Spindestube in Gniest Spindestube in Gniest: Ein Projekt zum Verweilen

Gniest - Carsten Passin kann es nicht mehr abwarten: Sorgfältig schiebt der 59-Jährige die weiße Folie beiseite, um das geheimnisvolle Objekt unter der Plane zu lüften. „Eigentlich darf es noch keiner zu Gesicht bekommen“, konstatiert er und grinst.
Mit einem Auge lugt Passin durch den schmalen Spalt - doch außer massiven Holzstämmen kann er nicht viel erkennen. Dafür hat der bärtige Mann von dem rätselhaften, hölzernen Gegenstand bereits Kenntnis: „Hierbei handelt es sich um einen Bücherbaum“, gibt er freudestrahlend zu. Und dieser Baum sei erst der Anfang einer alten, wiederauflebenden Tradition, so Carsten Passin.
Die Rede ist hierbei von einer Spindestube in Gniest bei Kemberg. „Damals war die Spindestube ein Ort, wo sich alle Einwohner getroffen haben, um sich auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln“, erklärt er. Mit Unterstützung von Ina Vorwerk, die den Heimatverein in Gniest leitet, wollen sie diese Tradition auffrischen.
Für Carsten Passin ist es jedoch nicht die erste Spindestube, die er wieder aufleben lässt. Der 59-Jährige arbeitet bei der Evangelischen Akademie in Wittenberg als Leiter des Projekts „Spindestube Dübener Heide“. „Ich bin vor knapp 20 Jahren nach Gniest gezogen, doch von den Nachbarn sieht man nicht viel - das ist eigentlich traurig“, erklärt Passin.
Und genau das wollte er mit dem Vorhaben einer Spindestube ändern. „Die Dorfbewohner sollen wieder mehr miteinander in Kontakt treten und sich nicht in ihren vier Wänden verkriechen“, bemerkt der Projektleiter.
Seit Ende April gibt es jetzt bereits die Spindestube in Gniest - an konstruktiven Ideen scheitere es jedenfalls nicht, findet Ina Vorwerk vom Heimatverein. „In dieser kurzen Zeit haben sich schon einige Projekte realisieren lassen.“ Beispielsweise treffen sich einmal in der Woche Dorfbewohner zum „Nordic-Walking“ - zudem sind Filmabende und sogar ein Sommerkino geplant.
Im Projekt „Spindestube in der Dübener Heide“ treffen sich regelmäßig Menschen und tauschen sich über die Situation in ihrem Dorf aus. Es wird gemeinsam gegessen, getrunken, gespielt und geredet. Es werden Themen besprochen, die von gemeinsamen Interesse sind. Das zweijährige Projekt wird in fünf Kirchengemeinden im Kirchenkreis Wittenberg erprobt und ist offen für die gesamte Einwohnerschaft. Einmal im Jahr wird für jeden Ort eine Exkursion organisiert. In den Ortschaften Meuro, Sachau, Söllichau, Gniest und Krina hat sich das Konzept der Spindestuben bereits durchgesetzt.
„Wir wollen den Menschen auf dem Dorf auf etwas bieten, das zugleich den Zusammenhalt stärkt“, erklärt die Vereinsvorsitzende und schmunzelt.
Die nächste Aktion, die Casten Passin bereits in Planung hat, ist der Bücherbaum. Dieser besteht aus Holzstämmen, aus denen kleine Vierecke herausgefräst wurden, in die dann die Bücher gelegt werden können. „Das soll dazu dienen, dass Wanderer an dem Baum Rast machen, sich ein Buch nehmen und darin lesen können“, berichtet Passin.
Am kommenden Sonntag gegen 14 Uhr wird der Bücherbaum offiziell eröffnet. Dorfbewohner und Gäste sind dazu angehalten, Bücher und Verpflegung für ein gemeinsames Picknick mitzubringen. (mz)