Neue Heimat für NSU-Helfer Neue Heimat für NSU-Helfer : Entlassener Wohlleben könnte nach Sachsen-Anhalt ziehen

Magdeburg - Am Ende des NSU-Prozesses hatten die Neonazis auf der Besuchertribüne applaudiert. Im Münchner Oberlandesgericht bejubelten sie den Richterspruch gegen ihre Brüder im Geiste, die da unten so lange auf der Anklagebank saßen.
Zum Beispiel André E., der fünf Jahre schwieg, laut seinem Anwalt ein „Nationalsozialist“ ist und zum Prozessende vergangene Woche auf freien Fuß gesetzt wurde. Zwar soll die Hauptangeklagte Beate Zschäpe lebenslang in Haft: Dennoch feierten die Rechtsextremen das Ende des Terrorprozesses wie einen Sieg.
Seit Mittwoch ist ein weiterer mutmaßlicher Terrorhelfer frei. Ralf Wohlleben soll laut Anklage die Mordwaffe des selbst ernannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ beschafft haben - eine Ceska, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten und eine Polizistin erschossen.
Der 43-jährige Wohlleben aus Jena - er war NPD-Funktionär in Thüringen - wurde in München zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wohlleben war vor mehr als sechs Jahren in Untersuchungshaft gekommen, seine Anwälte hatten nun Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Das Gericht gab ihnen Recht: Es bestehe mittlerweile keine Gefahr mehr, dass Wohlleben fliehen und sich dem weiteren Verfahren entziehen könnte.
Der Terrorhelfer könnte nun eine neue Heimat finden: in Sachsen-Anhalt. Das Landes-Innenministerium bestätigte auf MZ-Anfrage, dass Wohllebens Frau und Kinder in Sachsen-Anhalt wohnen. „Die sachsen-anhaltischen Sicherheitsbehörden sind darauf vorbereitet, dass auch Herr Wohlleben seinen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt nimmt.“
Ziel Burgenlandkreis?
Nach Recherchen der MZ kommt für Wohllebens neue Heimat der Burgenlandkreis in Frage. Hier könnte er wieder tief in die Szene eintauchen. Im Dreiländereck zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betreiben Rechtsextreme eine sogenannte völkische Gemeinschaft, zu der Wohlleben Kontakte nachgesagt werden. Die Sicherheitsbehörden hatten die Gemeinschaft mit rassistischen Glaubensgrundsätzen in der Vergangenheit bereits auf dem Schirm.
Aufhebung des Haftbefehls sei fatales Signal
Den Terrorhelfer könnte es also in Sachsen-Anhalts Süden ziehen. Zu möglichen Überwachungsmaßnahmen äußerte sich das Innenministerium am Mittwoch nicht. „Sachsen-Anhalt befindet sich in enger Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern“, so ein Sprecher. Innenpolitiker gehen aber für den Fall der Fälle von scharfen Maßnahmen aus.
„Wohlleben muss klar sein, dass der Staat sofort da ist, wenn er auch nur einen Zentimeter aus der Kurve fährt“, sagte SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben. Konkrete Meldeauflagen gibt es für Wohlleben nach Aufhebung des Haftbefehls aber nicht, teilte das Gericht mit.
Abgeordnete reagierten kritisch auf die Freilassung und Wohllebens möglichen Umzug nach Sachsen-Anhalt. Linken-Innenexpertin Henriette Quade sagte, die Aufhebung des Haftbefehls sei rechtlich sicher möglich, aber ein fatales Signal. „Ich gehe davon aus, dass das eine Stärkung der Neonazi-Szene bedeuten wird.“ Sie kritisierte, das Urteil im NSU-Prozess sei offenbar von der These geleitet, die Terrorzelle habe als Trio gearbeitet.
Gericht blieb unter Forderung
In dieses Schema passe auch die Freilassung Wohllebens. „Aber ohne das Unterstützernetzwerk wären die Taten nicht möglich gewesen“, sagte Quade. Prozessbeobachter hatten Wohlleben als Spinne im Netz der Unterstützer beschrieben. „Die Behörden müssen Wohlleben nicht nur als Neonazi, sondern als Teil eines rechtsterroristischen Netzwerks begreifen“, so Quade. Sie forderte Maßnahmen, um künftigen Waffenbesitz zu unterbinden.
Mit zehn Jahren Haft für Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord war das Gericht im Prozess unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben. Sie hatte zwölf Jahre gefordert. Rechtsextreme Kameraden hatten immer wieder „Freiheit für Wolle“ gefordert. Wohllebens Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. (mz)