Sie begleitet Sterbende Sie begleitet Sterbende: Darum arbeitet Gerit Möhrke ehrenamtliche im Hospiz
Wittenberg - Früher war Gerit Möhrke beim Bundesgrenzschutz. Seit einem Dienstunfall ist sie „dienstunfähig“, aber nicht untätig. Sie arbeitet jetzt an einer anderen Grenze, jener zwischen Leben und Tod. Für ihre ehrenamtliche Hospizarbeit wurde die 42-jährige Trebitzerin nun mit dem dritten Preis des Reinhard-Höppner-Engagementpreises geehrt.
Möhrke erzählt, im Rampenlicht zu stehen, sei ihr unangenehm. Folglich habe sie kurz gezögert, als sie die Einladung nach Magdeburg bekam. Dann tauchte sie kurz ein in den Lebensweg des 2014 verstorbenen SPD-Politikers und einstigen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, nach dem der neu ausgelobte Preis benannt ist, und dachte: „Es wäre mir eine Ehre.“
Weiser Lehrer fürs Leben
Wenn es etwas gibt, was dieser mit 200 Euro dotierte dritte Preis in der Außenwahrnehmung bewirken sollte, so ist es aus Möhrkes Sicht das: „Die Menschen sind nicht allein.“ Sie müssen nicht allein sein, wenn es an die letzten Dinge geht, denn im Landkreis gibt es etliche Frauen und Männer, die wie sie Sterbenden, aber auch Angehörigen beistehen.
Erste Schritte in der Sterbebegleitung sei sie selbst 2006 gegangen. Damals lebte sie noch in Berlin und engagierte sich in einem Kinderhospiz. 2008 folgte eine Ausbildung zur Erwachsenen-Hospizbegleiterin, im Jahr darauf hat sie die erste Dame begleitet, die zum Sterben nach Berlin gekommen war, in die Nähe der Tochter, heißt es.
Zum ersten Mal haben die SPD-Landtagsfraktion und der SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt am 27. November den neu ausgelobten Reinhard-Höppner-Engagementpreis verliehen. Künftig sollen einmal jährlich Menschen, Vereine und Initiativen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben, mit diesem Preis geehrt werden. Eine fünfköpfige Jury unter dem Vorsitz der SPD-Fraktionsvorsitzenden Katja Pähle hatte aus 57 eingereichten Vorschlägen drei Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt. Die Preisvergabe fand am 27. November im Landtag statt. Der erste Preis ging an den Heimatverein Tangerhütte, der zweite an Till Gaßmann in Halle und der dritte an Gerit Möhrke in Trebitz.
Der Ökumenische Hospizdienst am evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift, für den auch Gerit Möhrke ehrenamtlich tätig ist, ermöglicht die ambulante Begleitung Schwerstkranker, Sterbender und sorgt sich auch um deren Angehörige. Darüber hinaus gibt es eine, kurz SAPV genannte spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Im Rahmen der SAPV wird unter anderem mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten kooperiert.
Seit Mai dieses Jahres gibt es in Wittenberg auch ein stationäres Hospiz. Entstanden ist es auf dem Gelände des Paul Gerhardt Stifts in einem früheren Bettenhaus. Es bietet in der ersten Etage zehn Gästen Platz, die von ausgebildeten Pflegekräften und Hauswirtschaftskräften umsorgt werden. In den Umbau wurden 1,3 Millionen Euro investiert, der Löwenanteil durch die Paul Gerhardt Diakonie gAG Berlin. 250000 Euro mussten als Spenden aufgebracht werden. Am Ende wurde es mehr (die MZ berichtete wiederholt). Doch auch im Betrieb werden Spenden benötigt, da die Kostenträger nur 95 Prozent tragen. Das Hospiz trägt den Namen Katharina von Bora und wird von Sindy Herrmann geleitet.
Der Tod der alten Dame, respektive die gemeinsame Zeit sei der Moment gewesen, in dem Möhrke wusste, dass sie genau das in Zukunft (seit Jahren in ihrer Heimatregion) machen will. Da war einerseits das Vertrauen, das ihr entgegen gebracht wurde. Und andererseits die Erkenntnis, „dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als Menschen sich vorstellen können“.
Mehr, als sie selbst für möglich gehalten hätte, zumal, wie sie sagt, sie als Kind „panische Angst“ vor dem Tod hatte. Heute sieht sie in ihm einen „weisen Lehrer fürs Leben“.
Worum es geht? „Immer wieder das Wesentliche im Auge zu haben.“ Oder: „Zu sehen, dass das Leben schön ist.“ Die Menschen, weiß Möhrke, „sterben wie sie gelebt haben“. Und wenn da Unausgesprochenes ist oder unerledigte Dinge drücken, kann es schwerfallen, loszulassen und zu gehen. Das mit dem Loslassen gilt wohl auch für jene, die bleiben - die Angehörigen.
Auch um sie kümmert sich Möhrke und manchmal in besonderer Weise: Dann nämlich, wenn jemand im Krankenhaus stirbt, sorgt sie sich um die Aufbahrung in einem speziellen Raum und ist bei den Hinterbliebenen. 80 oder 90 Mal habe sie das schon gemacht.
Gut 200 Sterbende hat sie insgesamt bisher begleitet. Das konnte in der „Häuslichkeit“ sein, Menschen wie Möhrke gehen aber auch in Pflegeeinrichtungen. Insgesamt handele es sich um multi-professionelle Teams, in denen Hospizhelfer ihren Platz haben und manchmal auch eine Lücke füllen. Es gebe Sterbende, die allein sind, „gut zusammenhaltende Familien“, und auch Dramen kann ein Sterbebegleiter wohl erleben.
Im Schlimmen das Gute
Was das Sterben angeht, so vertritt Möhrke dieselbe Ansicht wie damals, nach dem Unfall: „In jedem Schlimmen steckt was Gutes.“ Eine Chance - und wenn es nur die ist, dass Menschen sich am Ende eines Lebens aussprechen und sich noch einmal nah kommen.
Gerit Möhrke ist durch die Zeiten zu mancher Erkenntnis gelangt, auch zu dieser: „Man muss früh aufwachen und sich fragen: Wofür bin ich dankbar?“
(mz)