Zahl der Zeitarbeiter sinktZahl der Zeitarbeiter im Saalekreis sinkt: Geschäft mit Leihkräften dennoch kein Auslaufmodell

Merseburg - Die Beschäftigung kennt seit Jahren eigentlich nur eine Richtung. Aufwärts. Bundesweit stieg sie allein im Vorjahr um knapp 700.000. Lange Zeit boomte die Leiharbeit fleißig mit, legte von 2007 bis 2017 um 43 Prozent Beschäftigte zu. Doch damit scheint jetzt Schluss. Im Saalekreis reduzierte sich die Zahl der Leiharbeiter von Juni 2017 bis Juni 2018 um fast ein Fünftel auf knapp 1.670.
Anke Kanyár, Chefin des Personalverleihers TVS in Leuna, überraschen diese Zahlen nicht. Auf der Suche nach einer Ursache muss sie nicht lange nachdenken: die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Der Bundestag hatte 2017 beschlossen, dass ein Betrieb einen Zeitarbeiter künftig nach 18 Monaten übernehmen muss, wenn er ihn weiter beschäftigen will. Zudem bekamen die Leihkräfte fortan nach neun Monaten denselben Lohn wie ihre fest angestellten Kollegen. Die Regelungen hätten im vorherigen Jahr gegriffen, sagt die TVS-Chefin. In der Konsequenz hätten viele Unternehmen mehr bisherige Leiharbeiter übernommen.
IHK: Wir haben in den zurückliegenden Jahren mehr Festanstellungen vorgenommen
Die gleiche Kausalkette knüpfen in dieser und ähnlicher Form alle Befragten, egal ob sie nun vom Jobcenter, von der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder auch aus der Wirtschaft kommen: „Wir haben in den zurückliegenden Jahren mehr Festanstellungen vorgenommen, die Zeitarbeit reduziert“, bestätigt auch Christof Günther, Geschäftsführer der Infra Leuna.
Petra Bratzke, Chefin der Arbeitsagentur in Halle, sieht zudem eine konjunkturelle Ursache für den Rückgang. „Wenn die Konjunktur schlecht ist, setzten die Unternehmen eher auf Zeitarbeit.“ Zuletzt boomte die Wirtschaft in der Region jedoch. „Da binden die Firmen ihre Arbeitskräfte eher an sich.“
Es gibt heute teilweise Branchen, in denen in der Zeitarbeit mehr bezahlt wird
Eine zusätzliche Erklärung für die geringere Leiharbeit hat auch die IHK Halle-Dessau parat: „Zum anderen spüren auch die Verleihbetriebe den Fachkräftemangel und können nicht alle offenen Stellen besetzen. In der Folge sinken die Beschäftigtenzahlen in der Arbeitnehmerüberlassung deutschlandweit entgegen der allgemeinen Beschäftigung schon leicht ab“, führt Sprecherin Isabell Reimann aus.
Auch Anke Kanyár spürt den Fachkräftemangel. Es sei mühseliger geworden, Personal zu rekrutieren, berichtet sie: „Aber es ist immer eine Frage des Preises. Es gibt heute teilweise Branchen, in denen in der Zeitarbeit mehr bezahlt wird.“ Denn nicht nur die Leiharbeitsfirmen, sondern auch die Wirtschaft selbst hat natürlich Probleme Fachpersonal zu finden, was wiederum nicht schlecht fürs Leihgeschäft ist. Kanyár fasst zusammen: „Die Arbeitskräfte unterzubringen, ist kein Problem, eher die Kräfte zu kriegen.“ Gleichwohl habe sie noch nie soviel Personal rekrutiert, wie im Vorjahr, davon aber auch viel wieder abgegeben.
IHK: Chance gerade für Arbeitslose über Leiharbeit wieder in feste Jobs zu kommen
Auch die IHK betont die Chance gerade für Arbeitslose über Leiharbeit wieder in feste Jobs zu kommen. Sprecherin Reimann rechnet dennoch angesichts der gesetzlichen Einschränkungen und einer sich abschwächenden Konjunktur mit einem weiteren Rückgang der Leiharbeit. Sie betont zugleich jedoch, dass die Nachfrage nach Leihpersonal aus der Wirtschaft derzeit noch groß sei, weil viele Unternehmen angesichts der guten wirtschaftlichen Lage überdurchschnittlich ausgelastet seien. Gerade im Verkehrsgewerbe, in Bauwirtschaft und Teilen der Industrie sei der Bedarf groß.
Ohnehin erwartet keiner der Fachleute ein baldiges Ende der, seit jeher wegen der teils unsicheren Arbeitsverhältnisse gerade von links kritisierten, Leiharbeit. Warum begründet Infra-Chef Günther: „Die Zeitarbeit ist ein wichtiges Instrument um flexibel auf Abgabeschwankungen zu reagieren und um neue Geschäftszweige zu entwickeln.“ (mz)