wie bei dem unsäglichen Sparpaket für die Hochschulen - dass diese Pläne nicht umgesetzt worden sind. Natürlich kann und muss noch vieles besser werden. Die Menschen wollen etwa verlässlich wissen, welche Perspektiven das Land in einer immer komplexeren Welt hat. Da gibt es noch weiße Flecken, ganz klar.
Nur, im zurückliegenden Wahlkampf hat derlei fast keine Rolle gespielt. Da wurde kaum darüber gestritten, wer das beste Wirtschaftskonzept für Sachsen-Anhalt bietet und wie gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden können. Da gab es keine aufwühlenden Debatten über den demografischen Wandel. Dabei geht dieses Thema uns alle direkt an. Wie lange können wir uns noch Straßen in abgelegene und kaum bewohnte Ortschaften leisten? Wie finden wir Ärzte und Lehrer für ländliche Regionen? Wo kann dort künftig überhaupt noch eingekauft werden? Wie kommen die Menschen abseits größerer Städte von A nach B? Viele Fragen, auf die es kompetente Antworten braucht.
Aber: Das Thema Flüchtlinge hat den Wahlkampf dominiert. 40.000 Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Armut bis Ende 2015 in Sachsen-Anhalt angekommen. Geblieben sind nicht einmal 30.000. Zum Vergleich: 2,3 Millionen Menschen leben hier im Land. Es soll nicht kleingeredet werden, dass die Integration von Menschen aus einem anderen Kulturkreis herausfordernd ist. Und es kann auch schreckliche Dinge wie die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist in Sachsen-Anhalt aber gering. Denn die Flüchtlinge machen nur etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung aus. Jeder sollte sich einfach mal fragen, wann er das letzte Mal überhaupt einen Syrer, Afghanen oder Somalier gesehen hat? Diese Neubürger können eine Chance sein, damit in Städten und Gemeinden eine Infrastruktur mit Schulen und Einkaufsläden erhalten bleiben kann.
Inzwischen sind für Flüchtlinge viele Wege nach Deutschland versperrt. Der Strom von Menschen hat abgenommen und wird zusehends dünner. Hunderte Erstaufnahmeplätze werden jetzt schon in Sachsen-Anhalt nicht gebraucht.
Und dennoch gibt es hier Menschen, die Angst haben und Menschen, die Angst verbreiten und von einer „zügellosen Masseneinwanderung“ reden. Mit dieser Hysterie wollen die in den Landtag. Aber: Die Zahl der Flüchtlinge ist in Sachsen-Anhalt sehr überschaubar. Das Land könnte bundesweit Vorreiter sein, wie Integration funktionieren kann. Dazu braucht es aber Weltoffenheit statt Ausgrenzung.
Wer am Sonntag einen Denkzettel verteilen will, der sollte dabei nicht vergessen, dass über einen Landtag und nicht über die Bundespolitik abgestimmt wird. Es geht um die Frage: Wem trauen Sie am ehesten zu, dieses Bundesland nach vorn zu bringen. Das Thema Flüchtlinge ist dabei eines von vielen. Und sicherlich nicht das Wichtigste! (mz)