MZ-Gespräch mit Wolfgang Böhmer MZ-Gespräch mit Wolfgang Böhmer: «Wir suchen nach einer solidarischen Lösung»
Magdeburg/MZ. - Herr Böhmer, was bereitet Ihnen in der gegenwärtigen Haushaltsdiskussion die größten Sorgen?
Böhmer: Zum Einen ist es die Ungewissheit über die Einnahmesituation, zum Anderen sind es die Altlasten, die wir aus der letzten Legislaturperiode mit uns herumschleppen. Wir müssen Steuerausfälle von 470 Millionen Euro wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation verkraften. Zudem wissen wir nicht, welche Konsequenzen
mit dem Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform auf uns zukommen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung dazu keine klares Wort gesprochen, sondern nur Optionen angedeutet. Wir müssen also damit rechnen, dass uns ein Loch von 260 bis 270 Millionen Euro in die Kasse gerissen wird. Hinzu kommt, dass das Land Schulden bei den Lehrern in Höhe von 260 bis 280 Millionen Euro, was auf eine Vereinbarung der Vorgängerregierung zurückgeht. Die Lehrer verlangen das, was Ihnen zusteht zu recht und wir haben das 2004 zu bedienen.
Wo liegen denn die Streitpunkte zwischen Bund und Ländern bei der Steuerreform?
Böhmer: Der Bund wird sich nicht noch mehr verschulden, um den Ländern Geld zu geben. Es ist also nur möglich bestimmte Subventionen abzubauen. Aber dabei darf es nicht passieren, dass die Förderung der neuen Bundesländer untergeht. Der Bund hat gesagt, er will die Investitionszulage Ost nach 2004 um zwei Jahre verlängern. Das freut uns. Der Pferdefuß aber ist, dass das Ganze auf ein Viertel der bisherigen Summe reduziert werden soll. Das reicht nicht.
Zurück zu dem, was das Land tun kann. Wo soll gespart werden?
Böhmer: Wir werden alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen. Bestimmte Programme, wie beispielsweise die Entschuldung der Abwasserzweckverbände werden wir zeitlich strecken, auf mehrere Jahre verteilen müssen. Und wir werden nicht mehr alle Fördermittel und Drittmittel, die von außen kommen, mit Landesgeld gegen finanzieren können. Natürlich müssen wir uns auch neu verschulden und Kredit aufnehmen. Aber da gibt es Grenzen - verfassungsmäßige, aber auch durch Vernunft begründete. Sachsen-Anhalt ist erst zwölf Jahre alt, aber wir haben in dieser Zeit Pro-Kopf-Schulden aufgebaut, die viermal so hoch sind wie die des viermal älteren Landes Bayern.
Kann sich das Land zusätzliche Einnahmequellen erschließen? Zum Beispiel durch Verkauf?
Böhmer: Natürlich. Wir sind dabei Wald zu verkaufen. Wir sind dabei Domänen zu verkaufen. Und wir haben das Landesweingut ausgeschrieben. Aber wer Besitz verkauft, um Landeslöcher zu schließen, macht eigentlich etwas falsch. Viel besser wäre es, wir würden Erlöse aus Verkäufen beispielsweise in eine Technologie-Förderstiftung stecken, um das Land voranzubringen. Aber es geht eben nicht.
Bis 2006 soll kräftig Personal abgebaut werden. Von 5836 Stellen bis 2006 war die Rede. Während Sie einschränkten, dass das nicht so einfach geht, hat Staatsminister Rainer Robra auf dieser Größenordnung beharrt. Wer hat Recht?
Böhmer: Meine Einschätzung bezog sich auf die Umsetzung und nicht auf die notwendige Größenordnung. Fest steht: Wir haben ein klares Konzept. Zuerst guckt man, wer wann altersmäßig ausscheidet und baut so Personal ab. Dann würden wir unser Ziel 2034 erreichen. Das geht also nicht. Wir haben eine Vorruhestandsregelung, die wird unterschiedlich angenommen. Also bleiben noch betriebsbedingte Kündigungen. Jeder weiß, dass das arbeitsrechtlich schwer ist, aber es ist machbar. Doch, das ist ein Weg, der mir unsympathisch ist. Auf der einen Seite kämpfen wir gegen die Arbeitslosigkeit, auf der anderen Seiten produzieren wir selbst welche.
Wo ist der Ausweg?
Böhmer:Wir suchen nach einer solidarischen Lösung und sind in guten Gesprächen mit den Gewerkschaften. Diese Lösung könnte so ähnlich aussehen wie es jetzt der Berliner Senat mit verdi vereinbart hat. Es geht also darum, dass im gesamten Angestelltenbereich die Arbeitszeit um zwei oder drei Stunden reduziert wird und dann alle entsprechend weniger verdienen.
Der Personalabbau stellt sich schwierig dar. Warum hat Ihre Regierung die kommunale Gebietsreform gestoppt, die doch gewiss Einspareffekte brächte?
Böhmer: Weil sich Probleme nicht nur am Schreibtisch lösen lassen. Ich erinnere mich an die Diskussion um den Kreissitz, die wir 1993 erlebt haben. So etwas können wir jetzt nicht gebrauchen. Wir haben gesagt, wir machen Verwaltungs- und Gebietsreform nicht gleichzeitig. Wir wollen nicht aus lauter Reformeifer das Land in ein einziges Chaos stürzen.
Jetzt ist die Verwaltungsreform an der Reihe, eine Kreisgebietsreform wird es bis 2006 nicht geben. Aber dann wird es sehr wahrscheinlich Korrekturen auf der Kreisebene geben müssen, schon wenn man sich nur die sinkenden Einwohnerzahlen anguckt. Allein durch die Bildung größerer Verwaltungsgemeinschaften über Kreisgrenzen hinweg kommt eine Bewegung in Gang, die Konsequenzen für Gebietstrukturen haben wird.
Das heißt doch aber, dass akute Probleme auf die lange Bank geschoben werden?
Böhmer: Was akut ist, sehen wir uns sofort an. Beispielsweise die Stadt-Umland-Problematik im Raum Halle. Es wird in der nächsten Zeit Gespräche mit den Verantwortlichen geben, die ersten werde ich selbst führen.
Machen Sie eigentlich alles selbst? Muss sich ein Ministerpräsident mit der Einstellung von Lehramtsanwärtern oder der Beförderung von Polizisten beschäftigen?
Böhmer: Es macht mir keine Freude, das alles an mich zu ziehen. Wir haben klare Beschlüsse zum Personalabbau, aber auch zu so genannten Einstellungskorridoren. Aber es geht nicht, dass diejenigen, die zusätzlich eingestellt werden sollen, nicht in das Abbau-Konzept eingerechnet werden. Das mache ich nicht mit. So ist das nämlich jahrelang gelaufen. Acht Jahre lang gab es zwischen Kultus-, Finanzministerium sowie Staatskanzlei unterschiedliche Zahlen über den Bestand von Lehrern. Der Ministerpräsident ist doch nicht nur dazu da, festzustellen, dass etwas nicht geht - er muss auch selbst die Dinge in die Hand nehmen und dabei helfen, Probleme zu lösen.