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Magdeburg Magdeburg: Stadt legt Partymeile trocken

Von Kai Gauselmann 23.01.2008, 19:21

Magdeburg/MZ. - Peter Ferber ist kein Scharfmacher. "Man muss immer beide Seiten sehen", sagt er. Aber auf die Aussicht, die seine Gäste haben, kann der Besitzer der "Liebig Lounge" am Magdeburger Hasselbachplatz verzichten: "Da sitzt dann auf der Bank ein Dutzend Jugendlicher, in der Mitte ein Bierkasten. Der wird geleert und die Flaschen werden zerschmissen." Es folgten Gegröhle, manchmal Handgreiflichkeiten. "Und weil das viele Bier drückt, gehen die dann zum nächsten Baum und lassen die Hose runter - fünf Meter entfernt von meinen Gästen."

Sieben Videoanlagen

Gegen diesen Anblick ist auch Lutz Trümper. Der SPD-Mann ist Magdeburgs Oberbürgermeister und er will das bleiben. Am 9. März ist OB-Wahl. Dass er das Thema öffentliche Ordnung schleifen ließe, kann man ihm nicht vorwerfen. "In letzter Zeit haben sich auf den Straßen Magdeburgs Sitten breit gemacht, die einem zivilen Verhalten nicht entsprechen", sagt er. Und greift durch: Er hat nun eine so genannte Allgemeinverfügung erlassen, wodurch ab Februar der Hasselbachplatz und streckenweise auch seine Zufahrtstraßen zur Alkoholverbotszone werden. Täglich von 18 bis 6 Uhr darf man auf der Straße keinen Alkohol trinken und nicht einmal Glasflaschen bei sich haben. Das Verbot gilt bis Ende März und wird dann überprüft. Zudem wird der Platz nun durch eine Videoanlage überwacht. Es ist die siebte Polizei-Videoanlage Magdeburgs, nirgendwo wird man mehr beobachtet. In Halle gibt es zwei, in Dessau-Roßlau drei, in Quedlinburg zwei und in Halberstadt vier Videoanlagen.

Tagsüber ist der Hasselbachplatz, von Einheimischen schlicht "Hassel" genannt, eher öde: Ein Kreisverkehr im Süden der Innenstadt. Der Markt und der Domplatz sind schöner. Seinen Charme entfaltet der "Hassel" nach Einbruch der Dunkelheit - dank 50 Kneipen, Cafés und Restaurants in seinem Umfeld. Er zieht Magdeburgs Nachtschwärmer unwiderstehlich an und eben Jugendliche, die lieber draußen vor der Türe Bier trinken. Auf ihr Konto gingen im vergangenen Jahr 70 Körperverletzungen und 79 Sachbeschädigungen. Zum Vergleich: 2006 waren es 56 und 63 Taten. "Die Gefahr weiterer Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zwingt uns zum Handeln", so Trümper. Ein Alkohol-Verbot wurde auch schon in anderen Städten diskutiert, etwa in Aschersleben und in Halle. Die Pläne wurden unter anderem wegen rechtlicher Bedenken verworfen. In Halle kann das Ordnungsamt aber in Einzelfällen Alkoholverbote aussprechen. Nicht Jugendliche sind dort das Problem, sondern Obdachlose und Alkoholiker, die auf dem Marktplatz zechen - und anschließend an die Marktkirche urinieren. "Das Urinsalz schädigt die Bausubstanz", sagt Ordnungsamtsleiter Ernst Müllers. Seit Jahresanfang können die Ordnungsamtsmitarbeiter nun im Bedarfsfall Alkoholverbote aussprechen. "Wenn die Gefahr besteht, dass andere Personen belästigt oder die Allgemeinheit gefährdet wird", so Müllers. Bei Zuwiderhandlung droht ein Verwarngeld von 15 Euro.

2 000 Euro Strafe

In Magdeburg droht bei einem Verstoß gegen das Alkoholverbot sogar ein Zwangsgeld von 500 bis 2 000 Euro. "Zeigt die Regelung Wirkung, schließen wir eine Ausdehnung auf andere Bereiche der Stadt nicht aus", sagt OB Trümper.

Zumindest an der Tiefenwirkung gibt es Zweifel. "Das ist eine übereifrige Kontrollpolitik, die an den Ursachen nichts ändert", kritisiert Heinz-Hermann Krüger, Pädagogik-Professor der Universität Halle. "Die Jugendlichen werden einfach woanders eine neue Zech-Zone aufmachen." Die öffentlichen Exzesse seien möglicherweise eine neue "Event-Kultur" der Jugendlichen. Allerdings nicht ganz freiwillig. "Diese Jugendlichen haben einfach kein Geld für Disco, Konzert oder Kneipe. Also stellen sie sich mit Billigbier davor", so Krüger. Will man das ändern, komme man an der sozialen Situation der Jugendlichen nicht vorbei. Fast acht Prozent der Jugendlichen lebten in Armut, ein Viertel habe keinen Ausbildungsplatz und auch keine Aussicht auf einen Job.

Gastronom Peter Ferber weiß das, er sieht ja immer beide Seiten. "Das Verbot wird das soziale Problem hier absolut nicht lösen", sagt er deshalb. "Aber von uns Anliegern bekommt die Stadt dafür dennoch 100 Punkte."