1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Wittenberg
  6. >
  7. Wittenberger muss zwei Jahre ins Gefängnis

Amtsgericht Wittenberger muss zwei Jahre ins Gefängnis

Diebstahl, Brandstiftung? Warum ein junger Mann verurteilt wird, obwohl ihm etliche Taten nicht nachgewiesen werden können.

Von Marcel Duclaud 17.01.2022, 14:00
Eingang des Amtsgerichtes in Wittenberg
Eingang des Amtsgerichtes in Wittenberg Thomas Klitzsch

Wittenberg/MZ - Dass bei einer Verhandlung sowohl der Angeklagte als auch ein wichtiger Zeuge mit Handschellen in den Saal geführt werden, ist nicht so häufig der Fall. Im Wittenberger Amtsgericht ließ sich das jüngst beobachten. Es ging dort um eine verzwickte Geschichte, die auch nach mehrstündiger Sitzung nicht vollständig aufgeklärt ist.

Sie endete zwar mit einer saftigen Freiheitsstrafe von zwei Jahren, für mehrere dem Angeklagten vorgeworfene Delikte aber ließ sich kein Tatnachweis finden. Weshalb Richterin Jeanette Preissner am Ende erklärte: Das Bauchgefühl sage, dass der Mann auf der Anklagebank mit dem Einbruch und dem Pkw-Brand zu tun habe, die „juristische Argumentationskette“ aber fehle eben.

Drei Jahre Jugendstrafe

Der Angeklagte ist trotz seiner Jugend, er wurde 1996 geboren, schon oft mit dem Gesetz in Konflikt geraten: unter anderem wegen Diebstahl, Brandstiftung, Körperverletzung, Beleidigung, Urkundenfälschung, Fahren ohne Führerschein. Drei Jahre Jugendstrafe wurden 2018 verhängt. Erst im Herbst vergangenen Jahres verurteilte das Landgericht den Wittenberger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten - wegen Entziehung elektrischer Energie, unter Einbeziehung anderer Urteile.

Im aktuellen Fall nun geht es um fünf Straftaten, die sich zwischen Juli und Dezember 2019 ereigneten. Dem Angeklagten werden zwei Wohnungseinbrüche in der Straße der Völkerfreundschaft vorgeworfen, bei denen er nicht nur Löwe-Fernseher, X-Box, Hifi-Anlage sowie Pkw- und Garagenschlüssel gestohlen haben soll, sondern auch zwei Katzen und zudem Schlangen, von Pythons ist die Rede. Er soll nach den Worten von Staatsanwalt Frank Pieper außerdem ein Fahrzeug aus einer Garage in der Triftstraße entwendet und später in Brand gesetzt haben. Schließlich ist da noch der Einbruch in einen Lagerraum in Wittenberg, bei dem pyrotechnische Erzeugnisse im Wert von rund 5.000 Euro verschwanden.

Königspython und Boa Constrictor

Allein letzteres räumt der junge Mann, der bei Gericht in sehr dicken Ordnern blättert, ein. Das Auto, in dem er erwischt wurde, will er samt Schlüssel erhalten haben. Schlangen? Ja, er habe mal welche gehalten, Königspython, Boa Constrictor, nicht aber aus besagter Wohnung geholt.

Das Verhältnis zu dem Mann, der Anzeige erstattete und ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt ist, nennt der Angeklagte „nicht gut“. Der nämlich habe im Sommer 2018 versucht, seinen kleinen Bruder mit Schokolade in eine Laube zu locken.

Der Geschädigte, der gegenwärtig eine Haftstrafe in Burg absitzen muss, sagt auf die Frage, ob er mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert sei: „Bloß nicht, da würde ich mir einen Strick nehmen.“ Er spricht von drei Schlangen, die weggekommen seien - eine sei später zerstückelt gefunden worden. Das Auto, um das es geht, habe seinem verstorbenen Vater gehört, es sei sein Erbe. Und im Übrigen fehle auch noch eine Kassette „mit dem Goldschmuck meiner Mutter“.

Eine Verbindung zwischen den beiden Männern besteht über eine Frau aus Wittenberg, einst verlobt mit dem Geschädigten. Sie soll auch den Schlüssel zu seiner Wohnung gehabt haben, um sich um den kranken Vater zu kümmern. Der Angeklagte wiederum habe zeitweise bei ihr übernachtet, er spricht von einer „freundschaftlichen Beziehung“.

Als Zeugin war jene Frau zur Verhandlung geladen, allerdings hatte sie, die in der Augustinus-Werkstatt arbeitet, ihre Betreuerin nicht mitgebracht und wollte ohnehin lieber nicht aussagen, weil sie sich hätte selber belasten können. Weitere Zeugen berichteten über das Fahrzeug, das Ende Juli 2019 mitten in der Nacht brannte. „Gegen 2 Uhr. Ich hörte riesigen Tumult draußen“, sagt ein Anwohner. Wer den Brand gelegt hat, wisse er aber nicht.

Zähe Beweisaufnahme

„Eine zähe Beweisaufnahme“, resümierte Staatsanwalt Pieper und räumte ein, dass keine objektiven Beweise vorlägen für die Schuld des Angeklagten. „Wir haben nicht viel, nur den zugegebenen Einbruch in den Lagerraum.“

Er forderte dennoch eine Freiheitsstrafe in Höhe von 1,6 Jahren und die Einziehung von 5.000 Euro. Als Gesamtstrafe mit dem Urteil des Landgerichts - die Revision war kurz zuvor zurückgenommen worden - 2,3 Jahre. Verteidiger Sven Tamoschus hielt acht Monate für angemessen. Die Tat liege lange zurück, sein Mandant sei geständig, absolviere zurzeit eine Ausbildung, die Revision sei zurückgenommen. Als Gesamtstrafe beantragte er 1,6 Jahre.

Einige Merkwürdigkeiten

Richterin Preissner entschied wie eingangs erwähnt auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren - unter Einbeziehung anderer Urteile - samt Einziehung der 5.000 Euro. Sie verwies auf verschiedene Merkwürdigkeiten, auf das Zusammenwohnen von Angeklagtem und der Frau mit dem Schlüssel, nur eben fehle es an Tatnachweisen. Die Hauptzeugin habe von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch gemacht, die belastenden Gesichtspunkte reichten schlicht nicht aus. Dass es dennoch zu zwei Jahren komme, habe mit den zahlreichen Vorstrafen zu tun: „Bewährung können wir da nicht mehr gewähren.“