Nummer gegen Kummer Nummer gegen Kummer: Langeweile - Mehr Anrufe bei Kinder- und Jugendtelefon

Halle (Saale)/dpa. - Weil sie Langeweile verspüren, melden sich bei den Kinder- und Jugendtelefonen in Sachsen-Anhalt immer mehr Mädchen und Jungen. „Dieses Phänomen tritt deutlich häufiger in der Ferienzeit auf“, sagte Michaela Fritsch als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jugendtelefone in Sachsen-Anhalt in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Grundsätzlich werde Kindern ständig etwas angeboten, ob in der Schule oder in der Freizeit. „Sie warten, bis jemand ihnen was vorgibt.“ Ganztagsschulen und Hortbetreuung beförderten die Tendenz. Die Folge: „Viele sind nicht mehr in der Lage, sich selbst aktiv eine Beschäftigung zu suchen“, sagte Fritsch.
„Langeweile bezeichnet einen Zustand, wo sich nicht um einen gekümmert wird“, bringt Fritsch das Thema auf den Punkt. Der Begriff Langeweile werde von Kinder und Jugendlichen oft als Floskel verwendet. Die Berater an den Telefonen in Halle, Magdeburg und Halberstadt versuchten jeweils herauszubekommen, was dahinter steckt. Dies könne etwa Einsamkeit sein oder ein kurzzeitiges Nicht-beschäftigt-sein.“ Wegen Langeweile rufen laut Fritsch bei den Kinder- und Jugendtelefonen mehr Mädchen und Jungen an als etwa wegen ihres Körpers oder ihres Aussehens. Unter dem Dach der psychosozialen Probleme machten die Anrufe wegen Langeweile 2011 einen Anteil von 31 Prozent aus.
Diese Entwicklung stellt die Beraterin seit den vergangenen sechs bis sieben Jahren fest. Früher hätten sich die Kinder und Jugendlichen nach der Schule mit Freunden getroffen. Jetzt gebe es oftmals einen Kontakt über die sozialen Netzwerke - wenn die etwa als Strafe entzogen würden, komme Langeweile auf. Außerdem habe jeder inzwischen einen eigenen Rhythmus - Kurse nach der Schule, Hort oder Familie. „Man kann sich weniger treffen“, schätzt Fritsch ein.
Langeweile ist aus Fritsches Sicht nicht grundsätzlich problematisch, sondern eine Möglichkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Dafür bleibe Kindern und Jugendlichen angesichts der vielen Anforderungen in Schule, Sport und Freizeitkursen sonst wenig Zeit.