Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Neonazis interessieren sich für Rockerklubs
Halle (Saale)/MZ - In Sachsen-Anhalt vermengt sich zusehends die Neonazi- mit der Rockerszene. Von den rund 1.400 vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsextremen gehören derzeit zwar nur etwa drei Prozent einer Motorradgang an. „Tendenziell dürfte die Zahl aber weiter ansteigen“, sagte der Chef der Polizei im Innenministerium, Karl-Heinz Willberg.
Gleichzeitig wollen Polizei und Verfassungsschutz des Landes aber noch nicht von einer „systematischen Unterwanderung“ der Rockerklubs im Land durch Rechtsextreme sprechen, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) hervorgeht. Dennoch betrachte man die Entwicklung mit Sorge, betonte Willberg.
„Beide Gruppen verbindet die Affinität zu Gewalt. Und wir fürchten, dass Rechtsextreme versuchen könnten, sich im Rockermilieu mit Waffen und Sprengstoff zu versorgen.“ Zwar existiere bei den Rockern noch immer eine gewisse Skepsis gegenüber der Aufnahme von Rechtsextremen, weil diese zusätzlich die Aufmerksamkeit der Ermittlungsbehörden auf deren kriminelles Treiben (Drogenhandel, Prostitution) lenken würden. „Andererseits stellen gewaltbereite Rechtsextreme ein gutes Personalpotenzial für Rocker dar“, so Willberg. Quade erklärte: „Wer über Neonazis spricht, darf Verbindungen zur Rockerszene nicht übersehen.“ Die Landesregierung sei gut beraten, das Phänomen ernst zu nehmen, so Quade.
Laut Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann „gibt es nach unseren Erkenntnissen aktuell bei 39 Personen in Sachsen-Anhalt eine Schnittmenge zwischen Rockermilieu und rechtsextremer Szene“. Bundesweit sollen es derzeit hingegen nur 60 Neonazis sein, die sich unter die als unpolitisch geltenden 19 000 Rocker gemischt haben. Hollmann hält diese Zahl aber für zu gering im Verhältnis zu den Erhebungen in Sachsen-Anhalt: „Mir scheint, dass da einige Länder nicht gemeldet haben.“
Neben der Altmark machen nach MZ-Informationen vor allem in Halle und im Saalekreis Rechtsextreme und Rocker im MC Underdogs gemeinsame Sache. Das Klubhaus des sich selbst als „unabhängiger Motorradclub mit ostdeutschen Wurzeln“ bezeichnenden Vereins wurde nach Angaben des Verfassungsschutzes in der Vergangenheit mehrfach auch als Auftrittsort für rechtsextreme Bands zur Verfügung gestellt (die MZ berichtete). Zuletzt spielte am 8. Februar die Rechtsrockband „Tattooed Motherfuckers“.
In Magdeburg hat sich unterdessen im Sommer vergangenen Jahres ein Motorradklub mit dem Namen „Division 39 Magdeburg“ gegründet, der nach Ansicht der Linken-Abgeordneten Quade eindeutig „neonazistisch“ ist. „Hier werden Überschneidungen zwischen Neonazis und Rockern in personeller Hinsicht, mit Blick auf das Logo aber auch inhaltlich sichtbar.“
Das Symbol der Rocker besteht dabei aus einem Totenkopf, wie er von der SS verwendet wurde. Nach Einschätzung von Linken-Politikerin Quade, die auch vom Innenministerium geteilt wird, eine Anspielung auf die „SS-Division Totenkopf“. Diese rekrutierte sich in der Nazi-Zeit anfangs aus Wachmannschaften der Konzentrationslager. Dem Rockerklub sollen mindestens zwei Neonazis der Landeshauptstadt angehören.