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Widerstand wächst Große Pläne für Flughafen Leipzig/Halle

Der Flughafen Leipzig/Halle soll umfangreich ausgebaut werden. Eine der beiden Startbahnen wird derzeit saniert. Der Widerstand gegen die Pläne wächst, vor allem wegen der Frachtflüge in der Nacht.

Von André Jahnke Aktualisiert: 19.07.2021, 07:42
Schkeuditz: Bauarbeiten für die Erneuerung der Start- und Landebahn Nord laufen auf dem Flughafen Leipzig/Halle.
Schkeuditz: Bauarbeiten für die Erneuerung der Start- und Landebahn Nord laufen auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Foto: dpa

Leipzig/dpa - Die Betonmassen der alten Start- und Landebahn türmen sich am Rand der Baustelle am Flughafen Leipzig/Halle etwa 15 Meter hoch und auf einer Länge von mehreren hundert Metern. 130.000 Kubikmeter, abgefräst von der 3600 Meter langen Piste in gut sechs Wochen. Die Start- und Landebahn Nord hat nach rund 400.000 Starts und Landungen ausgedient und soll bis Anfang September saniert werden. Neuer und größer - das sind die Vorstellungen der Mitteldeutschen Flughafen AG.

„An dem geplanten Investitionsprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro wird festgehalten“, betont der Vorstandsvorsitzende der Mitteldeutschen Flughafen AG, Götz Ahmelmann. Dafür soll vor allem Leipzig/Halle als Logistikstandort weiter ausgebaut werden. „Gut 80.000 Starts und Landungen gab es im Jahr 2019. Für 2032 sind 118.000 prognostiziert.“

Möglich wird dieses Steigerung alleine durch die Luftfracht. Der Flughafen an der Grenze von Sachsen und Sachsen-Anhalt ist inzwischen der zweitgrößte Fracht-Airport in Deutschland, hinter Frankfurt/Main, in Europa schon die Nummer vier. Im vergangenen Jahr hatte Leipzig/Halle mit 1,38 Millionen Tonnen Fracht ein Rekordergebnis erzielt und rechnet mit weiterem Wachstum. In Frankfurt waren es 2020 gut 1,9 Millionen Tonnen. Etwa 8200 der insgesamt 10.800 Beschäftigen arbeiten am Airport Leipzig/Halle im Bereich Luftfracht, Speditionen und Logistik.

Unter anderem plant DHL die Erweiterung des Logistik-Drehkreuzes von 60 auf etwa 90 Stellplätze für Flugzeuge. „Wir haben nach der Sanierung wieder zwei Start- und Landebahnen. Das Parallel-Bahnen-System war ein klarer Standortvorteil bei Ansiedlungen von DHL und Amazon“, erläutert Uwe Schuhart von der Mitteldeutschen Flughafen AG. Im November 2020 hatte Amazon Air hier sein erstes regionales Luftfrachtzentrum in Europa eröffnet. Das Unternehmen nutzt dafür eine neu errichtete 20.000 Quadratmeter große Frachtanlage mit direktem Zugang zum Vorfeld.

In der Corona-Pandemie herrschte in der Abflughalle des Flughafens monatelang gähnende Leere. Im Frachtzentrum war dagegen mehr zu tun als zuvor. „Neben dem gesteigertem Standardgeschäft wurden auch medizinische Hilfsgüter umgeschlagen und die Versorgungsketten aufrechterhalten“, betont Schuhart. Bis zu 75 Kollegen aus Dresden halfen vorübergehend am Flughafen Leipzig/Halle aus.

Neben den beiden Landebahnen hat der Airport eine Nachtflugerlaubnis für Frachtmaschinen. Die wird auch reichlich genutzt - und die Zahl der Flüge soll in Zukunft erheblich gesteigert werden. Das stößt auf eine Menge Kritik.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) befürwortet zwar den Ausbau, allerdings mit Auflagen. Auch mehrere Parteien im Magdeburger Landtag haben mehr Lärmschutz für die Anwohnerinnen und Anwohner des Airports gefordert. Sachsen-Anhalt ist mit gut 18 Prozent an der Mitteldeutschen Flughafen AG beteiligt, zu der neben dem Flughafen Leipzig/Halle auch der Regionalflughafen in Dresden gehört. Haupteigner ist Sachsen mit gut 77 Prozent.

Das Planfeststellungsverfahren hatte Mitte November 2020 begonnen. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Einspruchsfrist gegen das millionenschwere Vorhaben in diesem Sommer verlängert. Nach Angaben der zuständigen Landesdirektion waren zuvor bereits 3974 Widersprüche von 5638 Einzelpersonen eingegangen. Zudem liegt eine zigtausendfach gezeichnete Online-Petition gegen den Flughafenausbau vor.

Das millionenschwere Vorhaben polarisiert immer mehr und gipfelte vor wenigen Tagen in einer Blockade der Zufahrt zum DHL-Kreuz von 54 Aktivisten gegen den Flughafenausbau. Mehrere Lastwagen stauten sich vor der Einfahrt und mussten durch ein zweites Tor umgeleitet werden. DHL erstattete nach Angaben der Polizei Anzeige, weil wegen der Blockade einige Maschinen erst mit Verspätung abgeflogen waren. Demnach waren unter den aufgehaltenen Fahrzeugen auch Lastwagen, die mit Impfstoffen beladen waren, und Taxis, die Piloten zu ihren Frachtmaschinen befördern wollten.

„Das war nicht die letzte Aktion, die am Flughafen gegen den Ausbau stattfindet“, sagt Peter Richter von der IG Nachtflugverbot. Die Anwohner fühlten sich von der Politik und der Justiz im Stich gelassen. „Die Menschen wurden genötigt, Schallschutzfenster zu beantragen. In den meisten Gebäuden reicht es aber nicht, Schallschutzfenster einzubauen, weil der Schall durch Dächer und Wände kommt. Bei 28 Grad müssen sie nachts die Fenster schließen, um sich keiner Gesundheitsgefährdung auszusetzen.“

Viele Anwohner hätten schon aufgegeben und seien weggezogen, sagt Richter, der seit Jahren gegen die Ausbaupläne kämpft. „Wir können hier nicht alle wegziehen, nur damit ein einziger Konzern seinen Profit steigern kann.“

Unabhängig von Protesten und Planungsverfahren gießen derweil riesige Maschinen an der Nordbahn den Beton weiter. Aufhalten konnte sie bisher nur der Regen an einigen Tagen. Ein Fest wie der Einweihung der Südbahn im Jahr 2007 sei nicht geplant, betont Schuhart. „Es gibt kein Tamtam mit Flugshow, Parade oder Musik. Laut Flugplan soll am 1. September um 22.00 Uhr die erste Maschine hier landen. Fertig.“