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Heiß heißer Bernburg Heiß heißer Bernburg: So geht die heißeste Stadt Deutschlands mit der Hitze um

Von Julius Lukas 01.08.2018, 10:00
Auf zum Rekord: „Saaleperle“-Schwimmmeisterin Anne Burghardt (47) erlebte, wie Bernburg die heißeste Stadt Deutschlands wurde.
Auf zum Rekord: „Saaleperle“-Schwimmmeisterin Anne Burghardt (47) erlebte, wie Bernburg die heißeste Stadt Deutschlands wurde. E. Pülicher

Bernburg - Wenn Enrico Tylinski über seinen Tresen schaut, dann kann er das azurblaue Becken sehen. Kinder, die jauchzend in die Wellen hopsen. Wagemutige, die vom Sprungturm ins Wasser platschen. Von diesen Freuden trennen Tylinski im Bernburger Freibad „Saaleperle“ (Salzlandkreis) zwar nur wenige Meter - und doch ist der Gastronom weit davon entfernt.

Denn Dienstag, kurz nach Mittag, ist Tylinski zwischen der 170 Grad Celsius heißen Fritteuse und den beiden Eimern Ketchup und Mayonnaise gefangen. Er ist der Imbiss-Pächter im Freibad. Im Minutentakt schiebt er Pommes, Currywurst und Buletten über den Tresen. Die Menschenschlange davor zu bekämpfen, ist allerdings gerade wie Staubsaugen in der Wüste - ein aussichtsloser Kampf.

Schwitzender Arbeitsmensch im Schmelztiegel Deutschlands

Doch Tylinski fühlt sich zwischen frittierten Fritten und brutzelnden Buletten wohl. „Ich bin kein großer Badefreak, sondern ein Arbeitsmensch“, sagt er - und wischt sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.

Es kommt eben auf die richtige Einstellung an - das war Dienstag überall in Bernburg so. Die Sonne machte die Stadt an der Saale wieder einmal zum Schmelztiegel des Landes. Auf fast schon eiweißgerinnende 39,5 Grad kletterte das Thermometer gegen 16 Uhr - deutschlandweit der Spitzenwert in diesem Jahr und die höchste je in Sachsen-Anhalt gemessene Temperatur. In Deutschland wurde es nur im fränkischen Kitzingen 2015 noch 0,8 Grad wärmer.

Bernburg hat auch die meisten Sonnentage Deutschlands

Und nicht nur bei der Temperatur hat Bernburg, die einstige Residenzstadt, die Pole-Position inne. Hier gab es in diesem Jahr so viele Sonnentage wie nirgendwo sonst in Deutschland: 74. Woran das liegt? Erklärungen gibt es einige: der Regenschatten des Harzes, die Lage im Saaletal oder, wie Wetterexperte Dominik Jung vermutet, eine besondere Position der Messstation: „Vielleicht hat man in Bernburg einfach eine besonders warme Ecke getroffen“, so Jung.

Die charmanteste Erklärung allerdings kommt von einer Passantin in der Innenstadt: „Das gute Wetter liegt am sonnigen Gemüt der Bernburger“, sagt sie und schlendert über den zentralen Karlsplatz. Eigentlich sollte hier Markttag sein. Doch am Nachmittag sind nur noch zwei Gemüsestände übrig - und der Hähnchenmann, der unbeeindruckt von der flirrenden Hitze seine Broiler rotieren lässt.

Wie so oft in diesen Tagen sind es vor allem die Kinder, denen die Witterung egal zu sein scheint. In die Wasserbecken nahe des Karlsplatzes versenken sie sich gleich in voller Montur - trocknet ohnehin gleich wieder. Alle anderen, die trotz Hitze unterwegs sind, schleichen in Zeitlupe durch die Stadt. „Schneller geht gerade nicht“, sagt ein älterer Herr. Sein Rezept gegen die Wärme: „An etwas Kaltes denken - Eisbären zum Beispiel.“

Bomben für Bernburger Bären und tierische gute Cocktails

Apropos Bären. Die berühmten Bernburger Bären werden derzeit mit Eisbomben versorgt. „Das ist gefrorenes Wasser mit Obst darin“, erklärt Zootierinspektor Thomas Suckow vom Tiergarten. „Daran knabbern die Bären gern herum.“

Eis und Tiere - der Mix wird auch im „Wilhelm 7“ serviert. Die Café-Besitzer Konrad Auer und Anna Leiser kühlen mit einem Sommercocktail aus Kokos, Minze und gefrorenen Erdbeeren die Gemüter ihrer Kunden. Die tierische Komponente kommt von zwei Studenten der Hochschule Anhalt, die an einem Tisch im Lokal sitzen. Sie sind Hobby-Imker und erzählen, dass es bei ihren Bienen Arbeitstiere gibt, die nur dafür da sind, Luft in die Waben zu fächern - Bienenkönigin müsste man sein.

Und im Freibad „Saaleperle“? Da wird am Dienstag ein weiterer Rekord geknackt. „Wir hatten heute über 2.000 Besucher“, freut sich Freibad-Chef Frank Müller. Das sei der Höchstwert in diesem Jahr. Für ihn und sein Team bleibt allerdings keine Zeit, selbst in die Fluten zu springen. „Wir bereiten hier bis 22 Uhr den nächsten Tag vor“, sagt Müller. Denn der, da kann man sich in Bernburg sicher sein, wird bestimmt: richtig heiß. (mz)